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Der scheidende Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke war oft selbst vor Ort - auch beim Blitzermarathon.
© imago/Martin Müller

Seit 44 Jahren die Täter im Visier: Brandenburgs Polizeipräsident Mörke geht in den Ruhestand

Hans-Jürgen Mörke wollte bei der Polizei einen neuen Führungsstil etablieren. Jetzt geht er in den Ruhestand. Auf seinen Nachfolger warten schwere Aufgaben.

Potsdam - Diesen Fall hinterlässt er ungelöst: Advent 2017. Ein explosives Paket landet bei einer Apotheke in der Potsdamer Innenstadt, mitten im Weihnachtsmarkttrubel. Angst statt Vorweihnachtsstimmung macht sich breit. Weitere Pakete des Erpressers, der vom Zusteller DHL mehrere Millionen Euro fordert, landen in Berlin. Brandenburgs Polizeipräsident Hans-Jürgen Mörke strahlt Zuversicht aus, dass der Täter bald geschnappt wird. Noch im Juli 2018 deutet Mörke auf einer Pressekonferenz an, dass man eine heiße Spur habe, dem Erpresser dicht auf den Fersen sei. Aber, heute, zwei Jahre nach der Erpressung, gibt es weiter keine Erfolgsmeldung. 

Ebenfalls unaufgeklärt: Im November 2018 brechen Unbekannte in eine Wohnung in dem Potsdamer Mehrfamilienhaus ein, in dem auch Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) lebt. Die Scholz-Wohnung wird rund um die Uhr von Brandenburger Polizisten bewacht. Dennoch gelingt den Einbrechern der Coup. Auch wenn ein Polizeipräsident nicht höchstpersönlich ermittelt, sind es gerade solch öffentlichkeitswirksame Fälle, die mit einem Behördenchef in Verbindung gebracht werden, die haften bleiben. Dennoch ist die Bilanz, die Hans-Jürgen Mörke nach viereinhalb Jahren als oberster Brandenburger Ordnungshüter vorzuweisen hat, deutlich besser als Skeptiker bei seinem Amtsantritt erwartet hatten. Am Mittwoch nun wird der 65-Jährige nach insgesamt 44 Jahren im Polizeidienst von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) und Innenminister Michael Stübgen (CDU) im Landespolizeipräsidium in Potsdam-Eiche in den Ruhestand verabschiedet. 

Ohne Skandale in den Ruhestand

Skandale, wie sie Mörkes Vorgänger Arne Feuring 2015 zu Fall brachten, gab es während seiner Amtszeit nicht. Feuring hatte eine umstrittene Kriminalstatistik zu verantworten, die rechnerisch zu weniger Straftaten führte. Der gebürtige Mecklenburger Mörke, der in den 1970er-Jahren zur DDR-Volkspolizei ging, bis zur Wende Leiter des Volkspolizeikreisamtes Nauen und danach in leitender Funktion im Polizeidienst in Oranienburg, Frankfurt (Oder) und Potsdam war, galt als Vertrauter Feurings. In einem PNN-Interview im Juli 2015 distanzierte sich Mörke aber von seinem Vorgänger, betonte, dass er es gewesen sei, der Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) empfohlen habe, die Statistik nachträglich zu korrigieren. 

Mörke wollte einen neuen Führungsstil etablieren, eine Transparenzoffensive starten. „Wir müssen in die Offensive kommen“, sagte Mörke. Die Führung müsse das Vertrauen der Mitarbeiter zurückgewinnen, das durch die Statistikaffäre und die Polizeireform verloren gegangen sei. Nicht wenige Polizisten sprechen tatsächlich von einem umgänglicheren, menschlicheren Ton, der mit Mörke eingezogen sei, von einer Öffnung und Modernisierung auch in der Außenkommunikation. Twitter gehört nun zum Standard der Brandenburger Polizei. Und: Die – wie Mörke versichert – inzwischen ungeschönte Polizeistatistik ist akzeptabel, die Zahl der Wohnungseinbrüche und Diebstähle etwa ist zurückgegangen. Auch wenn aufsehenerregende Fälle wie der Einbruch bei Scholz’ Nachbarn einen anderen Eindruck erwecken mögen. 

Aber: Unvergessen ist der Maskenmann-Fall um die ominöse Entführung eines Bankers am Storkower See 2012. Kriminalbeamte prangerten vor Gericht einseitige Ermittlungen an. Mörke war zeitweise Chefermittler in dem Fall, Feuring als Polizeipräsident soll sich direkt eingemischt haben. Am Ende ging nicht nur um möglicherweise bewusst fehlerhafte Ermittlungen, sondern vor allem um die Frage, ob und inwieweit Mobbing und Kadavergehorsam innerhalb der Polizei an der Tagesordnung sind. 

Erfolgsmeldung kurz vor seinem Abschied

„So etwas darf sich nicht wiederholen. Niemals“, sagte Mörke 2015 im PNN-Interview zu den Maskenmann-Querelen. Mörke richtete eine „Innere Revision“ ein. Polizisten können Vorgesetzte inzwischen in Fragebögen bewerten. Den kritischen Maskenmann-Beamten half das nichts. Erst im Mai, vier Jahre nach dem Prozess, ließ die Staatsanwaltschaft den Vorwurf der Falschaussage gegen die drei Polizisten fallen. Einer streitet noch immer mit seinem Dienstherren über die Übernahme der Prozesskosten. Eine Motivation für Beamte, sich kritisch zu äußern, ist das aller Fragebögen zum Trotz nicht. 
 

Kurz vor Mörkes Abschied gab es aber auch noch eine Erfolgsmeldung: Anfang Dezember gelang der Brandenburger Polizei ein Schlag gegen die Organisierte Kriminalität. Kommentieren durfte den Erfolg gleich Mörkes Nachfolger und bisheriger Stellvertreter Roger Höppner. Der sprach von „einem der größten Drogenfunde Brandenburgs in den letzten Jahren“. Höppner übernimmt kommissarisch den Posten des Polizeipräsidenten. Für die Nachbesetzung ist keine Ausschreibung, aber die Zustimmung des Kabinetts notwendig. „Innenminister Stübgen wird bei gegebener Zeit dem Kabinett einen Personalvorschlag unterbreiten“, teilt sein Sprecher Martin Burmeister mit.

Die Herausforderungen des möglichen Nachfolgers 

Sofern er sich mit dem neuen Innenminister versteht, könnte Höppner den Posten also dauerhaft übernehmen. Der 59-jährige Kriminalist, der sich im Streit um die automatische Kennzeichenerfassung gegen ministeriumsinterne Kritiker durchsetzte, muss vor allem zwei Herausforderungen angehen, die er selbst bei einer Sicherheitskonferenz im Oktober in Potsdam benannte: Die Bekämpfung von Terrorismus und Extremismus, der in Brandenburg in allen Spektren, vor allem im rechten zugenommen hat. Und den Kampf gegen Cyberkriminalität.

Im Kenia-Koalitionsvertrag sind dafür einige Grundlagen geschaffen worden. Bis zum Ende der Legislatur soll die Zahl der Polizisten von derzeit rund 8100 wieder auf 8500 wachsen, die Polizeireviere werden erhalten, IT-Spezialisten sollen angeworben werden. Und – wohl wirkungsvoller als interne Vorgesetztenbewertungen – es soll ein Polizeibeauftragter etabliert werden, an den sich sowohl Beamte als auch Bürger mit Beschwerden wenden können.

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