Die neue Leiterin des HBPG im Interview: „Wir wollen Forum für Debatten sein“
Katja Melzer ist die neue Chefin des Hauses der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte. Im Interview spricht sie über hybride Formate, Ostdeutschsein - und die Zukünfte Brandenburgs.
Frau Melzer, bis vor Kurzem lebten Sie in Québec, wo Sie das Goethe-Institut leiteten – aber geboren wurden Sie nicht weit von hier, in Luckenwalde. Wussten Sie immer, dass Sie mal zurück kommen würden?
Ich bin in Luckenwalde geboren, in Jüterbog aufgewachsen und wusste immer: Ich will ins Ausland. Erst einmal habe ich in Berlin studiert. Aber ich habe mich danach immer im Ausland gesehen. Dadurch, dass meine Familie nach wie vor in Jüterbog lebt, war ich immer mit der Region verbunden. Auch wenn ich jetzt dreizehn Jahre nicht in Deutschland gelebt habe.
Zu Ihren Schwerpunkten in Montréal zählten neue Technologien. Die Verbindung zum Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) liegt nahe: Hier soll sich ein Museum digital neu erfinden.
Was in Montréal sehr spannend ist: Es gibt ein Ökosystem aus verschiedensten Organisationen – akademische Einrichtungen, künstlerische Ateliers und private Museen, die sich mit verschiedenen Themen der Digitalisierung beschäftigen. Daraus werden immer wieder neue Initiativen und Kooperationen hervorgebracht. Diese große Offenheit hat mich sehr beeindruckt und die bringe ich nach Potsdam mit. Das wird von der Regierung dort übrigens sehr stark unterstützt. So konnte Montréal zu einem Hub für die Verbindung von künstlerischen Formen, kultureller Vermittlung und Digitalisierung werden. Auch in Potsdam sind viele Einrichtungen, die sich damit beschäftigen. Da suche ich gerade den Austausch.
Wen haben Sie da insbesondere im Sinn?
Jetzt steht gerade ein Gespräch mit dem MediaTech Hub Potsdam an, darauf bin ich sehr neugierig. Auch die Begegnungen mit der Filmuni Babelsberg und weiteren Partnern waren sehr spannend.
Seit Oktober sind Sie am Haus. Profitieren wir vom frischen Blick von außen: Wo sehen Sie den größten Nachholbedarf?
Es wird in den nächsten Jahren darum gehen, die drei Geschäftsbereiche der BKG noch stärker zusammenzuführen und das der Öffentlichkeit gegenüber auch so zu kommunizieren: dass Kulturland Brandenburg, die Plattform Kulturelle Bildung und das HBPG zusammengehören und Synergien bilden.
Und wo steht derzeit das HBPG?
Hier bereiten wir die neue Überblicksausstellung vor, deren Vorgängerin seit 2017 geschlossen ist. Im Frühjahr wird sie eröffnet werden. In dem Kontext bereiten wir Programme vor, die die Inhalte vermitteln und mit weiterem Leben füllen. Denn es wird darum gehen, das Haus bekannter zu machen. Die Lage ist eine große Herausforderung. Es gibt auf der einen Seite den Neuen Markt, auf der anderen Seite das neue Kreativquartier – aber wir sind nicht so leicht zu finden.
Wie grenzen Sie sich künftig ab, etwa vom Potsdam Museum?
Der Brandenburg-Fokus ist unser Alleinstellungsmerkmal. Potsdam hat eine starke Museumslandschaft, es gibt also viel Konkurrenz – was ich sehr positiv finde. Für uns wird es wichtig werden, die Diskurse aus dem Land hier im Haus widerzuspiegeln. Und gern auch andersrum. Mit dem Potsdam Museum gab es erfolgreiche Kooperationen in der Vergangenheit, die ich gern fortführen möchte.
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Das HBPG solle "Education Center" werden, hieß es 2017 von Kurt Winkler, der im April in den Ruhestand geht. 2024 soll das Projekt fertig sein. Steht der Zeitplan? Und was bedeutet der Begriff für Sie?
Das Innovationskonzept soll bis 2024 umgesetzt werden, aber so ein Prozess ist ja on going. Bildung und Vermittlung sehe ich tatsächlich als einen der Schwerpunkte bei uns. Es geht um die Vermittlung von Kultur, Landes- und Zeitgeschichte. Für mich ist das zweigeteilt. Einmal gibt es den Bildungsteil für alle Altersgruppen, der in einer Art Mediencenter im Obergeschoss realisiert werden wird, wo Workshops und andere Vermittlungsformate stattfinden können. Der zweite Teil kann aus Ausstellungen, aber auch aus anderen öffentlichen Programmen bestehen. Beides greift immer ineinander.
Wie wird dabei die Gewichtung zwischen Haptischem und Digitalem aussehen?
Wir haben das Haus ja hier, es soll auch mit Leben gefüllt werden. Gleichzeitig haben wir aber immer das Land im Blick. Wir müssen uns immer fragen: Wie kann man Personen erreichen, die nicht mobil sind, die weiter weg wohnen? Und Digitalisierung ist ja Teil von allem. Wenn wir ein Programm entwickeln, wird das Digitale automatisch mitgedacht. Aus meiner Sicht liegt die Zukunft in hybriden Formaten. Ein Beispiel dafür ist „SPUR.lab“, wo es um neue Formen der Vermittlungsarbeit bei Gedenkstätten geht.
Bevor im Frühjahr die neue Dauerausstellung eröffnet, zeigen Sie Anfang Februar „Morgen. Werkstatt der Zukünfte Brandenburgs“. Was hat es damit auf sich?
Das ist ein Projekt, das für die Arbeit der BKG programmatisch sein wird. Dreißig Partnerorganisationen aus dem Land Brandenburg wurden von unserer Projektleiterin Andrea Wieloch eingeladen, die sich schon Gedanken um die Zukunft Brandenburgs machen – anhand von ökologischen und landwirtschaftlichen Themen, aber auch Wohnen oder Arbeit. Das wird eine Ausstellung, die aber eigentlich eine Werkstatt ist.
Was heißt das?
Wenn man reinkommt, hat man das Gefühl, eine Ausstellung zu betreten, aber im Laufe der Zeit verändert sie sich. Im Februar wird sie anders aussehen als im Mai. Es wird Programme geben, Workshops, Diskussionen, Filme. Die Idee ist, zu zeigen, was im Land zurzeit alles passiert - in Cottbus, Frankfurt (Oder), Eberswalde.
Trotz aller Pläne: Im Herbst wurde die Frage aufgeworfen, ob die Stadt Potsdam sich angesichts knapper Kassen nicht aus der institutionellen Förderung des HBPG zurückziehen sollte.
Die BKG ist eine Kultur- und Bildungseinrichtung des Landes Brandenburg und der Landeshauptstadt Potsdam. Ich finde es richtig, solche Beteiligungen nicht als gegeben zu betrachten und auch regelmäßig zu prüfen. Für uns ist die Stadt Potsdam über die Förderung hinaus eine sehr wichtige Partnerin und bisher habe ich positive Signale erhalten, dass sie es auch in Zukunft bleiben wird.
Sie wurden in den 1980er Jahren geboren. Begreifen Sie sich eigentlich noch als ostdeutsch?
Ich war noch ein Kind, als die Mauer fiel und geprägt hat mich in diesem Zusammenhang vor allem die Nachwendezeit. Danach war das eigentlich erst mal kein Thema und ich selbst sah mich eher als „europäisch“ als „ostdeutsch“. In Kanada war es aber oft Gesprächsstoff und es gab ein Interesse daran, inwiefern Unterschiede zwischen „Ost und West“ noch sichtbar sind. Wenn es heute darum geht, dass im Osten vergleichsweise mehr Leute die AfD wählen oder sich weniger Menschen impfen lassen, beschäftigt mich das schon. Mich interessiert, welche Spuren die DDR- und Wendezeit hinterlassen haben. Auch meine Abschlussarbeit hatte ich zu dem Thema geschrieben.
Nämlich?
Zum Umgang mit Denkmälern in der Nachwendezeit, die zwischen 1945 und 1989 errichtet wurden. Beispielhaft ging es um die Städte Budapest und Ostberlin.
Auch in Potsdam ist die Frage, wie man mit Architektur nach 1945 umgeht, heftig umstritten.
Absolut. Das sehen wir und wir wollen gern Forum für solche Debatten sein. Ob nun in Form von Ausstellungen oder anders, das wird sich zeigen.
Und wie sehen Sie selbst den Aufbau des Turms der Garnisonkirche direkt nebenan?
Sagen wir es so: Ich selbst würde nie auf die Idee kommen, etwas wiederaufzubauen, das schon einmal weg war. Ich wäre im Zweifel immer für etwas Neues.
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