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Rembrandt malte bereits als junger Mann um 1627 die beiden Kleinformate der biblischen Szene „David übergibt Goliaths Haupt dem König Saul“ ...
© Kunstmuseum Basel.

Barberini öffnet mit Schau: Wie Rembrandt sich den „Orient“ ausmalte

Der niederländische Meister hielt den Orient auf Gemälden fest, ohne je seine Heimat zu verlassen. Eine große Schau im Barberini ergründet seine Faszination für das Ferne.

Die Niederländische Ostindien-Kompanie, 1602 gegründet und binnen weniger Jahre zum bedeutendsten Handelsunternehmen des Landes herangewachsen, bewahrte an ihrem Amsterdamer Firmensitz eine öffentlich zugängliche Sammlung ethnografischer und naturkundlicher Objekte. Rembrandt wird diese und weitere Schausammlungen gekannt haben, sie zeugten vom unternehmerischen Geist wie vom Reichtum, der in die Häfen der Niederlande kam.

Menschen aus fernen Ländern waren ein täglicher Anblick auf den belebten Straßen, und Rembrandt ein aufmerksamer Beobachter. Schon als junger, kaum 20-jähriger Maler brillierte er in der Wiedergabe exotischer Stoffe und Gegenstände.

Ohne je seine Heimat verlassen zu haben oder gar in jene Ferne gereist zu sein, aus der die Handelsschiffe tagtäglich neue Waren brachten, vermochte er eine Vorstellung von jener Weltgegend zu geben, die im allgemeinen Sprachgebrauch unter dem Begriff des „Orients“ gefasst wurde.

„Rembrandts Orient“ ist die Ausstellung überschrieben, die ab Samstag im Potsdamer Museum Barberini zu besichtigen ist, nach einer ersten Station im Kunstmuseum Basel, das durch corona-bedingten Termintausch an die erste Stelle gerückt war.

Es ist ein großes Glück, dass nahezu alle Leihgaben erneut zugesagt wurden und nun sogar der persönliche, übers Internet anzumeldende Besuch der Ausstellung möglich ist – Kapazität 680 Tickets pro Tag, Buchung jeweils maximal drei Tage im voraus.

Rembrandt verbrachte was sein ganzes Erwachsenenleben in Amsterdam

Die Ausstellung hat in Rembrandt ihr Zentralgestirn, versammelt um ihn herum aber eine Fülle zeitgenössischer Künstler und untersucht das Phänomen des „Orients“ in allen Facetten. Gerade dieser eher kultur- als kunsthistorische Ansatz ist geeignet, die Besonderheit der mit orientalischen Motiven arbeitenden Kunst rund um die Metropole Amsterdam zu verdeutlichen. Rembrandt (1606-1669) verbrachte dort fast sein ganzes Erwachsenenleben, und das zur Blütezeit der Niederlande und ihrer Kunst.

In seinem Lebenswerk mischen sich Beobachtung und Erfindung; sie gehen in den biblischen Historienbildern ineinander über. Darin war Rembrandt nicht allein. Die Künstler seiner Zeit wetteiferten darin, real Gesehenes in die Ikonografie biblischer Szenen zu integrieren und ihnen dadurch einen höheren Grad an Wahrhaftigkeit zu verleihen.

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Die Exotik ist Ergebnis kolonialer Unternehmungen

Eine höhere Wahrhaftigkeit zeigen die Gemälde umgekehrt auch dem heutigen, historisch-kritischen Blick. Die Exotik der Szenerien wird erkennbar als Ergebnis der kolonialen Unternehmungen, die die Niederlande in der Ostindien-Kompanie gebündelt und dem privatwirtschaftlichen Engagement überlassen hatten.

Und das betraf eben nicht nur die kostbaren Stoffe und fremdartigen Waffen, in die Rembrandt die Figuren des Alten Testaments kleidete, sondern auch Menschen, die aus den kolonialisierten Gebieten als Leibeigene, Diener oder auch Geschäftspartner ins Land kamen.

So konnte Rembrandt der „Taufe des Kämmerers“, 1631 gemalt, die genau beobachtete Figur eines Schwarzen zur Darstellung des in der Bibel beschriebenen Äthiopiers geben. Dem „zürnenden Simson“ aus dem Alten Testament sind zwei schwarze Pagen beigegeben, zur Verortung der Handlung in der Ferne.

Das Weltbewusstsein der damaligen Zeit

Alttestamentarische Historien machen einen Großteil der 32 Arbeiten Rembrandts in der 119 Katalognummern umfassenden Ausstellung aus. Sie zeugt von einem neuen Weltbewusstsein der damaligen Zeit. In der Darstellung von Herrschern und Königen konnten die Künstler auf die Anschauung exotischer Waren und Mitbringsel zurückgreifen.

Ob es je den Kopfschmuck gegeben hat, den Rembrandt der „Büste eines alten Mannes mit Turban“ von ca. 1629 gegeben hat, ist unerheblich, um so mehr, als das Antlitz des Mannes unter der schillernden Stoffbedeckung von jener Beobachtungsgabe zeugt, die Rembrandts Portraits aus der Malerei seiner Zeit so herausheben.

[Potsdam, Museum Barberini, bis 27. Juni. Katalog (Prestel) 30 €. Tickets nur online: shop.museum-barberini.de/#/tickets]

„Herausgehoben“ aus der Fülle der Ausstellung sind Rembrandts neun Gemälde und 23 Grafiken in jedweder Hinsicht; nur fallweise können ihm Zeitgenossen wie Salomon Koninck mit der „Anbetung der Könige“ von 1644/54 oder Gerbrandt van den Eeckhout mit „Hanna bringt Samuel zu Eli“ von 1663 das Wasser reichen.

Rembrandt vermag jede Historie so zu inszenieren, dass die Dramatik der Handlung in diesem einen Moment des Bildes lebendig bleibt, und dies nicht allein durch die souverän beherrschte Helldunkeltechnik und ihre überwirkliche Lichtregie. Immer sind es die Personen, die sinnbildlich das menschliche Drama aufführen, ungeachtet ihrer kostbaren Ausstaffierung oder eher im Gegensatz zu ihr, die doch immer wieder als glänzender Tand moralisch sichtbar wird.

... und „Büste eines alten Mannes mit Turban“.
... und „Büste eines alten Mannes mit Turban“.
© The Cremer Collection

Die Auftraggeber der Kunstwerke wollten ihre Taten und ihren Besitz jedoch ins beste Licht gerückt sehen. Dirck van Loonen porträtierte 1660 den Palästina-Pilger und Reisetagebuchautor Jakob Schimmelpenninck im kunterbunten Aufzug seiner Mitbringsel. Das Großformat setzt als erstes Gemälde der Ausstellung einen mächtigen Akzent.

Etwas weiter lässt Caesar van Everdingen den Flottenkommandanten Willebrand Geleynsz de Jongh, von einem schwarzen Diener beschirmt, auf die Festung Batavia zeigen. Aus der niederländischen Kunst bestens vertraut sind die Gruppenporträts, hier von Bartholomeus van der Helst mit den „Vorstehern des Schützenhauses“ von 1655. Die vier Herren in calvinistisch-strenger Kleidung sitzen an einem Tisch, der mit einem persischen Teppich bedeckt ist – und beträufeln Austern mit (kostspieliger) Zitrone.

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Es ist genau diese Einbeziehung exotischer Objekte in den Alltag, die das Verhältnis des niederländischen Bürgertums zum Fremden kennzeichnet. Ein tatsächlicher Austausch, wie er uns heute als Maßstab gilt, wurde nicht erstrebt. Das gilt auch für Rembrandt.

Ihn charakterisiert der große Rembrandt-Forscher – und Ausstellungs-Kokurator – Gary Schwartz als „typisch in seinem beiläufigen Interesse für zeitgenössische fremde Kulturen“. Bis heute ist nicht immer auszumachen, aus welchen Weltgegenden im Einzelnen all’ die „Orientalen“ kamen, die Rembrandt in Amsterdam zeichnete und in den biblischen Szenen auftreten ließ.

Ein eigenes Kapitel der über zwei Stockwerke reichenden und wie stets vorzüglich auf den – diesmal dunkelgrünen – Wänden gehängten Ausstellung ist den authentischen Zeugnissen aus der Ferne gewidmet. Es gibt nur wenige, darunter Andries Beeckmans Ansicht vom „Markt in Batavia“, der kolonialen Neugründung auf der Insel Java. Häufiger sind grafische Darstellungen fremder Trachten und Kostüme.

Gewaltsame Konfrontationen spart er aus

Erstaunlich wenig ist von gewaltsamen Konfrontationen mit orientalischen Mächten zu sehen. Immerhin bedeuteten Piraten der unter osmanischer Oberhoheit stehenden Küsten Nordafrikas eine beständige Bedrohung des Schiffsverkehrs. Bis 1800 fielen den Korsaren um die eineinviertel Millionen Seeleute und Reisende vowiegend aus dem Norden Europas in die Hände und wurden versklavt. Nur wenige kehrten gegen enorme Lösegelder jemals zurück.

Rembrandts Zeitgenossen begehrten die Importe aus fernen Ländern, als Ausdruck von Wohlstand und zur Betonung von Status, nicht im Sinne von Austausch oder auch Distanz. Doch „so unterschiedlich die Aspekte der Orientrezeption waren“ – schreibt Gary Schwartz im Ausstellungskatalog –, „eines begegnet dabei nicht: Fremdenfeindlichkeit, Aversion oder Ablehnung.

Nirgendwo werden die ,Orientalen‘ als solche abgewertet, lächerlich gemacht oder persifliert (…).“ Vielmehr ist „das Bild des Orients von Respekt und Wertschätzung geprägt“. Das „Goldene Jahrhundert“, das neuerdings nicht mehr so heißen soll und darf, war so etwas wie die glückliche Morgenstunde des Bürgertums.

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