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Mitten im Leben. So stellt sich der Comiczeichner Typex Rembrandt bei der Arbeit vor.
© Illustration: Carlsen

Comic über Rembrandt: Von der Malerei besessen

Künstlerische Triumphe, Frauengeschichten, ein Ende in Armut: Der Comiczeichner Typex hat Rembrandts turbulentes Leben als Comic verarbeitet.

Heute hängt er in den Museen der Welt, einer der ganz Großen der Kunstgeschichte, aber zu seinen Lebzeiten musste Rembrandt Harmenszoon van Rijn um den Erfolg kämpfen. Und das in Konkurrenz mit den Kollegen, die nach Meinung des Meisters eitel, unfähig, Scharlatane waren.

Künstlerische Triumphe, das Ende in Armut, Frauengeschichten, tragische Kindstode – das ist der Stoff, aus dem saftige Malerbiografien sind, das richtige Futter für einen Comiczeichner, der noch einmal drauflegen kann mit überzogenen Darstellungen, der den drastischen Realismus kultiviert.

Vor sechs Jahren hat das Rijksmuseum bei Typex, alias Raymond Koot, eine Biografie Rembrandts in Auftrag gegeben. Der Amsterdamer Illustrator nähert sich dem Leben des wohl bedeutendsten niederländischen Malers mit einer Lust am Derben, die auf das barocke Zeitalter perfekt zugeschnitten ist.

Bei seiner 2018 veröffentlichten Andy-Warhol-Vita bediente sich Typex ebenfalls dieser Methode. Wie bei „Rembrandt“ (Carlsen, 264 S., 48 €), so der schlichte Titel seiner Graphic Novel, eignete er sich auch bei Warhol den Stil seines diesmal aus dem 20. Jahrhundert stammenden Protagonisten an, wechselte ihn allerdings mit jedem weiteren Kapitel aus dem Leben des chamäleonhaften Pop-Art-Künstlers.

Bei „Rembrandt“, der kürzlich passend zum 350. Todestag des Barockkünstlers auf Deutsch im Carlsen-Verlag erschienenen Biografie, ist es eher ein sprunghafter Ritt durch das Leben des Malers aus dem 17. Jahrhundert. Typex unterteilt den zwischen historisierende Buchdeckel gepackten Bilderreigen in elf Episoden, allerdings nicht chronologisch, was die Lektüre etwas erschwert.

Die Gaffer staunen

Auf den ersten Seiten wird an Seilen aus dem Dunkel eines Schiffsbauchs im Amsterdamer Hafen das Elefantenbaby Hansje herausgehoben. Die Gaffer an Land staunen, reißen die Münder auf, glotzen nach oben. Nur einer in der Menge beugt sich über seinen Zeichenblock: Rembrandt, mitten im Leben, aus dem Moment heraus erfasst, genauso wie er das Personal seiner eigenen Bilder immer inszeniert hat.

Typex führt seine Hauptfigur zunächst als Beobachter ein, der sich lieber abseits hält. Das gelingt ihm nicht immer. Schon im darauffolgenden Kapitel kann sich Rembrandt gerade noch einem Verhör durch Hauptmann Banning Cocq entziehen, denn die Magd, mit der er sich in der Nacht zuvor vergnügt hat, wird am nächsten Morgen als Mörderin verhaftet und gehenkt.

Ganz nebenher führt der Comicautor auf diese Weise auch noch die „Nachtwache“ als Motiv ein, das berühmteste Gemälde des Amsterdamer Rijksmuseums. Und in der Kneipe, in der ihn die unglückliche Elsje Christiaens aufgegabelt hat, ruft ihm ein anderer Biertrinker noch zu: „Mein Chef, der hat Euer Hundertguldenblatt. Echt bärenstark.“

Der Leser kann sich nie ganz sicher sein, welche Handlungsstränge verbürgt, welche freie Erfindung sind. Wie die „Nachtwache“ und das „Hundertguldenblatt“ sind auch die beiden Zeichnungen Rembrandts von der 18-jährigen Elsje am Galgen zwar überliefert, aber die amouröse Begegnung mit ihr kurz zuvor ist es dagegen nicht. Diese künstlerische Freiheit nimmt sich der Comiczeichner immer wieder, um seiner Geschichte Drive zu geben, sie zu dramatisieren, denn farblich verharrt sie eher in sepia-braunen Mittelwerten, die den brauntonigen Gemälden und Radierungen seines Helden nachempfunden sind.

Und schon geht es weiter auf der Achterbahn von Rembrandts Leben, abrupt folgt ein Sprung knapp anderthalb Jahrzehnte zurück zu den Anfängen seiner künstlerischen Karriere in Leiden, wo er 1629 mit Jan Lievens eine gemeinsame Malerwerkstatt führt. Die beiden sind ein Gegensatzpaar, das sich im Laufe der Jahre immer wieder begegnet: Lievens – alert, geschäftstüchtig, talentiert, Rembrandt – fleißig, grimmig, von der Malerei besessen.

Ein blonder Geck

Der eine ein Geck mit blondem Wallehaar und lila gestreiften Hosen, während der andere immer nur einen tristen Hausmantel mit schlaffer Mütze trägt, wie man sie von Rembrandts Selbstporträts kennt. Ihre Dialoge gehören zum Besten der Biografie, etwa wenn Lievens fragt: „Wie kann so ein leidiger Kerl wie Du nur so brillant sein?“ Worauf Rembrandt antwortet: „Das frage ich mich manchmal auch, Jan.“ Lievens kann nicht fassen, wie wenig geschäftstüchtig sein Partner „Remmi“ ist: „Einfach irgendwas Nettes für an die Wand, helle Farben, ein paar dralle Mädel, was soll daran schon verkehrt sein?“ Aber Rembrandt bleibt dabei: „Ich male. Arschkriechen überlasse ich anderen.“

Rembrandt wird vom Schicksal geschüttelt. Seine Frau stirbt, er geht bankrott und kann nur weiterarbeiten, weil sein Sohn Titus und seine Lebensgefährtin Hendrickje Stoffels die Geschäfte übernehmen. Schließlich wird auch sie von der Pest hinweggerafft, die Ratten übernehmen das Haus.

Typex liebt es drastisch, zeigt im Bett die üppigen Rundungen der jungen Geliebten, das schon schlaffe Fleisch des gealterten Malers, wie es auch Rembrandt in seinen Gemälden ausgekostet hat. Großartig sind die über Doppelseiten hinweggehenden Tableaus, in denen der Zeichner den Einfall der Ratten zeigt.

Die Bilder sind ins Geschossraster des Malerhaushalts gefügt. Im Keller lagert in einem Nest aus zerfetzten Zeichnungen des Künstlers das Muttertier mit ihren Kleinen an den Zitzen.

„Rembrandt“ ist eine starke Graphic Novel, wenn auch als Roman etwas rumpelig erzählt. Der Leser bekommt ein Gefühl für die damalige Zeit, lernt den Künstler als Misanthrop, aber liebenden Vater kennen. Allerdings erfährt er nur wenig über seine Kunst – warum der Maler so populär war, was seinen Kunden gerade daran gefiel. Worin bestand seine Innovation? Wie gelang es ihm einen Markt für seine Werke aufzubauen? Für eine süffige Story im Comicformat mögen solche Hintergründe zu komplex sein, doch schenkt Typex einen neuen Blick auf den Klassiker – und der macht Spaß.

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