zum Hauptinhalt
Warten auf die Stars: Der Pressekonferenz-Saal der Berlinale im Grand Hyatt am Potsdamer Platz.
© Manfred Thomas/Tsp

Februar ohne Berlinale (8): Wer zuletzt kommt

Eigentlich sollte jetzt die Berlinale stattfinden. Wir verkürzen das Warten aufs Publikumsfest im Juni, erinnern uns – und empfehlen einen Berlinale-Film für zu Hause.

Es gab da diese Säule. Früher, sehr viel früher, fanden die Berlinale- Pressekonferenzen im Palace-Hotel an der Budapester Straße statt, in einem der oberen Stockwerke. Wir Medienmenschen rannten nach der Vorstellung vom Zoo-Palast quer über den Damm (der Sprint heute vom Berlinale-Palast zum Grand Hyatt ist weniger gefährlich). Der Fahrstuhl im Hotel war dann natürlich verstopft, also stolperten die meisten im Dienstboten-Treppenhaus nach oben. Der Saal war klein. Wer zuletzt kam, landete hinter der Säule und sah nichts.

Erst recht nicht, wenn Karena Niehoff, die 1992 verstorbene Königin des Berliner Feuilletons, vor einem saß, sie trug gern große Hüte. Seit 1952 schrieb sie für den Tagesspiegel. Karena Niehoff war als Zuspätkommerin berühmt, hatte trotzdem immer einen guten Platz. Keine Ahnung, wie sie das schaffte. Und sie stellte immer die schärfsten und längsten Fragen. Wenn sie im Saal thronte, wurde es nicht langweilig. Wegen der Säule habe ich die meisten aber nur halb gesehen, Jane Birkin, Dustin Hoffman, Jodie Foster, Jacques Rivette, Oliver Stone ... Heute im Hyatt ist genug Platz für alle – wenn nicht gerade Angelina Jolie oder Meryl Streep angesagt sind. Dann hilft die Videoübertragung. Niemand muss sich mehr mit halben Stars begnügen.

Pressekonferenzen sind irre (und manchmal auch öde) Rituale. Hier die lauernden Journalisten, dort die Filmschaffenden, deren Werk gerade zum ersten Mal vor Publikum gezeigt wurde, was eine gewisse Nervosität mit sich bringt.

[Behalten Sie den Überblick über die Corona-Entwicklung in Ihrem Berliner Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihre Nachbarschaft. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de. ]

Zumal unsereins sich von Berufs wegen schlecht benimmt. Wir haben es eilig, wollen noch fix eine Anekdote oder ein Zitat abstauben, zu Berlin, zu MeToo oder zur Weltpolitik. Also wechseln schütterer Applaus und devote Dankesadressen mit empörten Statements (wobei Letzteres viel seltener vorkommt als damals mit Karena Niehoff), während die Dolmetscher in ihren Glaskästen für kleine Pfingstwunder sorgen.

Wenn dann die ganz großen Stars kommen, verwandelt sich die Presse in einen Haufen aufgeregter Kinder mit glänzenden Augen. Dann gibt es kein Halten mehr, was die Banalität der Fragen angeht. Zum Glück sitzen auf dem Podium schlagfertige Leute. Ein Jack Nicholson, der auf die Frage nach seinem Allerwertesten von seinem knackigen Po schwärmt und den dazugehörigen Leibesübungen. Eine Tilda Swinton, die ihre Jury kampfeslustig als die glorreichen Sieben vorstellt. Ein George Clooney, der grimassierend den Saal rockt. Oder Aki Kaurismäki, der seelenruhig E-Zigarette pafft. Februar ohne Berlinale-PKs? Zu gern hätten wir jetzt alle die Ruhe weg.

BERLINALE-FILMTIPP
Der schmale Grat (1999): Gleich zwei Mal passierte es bei Pressekonferenzen zu Filmen von Terrence Malick, dass verpeilte Kollegen munter Fragen an ein Phantom stellten, den Regisseur. Alle Welt weiß: Öffentlich zeigt Malick sich nie. So war es 2015 bei „Knight Of Cups“ und schon 1999 bei „Der schmale Grat“: immer noch einer der allerbesten (Anti-)Kriegs-Filme. Auf Netflix, iTunes u. a.

Zur Startseite