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Der Hahn (Paul Walther) sprüht nur so vor lauter Lebenslust, während die Gans (Jana Julia Roth) Zweifel plagen.
© Stefan Goede/Hans Otto Theater

"Gans, du hast mein Herz gestohlen" im HOT: Von der Gans, die in den Suppentopf will

Das Kinderstück „Gans, du hast mein Herz gestohlen“ feierte gestern Premiere im Potsdamer Hans Otto Theater.

Potsdam - Die Angelegenheit ist wesentlich verzwickter als in dem Kinderliedchen. Der Fuchs hat hier zwar auch Appetit auf eine schöne Fleischmahlzeit, aber die will er sich aus dem Hühnerstall holen. Die Gans drängt sich ihm dennoch mit großer Beharrlichkeit auf. Sie will nämlich unbedingt vom Fuchs gefressen werden. Warum das? Zum einen dichtet das Federvieh, zum anderen ist sie in einer schweren Krise. Alles ist ihr abhanden gekommen: der Bauernhof, die Freunde, das Interesse an Körnern. „Gans, du hast mein Herz gestohlen“ heißt das Kinderstück, das am Freitagvormittag Premiere am Hans Otto Theater feierte.

„Ich leide, so wie Dichter leiden. Gedichte sind nicht genug, nie genug“ und „Ich hab Depressionen. Das Leben tut mir weh. Deshalb esse ich nichts“, sagt die Gans (Jana Julia Roth) im weißen Rüschenkleid, mit knallorangefarbener Trainingsjacke und in gelben Gummistiefeln zum Fuchs (Matthias Gärtner). Der wiederum sieht aus wie ein Dichter des Sturm und Drang und führt eine große hölzerne Krücke für sein Hinkebein mit sich.

Der Hahn sorgt für Lacher

Das wir uns in einem Wald befinden, sehen wir an den unbelaubten Ästen, die im Bühnenboden (Bühne und Kostüme: Vinzenz-Karl Hegemann) stecken. Es taucht der Jäger (Victoria Forberger) mit dem Schießgewehr aus dem Kinderlied auf, der hier eine Frau und zugleich die Erzählerin ist. Aber auch ihr Kostüm, zumindest die Hosenbeine, zitieren eine Zeit, die inzwischen ein bisschen zurückliegt, wenn auch nicht so lange wie die Sturm- und Drangepoche. Die Jägerin trägt eine DDR-ASK (Armeesportklub)-Trainingshose, braun mit gelb-roten Längsstreifen an den Seiten.

Ob und wie die Sinnkrise der Dichter-Gans, die das einfache, alte Kinderlied ins Absurde führt, vom sehr jungen Publikum aufgenommen und verstanden wird, ist ersteinmal nicht nachvollziehbar. Es bleibt es still und verhalten in der Reithalle. Der Auftritt des Hahns (Paul Walther) im roten Kurzdress, roter Hahnenkammkappe und ebenso feurigen Gummistiefeln belebt dann die Reihen und bringt die Kinder zum Lachen.

Viele Begegnungen

Weil der Fuchs die Gans partout nicht fressen will, macht er der lebensmüden Dichterin, die sich für jeden Vers eine Feder aus dem Kragen reißt, einen Vorschlag, um sie loszuwerden: „Komm mit an den Rand des Waldes. Dort wohnt mein Freund, der Wolf, und der hat immer Hunger auf irgendwas!“ So beginnt der gemeinsame Gang der beiden sehr unterschiedlichen Tiere durch den Wald.

Schon am Weiher – ein langes, am Bühnenrand entrolltes Tuch – beleben sie sich die Sinne bei einem kleinen Bad. Bei der Begegnung mit der Bärin, ebenfalls von Victoria Forberger gespielt, holt diese Kekse hervor und brüht für alle eine Tasse Tee. Gemeinsam etwas Leckeres knabbern und ein bisschen schwatzen, das allein ergebe doch schon Sinn, findet die Bärin. Die Hasenmutter erklärt ihren Kindern (Eva Schönherr und Victoria Forberger) später, dass es nichts Schöneres und Sinnvolleres gäbe im Leben als die Familie. Und der Otterich (Paul Walther) – der der Fährmann und zugleich eine Anspielung auf den mythologischen Charon ist, der seine Passagiere über den Fluss Styx in den Hades bringt – schlägt sinnvolle Arbeit, ein Hobby, etwas, das man mit Leidenschaft verfolgen könne, vor, um die Lebensgeister der Gans herbeizurufen.

Sehr viel Witz und Frische

All diese Begegnungen werden von dem kleinen Ensemble in den Doppel- und Mehrfachbesetzungen in der Regie von Sebastian Wirnitzer mit sehr viel Witz in kleine frische Szenen gesetzt. Die Echosprachspiele des Otter-Fährmanns beispielweise begeistern das Publikum. Schließlich gelangen Fuchs und Gans zum Wolf (Paul Walther), den die Kinder in seinem Ohrensessel, bekleidet mit Morgenmantel und Filzlatschen, ebenfalls sehr lustig finden. Neben ihm steht ein alter Kochherd mit Ofenrohr, darauf ein großer roter Suppentopf. All diese kleinen Szeneneinrichtungen haben in ihrer reduzierten Schlichtheit etwas angenehm Prägnantes. Auch hier ist es wieder der Austausch über das Sinnliche – Oregano, Bärlauch, allerlei Gewürze –, das die Dichter-Gans inspiriert und in ihr ein wenig Lebensfreude weckt. Aber sie lässt sich dennoch nicht davon abbringen, in den großen Topf zu steigen und sich im Sud, abgeschmeckt mit Weißwein, zumindest bis zu einem gewissen Grade köcheln zu lassen. Da steigt die Spannung bei den Kindern und die Frage, ob die Gans nun tot ist, klingt besorgt.

Die Tiere finden zu guter Letzt eine Lösung für ein Happy End mit der Gans. Die Zusammenfassung über den Sinn des Lebens der Erzähler-Jägerin am Schluss des einstündigen, insgesamt sehr leichtfüßigen Stücks kommt aber etwas schulmeisterlich daher. Ob und wie die tieferen Fragestellungen bei den Kindern angekommen sind, bleibt nach dieser Premierenvorstellung offen.

>>Weitere Vorstellungen mit eventuellen Restkarten unter anderem Dienstag, 10 Uhr, Mittwoch und Donnerstag, jeweils 9 und 11 Uhr. Karten für den 10. November um 15 Uhr sind noch erhältlich.

Carolin Lorenz

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