Festival in Potsdam: So glanzvoll eröffneten die Musikfestspiele
Eine Huldigung der Musen: Mit zwei Purcell-Oden und einem Fest auf dem Alten Markt begannen die Musikfestspiele unter neuer Intendanz. Am Neuen Palais feierten 1000 Gäste die Musik von Jacques Offenbach
Potsdam - Nicht nur auf die traditionellen Orte der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci - die Schlösser und Parkanlagen der Preußenkönige - legt die neue Intendantin des Festivals, Dorothee Oberlinger, den Fokus. Sie macht Station in der in den vergangenen Jahren wieder entstandenen glanzvollen Mitte Potsdams, auf dem Alten Markt. Am Pfingstsamstag erlebte rund um die Nikolaikirche ein erwartungsfrohes Publikum die Eröffnung des Festivals, zu der unter Leitung von Laurence Cummings Choir und Orchestra of the Age of Enlightenment aus London nach Potsdam kamen. Mit zwei Oden von Henry Purcell huldigten sie den Musen, die 2019 eine Hommage während der Musikfestspiele erfahren.
Der englische Barockkomponist stand mit den Musen auf gutem Fuß. Ob mit allen neun, ist allerdings ungewiss. Doch auf alle Fälle mit denen, die ihn auf seinem Weg begleiteten: die Musik, Tanzkunst, Tragödie oder Komödie. Doch bevor die Mitwirkenden aus London für ihre Purcell-Interpretationen im klassizistischen sakralen Bau Karl Friedrich Schinkels einen feierlichen Rahmen fanden, sang Salome Kammer „Sequenza III“ für Stimme solo von Luciano Berio, der es für seine Frau und Muse Cathy Berberian schrieb. Doch man kann von Gesang kaum sprechen. Fast schwindelerregend hörte man ein breites Spektrum phonischer Äußerungen, bei denen sich hin und wieder auch mal ein traditioneller Ton verirrte. An diesem Abend ging es nicht nur um die exzellente Ausführung der Stimmkünstlerin, sondern um die Konfrontation eines Werkes unserer Zeit mit denen, die vor mehr als 300 Jahren entstanden.
Die emotionale Wirkung der Musik blieb zunächst flau
Die Spannung, die Salome Kammer mit dem Berio-Stück aufbaute, wollte sich bei der Wiedergabe von Purcells 1685 für König James II. geschriebener Willkommens-Ode mit dem haarsträubenden Text, der die arrogante Maßlosigkeit des Königs hymnisch überhöht, nicht einstellen. Zwar musizierten die Solisten, die aus dem schmal besetzten Chor traten, und das Orchester mit ausgewogenem Klang, doch die emotionale Wirkung der Musik blieb flau. Erst bei der Geburtstags-Ode für Queen Mary (1694), deren Worte die Macht der Musik preisen, entfalteten die Londoner Gäste die berückende Schönheit von Purcells Musik, zu denen sich neben den Streichern Pauken und Trompeten hinzugesellten. Man musizierte mit bestechender Präzision und bewegender Warmherzigkeit. Cummings bemühte sich um eine historisch informierte, doch niemals manieristisch erstarrte Lesart und sorgte bei der Geburtstags-Ode für eine wohltuende Hörerfahrung, die reich an fesselnden Momenten war.
Zu einem Vortrag wurde der Historiker Jens Bisky eingeladen. Launig sprach er über die mythologische Bedeutung der Musen, die nach seiner Auffassung eher als dekorative Wesen taugten. Auch Friedrich II. wurde in die Ausführungen eingebunden. Durch ihn hätten die Musen in Preußen eine heiter-gelöste Stimmung bekommen, die sich in zahlreichen Kunstwerken aus der Zeit des Königs manifestiert.
Nach dem Konzert hielten die Musen auf dem Alten Markt eine Palette unterhaltender Clubmusik bereit, mit Barockmusik in digitalem Remix, mit Videokunst und Lichtspielen, die die repräsentativen Bauten rund um den Markt in eine farbige Festival-Atmosphäre tauchten.
Terpsichore, die Muse des Tanzes, wurde am Pfingstsonntag in der Sanssouci-Orangerie hofiert. Verantwortlich waren dafür die Tanzkompanie Chorea basileae unter der Leitung von Mojca Gal, Sängerinnen und Sänger sowie das Orchester des Mozarteums Salzburg, des Royal College of Music London und der Hochschule für Künste Bremen, also allesamt Studierende. Am Dirigentenpult stand Alfredo Bernardini. Nach einem frischen Einstieg mit dem zweisätzigen Concerto grosso F-Dur HWV 331 von Georg Friedrich Händel, bei dem leider die Naturhörner mit der Intonation zu kämpfen hatten, wurden mit der Suite „Les Caractéres de la Danse“ des Franzosen Jean-Féry Rebel die Bandbreite barocker Tänze vorgestellt. Hierbei trat die Tanzkompanie aus Basel mit historischen Kostümen in Erscheinung, um die Vielfalt barocker Bewegungskomb inationen zu zeigen.
Nicht immer konnte man sich entscheiden, wo die Augen sich hinwenden sollten
Händel hat Terpsichore in einem ausgiebig komponierten Prolog zur Oper „Il pastor fido“ gewürdigt. Für die Aufführung konnte der Theaterunternehmer Händel den französischen Ballettstar Marie Sallé gewinnen, bei den Musikfestspielen tanzten Mojca Gal und ihre Kompanie. Leider konnte man sich nicht immer entscheiden, wo die Augen sich hinwenden sollten. Auf die Bühne oder in die Orchesterrunde, wo die beiden blutjungen Gesangsolistinnen, die Mezzosopranistin Carly Power und die Sopranistin Tetiana Dyiu, sangen? Die Ohren hatten es bei der Entscheidung jedoch nicht schwer, denn sie vernahmen erstaunlich vokalen Glanz von den Studierenden.
Offenbachs Musiktheater am Neuen Palais
Der 200. Geburtstag des französischen Komponisten Jacques Offenbach steht in diesem Jahr an. So gab es eine gute Gelegenheit für die Musikfestspiele, am Neuen Palais einen Ausflug in die Gefilde der farbigen Musiktheater-Landschaft Offenbachs zu unternehmen. Mit der bulgarischen Mezzosopranistin Vesselina Kasarova konnte eine Sängerin gewonnen werden, die auf zahlreiche Begegnungen mit Offenbachs Heroinen verweisen kann. Am Neuen Palais trat sie mit dem Brandenburgischen Staatsorchester auf, das unter der Leitung von Markus Bosch spielte. Sauber, auch schmissig musiziert, und wenn es sein musste, mit Sentiment versehen, lieferte es den Klangteppich für Kasarovas Opéra-Ausflug.
Mit ihrem vollen Mezzo wusste die Kasarova zu betören
Mit berühmten Couplets aus den Operetten "Die schöne Helena", "La Périchole", „Die Großherzogin von Gerolstein", "Orpheus in der Unterwelt" oder "Ritter Blaubart" präsentierten die Sängerin und das Orchester einen Offenbach, der viele Gesichter hat: frech-grotesk, witzig, frivol, feinsinnig, warmherzig und melancholisch. Mit ihrem vollen und runden Mezzo wusste die Kasarova zu betören, doch schlichen sich immer wieder einige Vokal-Mätzchen ein. Die rund 1000 Gäste mussten auf das traditionelle Feuerwerk wegen Brandgefahr verzichten. So gab man sich einsichtig mit dem musikalischen Feuerwerker Jacques Offenbach zufrieden.