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Generalfeldmarschall Walter von Brauchitsch im Mai 1941 auf der Akropolis.
© picture-alliance / akg-images

Deutsche Besatzung Griechenlands im Krieg: Ohne Plan, aber mit Antike

Mark Mazower beschreibt in seinem Buch die Besatzung Griechenlands durch die Deutschen – und sieht Folgen bis heute. Eine Rezension.

Mehr als zwanzig Jahre hat es gebraucht, bis das einschlägige Werk über die deutsche Besatzung in Griechenland in die Sprache der Täter von einst übersetzt wurde. Mark Mazower, Professor für Geschichte an der Columbia University, wurde in Deutschland vor allem mit seinem Essay „Der dunkle Kontinent“ (1998) sowie zuletzt mit der NS-Studie „Hitlers Imperium“ (2009) bekannt, in der er den Expansionismus des „Dritten Reichs“ in eine Kontinuität deutscher Reichsentwürfe seit dem frühen 19. Jahrhundert rückt. „Inside Hitler’s Greece“ war bereits 1993 erschienen.

In der angelsächsischen Welt ist der brillante Stilist Mazower eine Instanz, insbesondere für die Geschichte Südosteuropas – ein traditionell eher sporadisch bestelltes Feld der deutschen Geschichtswissenschaft, obwohl gerade dort entscheidende Weichenstellungen der europäischen Geschichte vorgenommen worden, und zwar nicht nur in der Antike.

Weder Untermenschen noch Herrenrasse

Eine solche Weichenstellung war der deutsche Überfall auf Griechenland im April 1941, der letzte Blitzsieg Hitlers. Mazowers These lautet, wie er im Vorwort der deutschen Ausgabe schreibt, dass „alles, was in Griechenland auf den Zweiten Weltkrieg folgte – der Bürgerkrieg, die bleibenden Narben, die er hinterließ, ja sogar die Demokratisierung des Landes nach 1974 –, nur vor dem Hintergrund des totalen Zusammenbruchs von Staat und Gesellschaft zu begreifen ist, den die deutsche Besatzung und ihre tödlichen Folgen mit sich brachten“.

So ungeplant wie der Feldzug verlief die ganze Besatzungsherrschaft, die mit der Kapitulation des Generals Georgios Tsolakoglu am 22. April 1941 begann und mit dem Rückzug der Wehrmacht aus Athen am 12. Oktober 1944 endete. Hitler hielt ursprünglich nichts von einem Balkanfeldzug. Erst der unbeholfene Einfall Mussolinis in Griechenland im Oktober 1940, der mit einer krachenden Niederlage des italienischen Bundesgenossen endete, gab den Ausschlag für das „Unternehmen Marita“, das mit der völkerrechtswidrigen Bombardierung Belgrads am 6. April 1941 beginnt und mit der Einnahme Kretas durch deutsche Fallschirmjäger im Juni endet.

Eliteverbänden wie der SS-Leibstandarte muss sich die griechische Armee rasch geschlagen geben – was Hitler nicht daran hindert, in einer Reichstagsrede die „tapferen Griechen“ zu rühmen und die griechischen Kriegsgefangenen in die Freiheit zu entlassen.

Hier zeigt sich bereits jene Paradoxie, die die gesamte Besatzungszeit durchzieht: Das Deutsche Reich hat für die Griechen keine Plan. Weder gelten sie als Untermenschen, noch zählen sie zur germanischen Herrenrasse. Es gibt keinen Generalplan Ost für Griechenland, dafür viel Antikenbegeisterung. Dennoch entwickelt sich die deutsche Herrschaft hier zur brutalsten des ganzen Krieges außerhalb Osteuropas.

Es beginnt mit dem großen Hungerwinter 1941/42. Nachdem die Wehrmacht, die sich zunächst mit Italien und Bulgarien die Besetzung teilt, in großem Stil Lebensmittel und Kleidung requiriert hat, bricht in dem Agrarstaat mit seiner schon damals notorisch ineffizienten Verwaltung das Chaos aus. Hunderttausend Menschen sterben. Hinzu kommt eine extreme Inflation und die hinlänglich bekannte Plünderung der griechischen Goldreserven durch die Reichsbank.

Rasch formiert sich Widerstand gegen die Besatzer. Legendär ist der Kampf griechischer Partisanen, die 1943/44 weite Teile des Landes im Griff haben, gegen die Besatzer – ebenso wie die 120 offiziellen Märtyrerdörfer, die an jene Massaker erinnern, die von den Deutschen als Repressalien angerichtet wurden.

Gleichmachende Wirkung

Kalavryta, Komneno, Distomo – unvergänglich sind die Namen dieser Stätten brutaler Vergeltungsmaßnahmen. Viel Platz widmet Mazower der „Logik von Gewalt und Terror“ – und doch wäre „Griechenland unter Hitler“ nur ein weiterer Mosaikstein in der Erzählung deutscher Schuld, träten hier nicht zwei Momente zutage, die für sich betrachtet hochaktuell sind: soziale Mobilität und wirtschaftlicher Kampf aller gegen alle.

Die deutsche Besatzung hat auf die griechische Klassengesellschaft eine enorm gleichmachende Wirkung. Millionen Griechinnen und Griechen werden durch sie erstmals politisch sensibel – und selbstbewusst. Die kommunistische griechische Befreiungsfront und ihr militärischer Arm, die griechische Befreiungsarmee („EAM/ELAS“), kontrollieren beinahe den gesamten Widerstand.

Die unmittelbare Folge davon ist der griechische Bürgerkrieg, der fast nahtlos an die Befreiung im Herbst 1944 anschließt und bis 1949 dauert. Mit Gewalt zwingen erst die Briten, später die Amerikaner die mehrheitlich kommunistische griechische Bevölkerung ins westliche Lager. Die Geburtsstunde des Containments schlug – und riss ins griechische Nationalbewusstsein eine schwärende Wunde, die im Zeitalter europäischer Sparvorgaben erneut aufklafft.

Dazu kommt damals die Ausbeutungspolitik. Den Deutschen geht es in Griechenland nicht um eine planmäßige Vernichtung von Menschen wie in Polen oder den Sowjetstaaten, sondern schlicht um die Deckung des eigenen Bedarfs. Dazu lassen sie sich mit findigen griechischen Bauern auf manchen Kuhhandel ein – oder nehmen bewusst das Verhungern und die Ermordung Zehntausender in Kauf.

Die Mittelschichtgesellschaft von heute und der Kapitalismus in einer rücksichtslosen Spielart: In gewisser Weise wird beides im Griechenland der Jahre 1941–44 vorexerziert. Die NS-Herrschaft bedeutete, im eigenen wie im fremdem Land, auch einen Modernisierungsschub. Sie zeigte aber auch – in extremer Verzerrung –, wie brutal und rücksichtslos diese Modernität sein kann.

– Mark Mazower: Griechenland unter Hitler. Das Leben während der deutschen Besatzung 1941– 1944. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2016. 528 Seiten, 29,99 Euro.

Constantin Fellner

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