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Das rekonstruierte Tympanon-Relief über dem Portal der Nikolaikirche in Potsdam.
© Martin Müller

Konzert zum Tag der Einheit: Ode gegen Intoleranz in St. Nikolai

Beethovens 9. Sinfonie erklang am Vorabend der Deutschen Einheit als offizielle Hymne der Europäischen Gemeinschaft

Seit Ludwig van Beethovens neunte Sinfonie mit ihrem Chorfinale nach Friedrich Schillers „Ode an die Freude“ im Mai 1824 zum ersten Mal erklang, gilt sie als Maßstab sinfonischer Klassik. Seitdem mag sie als Projektionsfläche zahlreicher Staatsmächte gedient haben – als Synthese von Schillers Idealismus und Beethovens Klangwelten ist sie heute doch vor allem ein strahlender Freudenhymnus und Botschafterin weltumspannender Solidarität der Menschen.

Der Verein Musik an St. Nikolai hat nunmehr zum 22. Mal das Festkonzert zum Tag der deutschen Einheit im Gotteshaus am Alten Markt initiiert. Diesmal wählte Kirchenmusikdirektor Björn O. Wiede das populärste Werk Beethovens: die 9. Sinfonie in d-Moll op. 125. Das Hauptthema des letzten Satzes wurde 1985 von der Europäischen Gemeinschaft als deren offizielle Hymne angenommen. Die UNESCO erklärte das Autograph der in der Staatsbibliothek aufbewahrten 9. Sinfonie im Jahr 2001 zum Weltkulturerbe.

Umarmende Freude statt Engstirnigkeit

In der sehr gut besuchten Nikolaikirche hatte zunächst Angelika Zädow, die neue Superintendentin des evangelischen Kirchenkreises Potsdam, das Wort. Sie fragte: „Was ist aus der umarmenden Freude der Menschen von 1989/90 geworden? Engstirnigkeit, Intoleranz und Hass sind in unserem Land erschreckend verbreitet. Ein Gegenprogramm zu entwickeln sollte das Gebot der Stunde aller Demokraten sein.“

Mit der Botschaft „Alle Menschen werden Brüder ...“ verweisen Schiller und Beethoven auf ein solches Gegenprogramm. Es scheint für viele Menschen nach wie vor ein Bedürfnis zu sein, an der ungeheuren Entwicklung, die sich in dieser Sinfonie vollzieht, teilzuhaben: vom „verzweiflungsvollen Zustand“ der Welt im ersten Satz über die Unrast des Scherzos und die darauf folgende weihevolle Ruhe im Adagio molto e cantabile – bis sich im großen Chorfinale zu Schillers unsterblichen Versen endlich die Freude, der „schöne Götterfunken“ Bahn bricht.

Leise Quinten, tosende Klangbilder

Mit dem engagiert musizierenden Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt an der Oder stand Björn O. Wiede ein souverän musizierender Klangkörper zur Seite. Konsequent entwickelte der Dirigent den ersten Satz von den beginnenden leisen Quinten immer wieder zu tosenden Klangbildern weiter, ohne dabei den vielen Soli-Einwürfen angemessen Raum zuzugestehen. Den Scherzo-Charakter des zweiten Satzes unterstrich das Orchester mit den Staccati in den Holzbläsern, die mit der Präzision eines Uhrwerks zwischen den verschiedenen Instrumenten hin und her liefen. Wiede hat  die Akzentuierungen herausgearbeitet, um eine wunderbare Leichtigkeit zu betonen. Der sangliche, dritte Satz wirkte vor dem großen Finale wie die Ruhe vor dem Sturm und man meinte zu bemerken, wie sehr die Musiker das Adagio  genossen. Mit großen Phrasierungen entschleunigten sie die Stimmung der vorherigen Sätze und schufen eine pastorale Atmosphäre. Im finalen Satz führte Wiede  Orchester und Chor dann zu kraftvollen Höhepunkten und kostete die „Ode an die Freude“ mit vollem Klang und hin und wieder zu großer Lautstärke aus. 

Jubelndes Finale

Der Nikolaichor sowie die Singakademie Potsdam vereinten sich zu einem homogen singendem Ensemble, das die Hürden der Partitur erstaunlich gut meisterte und mit Energie dem jubelnden Finale entgegen eilte. Das Solisten-Quartett mit Agnes S. Weiland, Sopran, Katharina Magiera, Alt, Christian Georg, Tenor (leider ist seine Stimme zu klein), und Fabio Lesuisse, Bass, verlieh dem Postulat der Ode mit Einschränkungen überzeugendes Gewicht. Der Applaus der Zuhörer war von dankbarer Herzlichkeit bestimmt. 

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