Die schwedische Autorin Lina Wolff liest in Potsdam: Narben aus Eiter und Blut
In ihrer Heimat Schweden wurde Lina Wolff schon mit mehrerern Preisen ausgezeichnet. In der Potsdamer Villa Quandt stellt sie am Dienstag ihren zweiten Roman „Die polyglotten Liebhaber“ vor.
Liebe und Verlangen. Zwei Wörter, die sich nicht bedingen müssen, ja manchmal nicht einmal können. Und andere Male sind sie so verworren, so verknotet miteinander, dass sie kaum noch zu trennen sind. In Lina Wolffs Roman „Die polyglotten Liebhaber“, den sie am Dienstag im Brandenburgischen Literaturbüro vorstellt, wissen die drei Protagonisten oft selbst nicht so richtig, welchem der beiden Zustände sie gerade verfallen sind. Dabei sehnen sie sich alle nur nach Nähe und Zuneigung.
Wie Ellinor, die nie so richtig über ihre erste Liebe Johnny hinweggekommen ist, der ihr beigebracht hat, wie man sich richtig prügelt und dem sie Analsex mit einem trockenen Satz ausreden konnte. Jetzt, mit sechsunddreißig, sucht sie im Internet nach der Liebe. Dabei findet sie Calisto, einen Literaturkritiker, mit dem sie nichts gemeinsam hat. Nichtsdestotrotz und obwohl er sie am ersten gemeinsamen Abend quasi vergewaltigt, zieht sie bei ihm ein. Eine kleine Rache nimmt sie trotzdem: Sie verbrennt sein wohlbehütetes Manuskript von Schriftsteller Max. Es trägt den Titel des Romans: „Die polyglotten Liebhaber“ und spielt auf Max’ Wunsch an, eine Frau zu finden, mit der er in mehreren Sprachen kommunizieren kann. Auf der Suche nach seiner Traumpartnerin findet er schließlich eine italienische Adelsfamilie, deren weibliches Oberhaupt Camilla sich in ihn verliebt. Eine Liebe, die vor allem das Leben ihrer Enkelin Lucrezia prägt.
Still und stürmisch zugleich
Lina Wolff hat ein stilles und gleichzeitiges sehr stürmisches Buch über das menschliche Miteinander geschrieben. Über die ständige Suche nach Geborgenheit oder doch zumindest nach der absoluten Befriedigung im Moment. Mit ihren Figuren möchte man nicht befreundet sein, denn ihr Handeln ist eigentlich nie nachvollziehbar: Sie stürzen sich in Beziehungen, die nicht gut für sie sind. Verletzen sich gegenseitig, fügen sich Wunden zu, tragen Narben davon. Und doch sind sie einem nahe. Ihre Narben, die ständige Sehnsucht sind schmerzhaft spürbar.
Lina Wolff, 1973 geboren, wurde bereits für ihren Debütroman „Bret Easton Ellis und die anderen Hunde“ mit dem Literaturpreis der Zeitschrift Vi ausgezeichnet. Für „Die polyglotten Liebhaber“ erhielt sie den Augustpris, den wichtigsten schwedischen Literaturpreis. Wolff ist selbst in der polyglotten Welt zu Hause: Sie hat lange in Italien und Spanien gelebt, jetzt wohnt sie mit ihrer Familie im südschwedischen Schonen.
Sätze, die lange nachhallen
Ihre sprachliche Vielseitigkeit spiegelt sich in ihrem Schreiben wider: Sie passt sich ihren jeweiligen Protagonisten an. Die schweigsame Ellinor bleibt eher nüchtern. Klare Sätze wie „Damals wurde mir klar, dass es nicht darauf ankommt, bei Verstand zu bleiben. Es kommt darauf an, nicht einsam zu sein.“ hallen trotzdem noch lange nach. Schriftsteller Max hingegen legt sie oft große Poesie in die Gedanken: „Wir können Triebe in unsere Wunden pflanzen, die ihre Nährstoffe aus Eiter und Blut ziehen.“ heißt es an einer Stelle. Und kurz vorher: „Im Grunde ist Liebeskummer der einzige legitime Grund für einen Selbstmord.“
Wunderschön traurig klingt das und irgendwie ist „Die polyglotten Liebhaber“ auch ein trauriges Buch. Gleichzeitig ist es eines, das Hoffnung macht. Hoffnung darauf, trotz Narben und Verbitterung ein Stück Glück zu finden. Im besten Fall sogar eins, in dem Verlangen und Liebe zueinander finden.
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Lina Wolff liest am Dienstag, 13. November, um 20 Uhr in der Villa Quandt.
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Lina Wolff, „Die polyglotten Liebhaber“, Hoffmann und Campe 2018, 288 Seiten. Hardcover, 22 Euro.