Musikfestspiele Potsdam Sanssouci: In stimmungsvoller Atmosphäre gingen die Musikfestspiele in Potsdam zuende
Das Finale an den Terrassen der Orangerie im Park Sanssouci glich einem Fest der Affekte. Denn statisch blieb bei der diesjährigen Ausgabe nichts.
Potsdam - Die Enttäuschung der 1400 Besucher über das abgesagte Feuerwerk wegen Waldbrandgefahr war für die Intendantin Dorothee Oberlinger am späten Sonntagabend kaum zu überhören. Doch wohl jeder, der beim Abschlusskonzert der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci an den Terrassen der Sanssouci-Orangerie dabei war, fand ausreichend Ersatz durch das Feuerwerk barocker Musikinterpretationen.
Eine stimmungsvolle Atmosphäre
Die angestrahlten Terrassen, die sie umgebenden hohen und alten Bäume, das Schloss und die beiden Türme in wechselnden Farben vom kühlen Blau bis zu warmem Rot gaben dem italienisierenden Areal an dem lauen Sommerabend eine stimmungsvolle Atmosphäre. Kunst, Natur und Klang vereinten sich in bewegender Weise. Dorothee Oberlinger lud für das Konzert das in der Region Venetien beheimatete Ensemble Sonatori de la Gioiosa Marca ein, um mit prominenten Gesangs- und Instrumentalsolisten Werke von Antonio Vivaldi zu musizieren.
Der bienenfleißige venezianische Komponist, den die Musen so vielfach geküsst haben – am meisten die Musikschülerinnen des Ospedale della Pietá in der Lagunenstadt –, konnte sich an diesem Abend auf engagierte Interpreten seiner Musik verlassen. Ja, die Werke können fad klingen, wenn sie nicht in die richtigen Hände gelangen. Aber das Spiel des italienischen Kammerorchesters, das mit Klangkultur und Spiellaune musizierte, vermochte Vivaldis Kompositionen zu einem außergewöhnlichen Klangerlebnis zu machen, zu einem Fest der Affekte.
Musikalische Leckerbissen
Das aufgelockerte beschwingte, akzentuierte Spiel, historisch artikuliert, wurde mit klaren Pointierungen und kurzbogiger Phrasierung vorgeführt. Auch die Solisten hatten dabei entscheidenden Anteil: Roberta Mameli, Sopran, Sonia Prina, Alt, Alina Pogostkina, Violine, Dorothee Oberlinger, Blockflöte, sowie die beiden Trompeter Jörg Altmannshofer und Martin Patscheider. Abwechslungsreich war das Programm gestaltet, das von musikalischen Leckerbissen lebte.
Auch die berühmten „Vier Jahreszeiten“ RV 315 fehlten nicht. Alina Pogostkina wählte daraus den „Sommer“. Im Adagio zog sie mit einem sanften und einfühlsamen Klang ausgedehnte Linien, die sich auch durch die kleinen Donnereinwürfe des Orchesters nicht stören ließen, sondern wie eine musikalische Brücke den Satz zusammenhielten. Auf der anderen Seite zeigte die Geigerin ihre technische Brillanz und Präzision in den virtuosen Passagen mit rasant dahin fegenden Läufen, wie während des Einbruchs des Sturms im dritten Satz.
Keine statischen Vorträge
Die Konzerte, in denen Dorothee Oberlinger mitwirkt, haben niemals mit statischen Vorträgen zu tun, wie man es beim Concerto C-Dur RV 443 wiederum so wunderbar vernehmen konnte. Ihr Blockflötenspiel wartet mit einem unbegrenzten Ausdrucksspektrum auf, das von ihrer intuitiven Musikalität und virtuosen Gewandtheit erzählt. Doch auch eine sensible Zurückhaltung, so bei der Begleitung von Singstimmen, ist der Musikerin eigen, beispielsweise bei den Ausschnitten aus den Opern „Orlando furioso“ RV 728 und „Ercole sul Termodonte“ RV 749.
Die in Potsdam längst bekannte Roberta Mameli konnte mit ihrem Sopran, der fein und differenziert im Ausdruck, frei von Pathos und übermäßigem Vibrato ist, wieder sehr für sich gewinnen, besonders bei der heiter gestimmten Arie aus „Ercole sul Termodonte“, zu der sich im Hintergrund die Altistin Sonia Prina als Echo mit Feingefühl gesellte. Prina sang Arien aus den Opern „Griselda“, „Andromeda liberata“ und „Orlando furioso“.
Mit ihrer satten, doch enorm beweglichen Altstimme meisterte sie die kolossalen virtuosen Schwierigkeiten bravourös. Die beinahe zehnminütige stille, von einer Flöte (Dorothee Oberlinger) begleitete Arie „Sol da te“ aus „Orlando furioso“ gehörte zu den eindrücklichen Höhepunkten des Abends. Festlich verabschiedeten sich die Musiker mit dem Concerto D-Dur RV 537, bei dem zwei Solotrompeten klanglich das Sagen hatten. Die begeistert applaudierenden Zuschauer waren dankbar für diesen gelungenen Vivaldi-Abend.
Frische Akzente
Damit ging Dorothee Oberlingers erste Ausgabe der Musikfestspiele Potsdam Sanssouci zu Ende, für die sie als neue Intendantin verantwortlich zeichnete. 48 Konzerte mit einer Opern- und Tanztheaterproduktion gingen über die Bühne. Die künstlerische Leiterin war so klug, das Festival nicht neu erfinden zu wollen, aber einige frische Akzente und neue Formate bereitzuhalten. Dass jedoch das Eröffnungskonzert in der St. Nikolaikirche stattfand, gefiel nicht jedem Besucher. Ihre komplizierte Akustik ist für so manche Musik nicht hilfreich. Die Opernaufführung „Polifemo“ in der Sanssouci-Orangerie war dagegen akustisch ein Genuss, geriet aber zu lang. Man hätte getrost auf die Vorspiele verzichten können.
Die Offenbachiade mit Vesselina Kasarova fiel stilistisch aus dem Rahmen. So wenige Open-Air-Gäste wurden auf dem weiten Platz am Neuen Palais wohl noch nie gesichtet. Großen Anklang fanden unter anderen der Flötentag am Pfingstmontag und die vier Lunchkonzerte im Foyer des Nikolaisaals. Ensembles junger Musiker stellten sich dem Publikum und einer Jury zum Wettstreit. Die ausstrahlungskräftigste Gruppe wird während der Festspiele 2020 ein eigenes Konzert gestalten. Siegerin wurde Europa Danzante. Und die Fahrradkonzerte verloren auch im zehnten Jahr ihres Bestehens nicht ihre Popularität. Die nächsten Festspiele, die 2020 vom 12. bis zum 28. Juni stattfinden, haben das Thema „Flower Power“.