Potsdam feiert Italien: Die schreckliche Romsucht
Potsdam feiert Italien. Die PNN begleiten die zahlreichen Veranstaltungen mit einer Sommerserie Heute: Die Impulsgeber italienischer Architektur, Friedrich Wilhelm IV. und sein Bruder Carl.
Potsdam - Die Lust am weiten, schönen Ausblick habe er von seiner Mutter, der Königin Luise, geerbt, bekannte Prinz Carl von Preußen in späten Jahren. Möglichkeiten zum Schwelgen gab es für ihn viele: bei Ausfahrten, Ausritten, Spaziergängen oder einfach nur beim Teetrinken an den schönsten Plätzen seines Schloss- und Parkareals von Klein-Glienicke. Die beiden Gartenpavillons Karl Friedrich Schinkels, die er Große beziehungsweise Kleine Neugierde nannte, an der Chaussee von Berlin nach Potsdam stehend, geben die Aussicht zur Glienicker Brücke, zu den Havelseen oder zum Schloss Babelsberg frei.
Dieses malerisch gelegene Schloss mit seinen neugotischen Formen englischer Herkunft, in dem Carls Bruder, Wilhelm, und Schwägerin Augusta wohnten, liegt zwar malerisch am Tiefen See, doch er selbst bevorzugte einen anderen Baustil, einen, der italienische Architekturen zitierte. Darin ging er mit seinem ältesten Bruder, Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) konform. Der verfolgte die Idee, die Residenzstadt und ihre Umgebung weiträumig zu verschönern, ein Stück Italien an die Havel zu bringen. Carl selbst genügte es, seine Sommerresidenz in Klein-Glienicke zu italienisieren.
Friedrich Wilhelm IV. träumte von Italien
„Italien in Potsdam“ so heißt das Thema des Sommerfestivals 2019 in der Landeshauptstadt. Die Ausstellung „Wege zum Barock“ der römischen Museen Barberini und Corsini im Potsdamer Museum Barberini am Alten Markt (ab 17. Juli) gab den Impuls für ein reichhaltiges Angebot von Veranstaltungen mit Konzerten, Lesungen, Vorträgen, Führungen in den kommenden Monaten. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg ist natürlich ein wichtiger Teil des Festivals.
Von Jugend an träumten die beiden Königssöhne, Kronprinz Friedrich Wilhelm (IV.) und sein Bruder, Prinz Carl, von Gärten, Schlössern, antiken Kunstschätzen und von Arkadien. Der Vater, König Friedrich Wilhelm III. von Preußen, galt als sperrig. Der Mutter, Königin Luise, sagte man dagegen große Herzensgüte und eine Liebe zur Kunst nach.
Beiden Prinzen war, wie üblich, zunächst eine militärische Laufbahn vorgezeichnet, genauso wie den Brüdern Wilhelm und Albrecht. Friedrich Wilhelm entfaltete dabei aber keinen übermäßigen Ehrgeiz. Schon in jungen Jahren bewegten sich die Prinzen in Kreisen feinsinniger Künstler und Wissenschaftler. Und sie sehnten sich danach, auf Reisen zu gehen, ihre Neugier zu stillen. Italien war das Sehnsuchts-Ziel. Es war schließlich das Land, in dem die antiken Grabstätten christlicher Märtyrer lagen, die monumentalen Überreste des klassischen Altertums noch standen – es war eine Landschaft, die Freude und Entzücken auslöste.
Beziehungen zu Künstlern
Der Kronprinz durfte erstmals 1828 nach Italien reisen. In nur elf Wochen durcheilte er, begleitet von einer kleinen Gesellschaft, das damals wohl noch wahrhaft paradiesische Land. Er fuhr von Verona erst nach Westen über Mailand nach Genua, von dort über Florenz nach Rom und Neapel und schließlich über Ravenna, Bologna und Venedig wieder zurück nach Verona, wo sich der Kreis schließt. In den Briefen an seine Frau, Kronprinzessin Elisabeth, erfährt man, dass er begeistert gewesen sei von den architektonischen Sehenswürdigkeiten und Kunstschätzen Italiens. Er knüpfte Beziehungen zu Künstlern, die in Rom und anderswo lebten. Auch als König war er dort. 1851 schrieb er an den Diplomaten und Publizisten Alfred von Reumont: „Sie wissen, ich leide schrecklich an der Romsucht. (…) Stößt Ihnen ägyptischer Porphyr und Serpentin auf und kostet es mir nicht meine Ohren, so schlagen Sie zu.“
Für Ankäufe von Kunstwerken und Marmor aus Italien stellte Friedrich Wilhelm einen ansehnlichen Etat zur Verfügung. Er entwarf selbst Bauwerke. So gehen die Römischen Bäder, das Schloss Lindstedt, die Orangerie sowie die Friedenskirche im Park Sanssouci, das Belvedere auf dem Pfingstberg auf seine Vorstellungen zurück. Doch so manch hochtrabende Idee konnte er nicht verwirklichen.
Sammlungen antiker Kunst
Sein Bruder Carl weilte ebenfalls in Italien. Während seiner Aufenthalte hatte er stets die Absicht, seine Sammlung mit antiker Kunst zu vervollständigen. Das klassizistische Schloss Klein-Glienicke, sein Innenhof sowie die Bauten im Park beherbergen eine große Anzahl von antiken Kunstschätzen, auch wertvolle Kopien. Dem Prinzen war es wichtig, authentische Zeugnisse der Vergangenheit zu besitzen. Die Kunst selbst war ihm zweitrangig. Der Kunsthistoriker Helmut Börsch-Suppan stellte fest: „Die Bauten und die Gartenanlagen sind es, die als Gefäß seiner Sammlungen und als Lebensraum für ihn selbst von den besten ihm zur Verfügung stehenden Kräften, vor allem von Schinkel und Lenné, gestaltet werden sollten. Teilnahme am Kunstgeschehen seiner Zeit durch Unterstützung der einen oder anderen Richtung oder bedeutender Künstler war nicht sein Anliegen. Er war Egoist.“
Prinz Carl hatte einen ungetrübten Sinn für die Schönheit von Gartenanlagen. Der Landschaftspark von Klein-Glienicke ist ein beredtes Beispiel dafür – ein wichtiger Teil des Berliner und Potsdamer Geschichts- und Kunsterbes. Die Große und Kleine Neugierde laden heute ein, seine Lust am schönen, weiten Blick hinüber nach Potsdam zu genießen, der fast 30 Jahre durch die Mauer versperrt war. Heute ist Italien in Potsdam wieder auf Schritt und Tritt zu erleben.
>>Open-Air-Konzert für Prinz Carl am Freitag, 21. Juni um 19 Uhr im Park Klein-Glienicke. Es musizieren Solisten des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin Werke von Joseph Haydn.
>>Lesung aus den italienischen Reiseberichten Friedrich Wilhelms IV. am 7. Juli, 14 Uhr, in den Römischen Bädern, Park Sanssouci. Tickets unter www.potsdamtourismus.de