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Jutta Götzmann, Gründungsdirektorin des Potsdam Museums.
© Martin Müller

Interview mit Jutta Götzmann: „Im Moment erreichen wir nicht die große Masse“

Die Direktorin des Potsdam Museums, Jutta Götzmann, über "Smart Museums", die Rolle von Stadtmuseen im kulturellen Wandel und ein partizipatives Projekt in Potsdamer Stadtvierteln.

Von Helena Davenport

Frau Götzmann, die Tagung „Smart Cities – Smart Museums?“ befasst sich mit dem Stadtmuseum im digitalen und kulturellen Wandel. Dieser ist ja schon weit fortgeschritten. Inwieweit hinken die Stadtmuseen hinterher?
 

Ich glaube nicht, dass die Stadtmuseen hinterherhinken. Das sieht man auch an den eingeladenen Kollegen, die sich schon lange damit befassen, ihre Häuser umzustrukturieren, zeitgemäßere Schwerpunkte zu wählen. Wenn Sie sich etwa das Historische Museum in Frankfurt am Main ansehen – der Prozess ging hier über zehn Jahre bis zur Eröffnung im Oktober 2017. Ich bin 2016 in die Jury „Stadtgefährten“ berufen worden, ein Fonds der Kulturstiftung des Bundes, der Museen in Städten bis zu 250 000 Einwohnern für Projekte in neuen Partnerschaften unterstützt. An dem habe ich über drei Jahre bis zur letzten Förderrunde mitgewirkt, die bis 2020 läuft.

Aus dieser Arbeit heraus ist mit Blick auf unser Museum, das seine Dauerausstellung nach einer Laufzeit von zehn Jahren 2023 neu ausrichten wird, die Idee für die Tagung entstanden. Der Zeitpunkt für eine Tagung in Kooperation mit der Kulturstiftung ist jetzt ideal. Kollegen aus ganz Deutschland werden die Gelegenheit haben, ihre neuen Museumsansätze vorzustellen. Wir wollen aber auch Visionen für die Zukunft diskutieren. Insgesamt gehen 23 Museumspaten an den Start. Ohne die Kulturstiftung des Bundes hätten wir das alles nicht auf die Beine stellen können.

Welche Rolle hat ein Stadtmuseum?

Es ist das Museum, das den engsten Kontakt zur Stadtgesellschaft haben sollte, auch aufgrund seiner meist bürgerlichen Sammlung. Eigentlich wäre es die erste Adresse für die Stadtbewohner. Wenn wir uns aber die Besucherzahlen angucken, ist das meistens nicht der Fall. Ich glaube, an dieser Stellschraube muss man nachjustieren.

Wie meinen Sie das genau?

Stadtmuseen haben sich lange Zeit auf die Vergangenheit konzentriert. Wir müssen gucken, dass wir mit unseren Fragestellungen in Bezug zur Sammlung auch einen Gegenwartsbezug herstellen. Zudem brauchen wir auch ein Stadtmuseum für die Gegenwart und Zukunft. Aktuelle Fragen, die die Menschen jetzt umtreiben, das Wohnumfeld, der gesellschaftliche Wandel, veränderte Lebensumstände – das sind Bereiche, die bisher noch nicht so stark in den Fokus genommen wurden. Auch weil die Arbeitsweise häufig nicht über die materielle Kultur – sprich die Sammlung – möglich ist, sondern sich partizipativ ausrichtet und über Gespräche, Videoaufzeichnungen, auch fotografische Serien artikuliert. Im Moment erreichen wir nicht die große Masse, für die Nicht-Erreichten müssen wir in die Stadt gehen, müssen Stadt und Museum zusammendenken, die Museumsarbeit darf nicht an der Eingangstür enden.

Das hat auch etwas mit dem Stellenwert von Geschichte in der Gesellschaft zu tun. Ist der geringer geworden?

Nur mit einer gut aufgearbeiteten Geschichte kann man heutige Probleme angehen. Allerdings müssen Museen ihre Präsentationsformen und Fragestellungen stärker reflektieren. Finden wir einen Anknüpfungspunkt an die Gegenwart, um die Brisanz der Fragen deutlich zu machen? Bei „Umkämpfte Wege der Moderne“ haben wir den Verlust demokratischer Werte und Vielfalt im Blick gehabt und nah an der Potsdamer Geschichte erzählt. Es muss die Leute berühren, sie müssen stärker beteiligt werden.

Und wie könnte man Potsdamer stärker beteiligen?

Wir haben bei unseren letzten Ausstellungen schon versucht, Stadtraum und Museum zu verbinden. So haben wir die Gebäude, die mit dem Künstler Wilhelm Schmid in Verbindung stehen, durch Führungen zugänglich gemacht. Die Villa Metz, heutiger Hasso Plattner Stiftungssitz, ist ja von Schmid erbaut worden – uns war es wichtig, die jüdische Geschichte und die Baugeschichte vor Ort zu erzählen. Wir werden zudem in diesem Jahr eine Pilotphase für ein partizipatives Projekt zu Potsdamer Stadtvierteln starten. Eine Art Stadtlabor soll über einen längeren Zeitraum entstehen.

Ein weiteres Thema, das besprochen werden soll, ist Diversität. Was läuft denn bisher auf diesem Gebiet schief?

Ich weiß nicht, ob da etwas schiefläuft. Man muss sich fragen: Wie weit bildet mein Haus die unterschiedlichen Öffentlichkeiten ab? Bei der Tagung wird beispielsweise ein Projekt aus Neuruppin vorgestellt: „Durch_Einander. Stadtdialog Neuruppin“. Dort war der Ansatz, Geflüchtete und die etablierte Bevölkerung zusammenzubringen. In Neuruppin wurden sechs Orte im Stadtraum für gemeinsame Aktionen geschaffen. Ich weiß aus eigenen Erfahrungen: Dafür braucht man auch eine enge Vernetzung innerhalb der Stadt. Und um verschiedene Gruppen anzusprechen, muss man zuerst an die Gruppen herankommen. Die grundsätzliche Idee ist, über eine Gesellschaft nachzudenken. Ich glaube, dass Stadtmuseen zunehmend darauf reagieren.

Auf der Tagung sollen einige Beispiele kommunaler Museumsarbeit vorgestellt werden. Worauf freuen Sie sich besonders?

Ich bin gespannt auf Paul Spies, der am Donnerstag seine Präsentation für das Berliner Stadtmuseum im Humboldt Forums vorstellen wird. Er setzt viele digitale Medien ein, auch um ein möglichst breites Publikum anzusprechen. Jemand, der beim Thema Partizipation eine Vorreiterin ist, ist Susanne Gesser vom Historischen Museum in Frankfurt. Und ein Haus, das das Augenmerk auf ein jüngeres Publikum richtet, ist das vor eineinhalb Jahren neu aufgestellte StadtPalais in Stuttgart. Hier werden auch Subkulturen ins Museum geholt, wie die Hip-Hop-Bewegung. Wir werden anlässlich der Tagung aber auch ein partizipatives Projekt eröffnen. Auf dem Alten Markt werden zwei Zelte aufgebaut. In einem geht es um Blicke in die Zukunft. Wie sieht das Stadtmuseum in 100 Jahren aus? Jeder ist aufgefordert, Prognosen abzugeben.

Planen Sie etwas Ähnliches wie die Schau in Stuttgart? Wie wollen Sie ein jüngeres Publikum ansprechen?

Unser Projekt zum Leben in Potsdam wird mit Blick auf die heterogenen Stadtviertel auch auf ein jüngeres Publikum abzielen. Wir hegen auf dem Gebiet der Kunst einen regen Austausch mit Künstlern des Rechenzentrums und arbeiten daran, die jüngere Kunstszene stärker in unserem Haus abzubilden. Und bei der Hagemeister-Schau werden wir auch digitale Bilder entstehen lassen.

Wie steht es denn derzeit um den geplanten Anbau für eine Dauerausstellung für Kunst aus Potsdam?

Das ist ein wichtiges Ziel, das wir anstreben. Die Entscheidung wird aber natürlich von den Stadtverordneten getroffen. Es gab erste Gesprächsrunden mit dem Baubereich der Stadt. Eine Machbarkeitsstudie wird entscheiden, ob sich eine solche Erweiterung am bisherigen Standort realisieren lässt. Ich hoffe, dass wir – falls diese Idee verworfen wird – eine Standort-Alternative bekommen. Wann eine Studie erfolgt, kann ich derzeit noch nicht sagen. Wir sind auf Rückmeldungen von der Bauabteilung angewiesen.

Ist denn auch eine stärkere Kooperation unter den Stadtmuseen geplant?

Bei der Ausstellung zu Karl Hagemeister, die im Februar 2020 eröffnen wird, werden wir mit Kunstmuseen im Norden und Süden kooperieren, mit Ahrenshoop und Schweinfurt. Aber ich würde mich freuen, wenn sich durch die Tagung auch neue Kontakte zu Stadtmuseen ergeben.

Die Tagung „Smart Cities – Smart Museums?“ findet von Mittwoch bis Freitag im Potsdam Museum statt, Vorträge, Diskussionen und Workshops stehen auf dem Programm. Potsdams Kultur-Beigeordnete Noosha Aubel wird die Tagung eröffnen. Die Tagung ist ausgebucht. Auf dem Treffen will man sich in einem umfassenden Sinn mit dem „smarten Museum“ auseinandersetzen und nicht allein technologische Entwicklungen und Fragestellungen fokussieren. Diese sollen vor dem Hintergrund des kulturellen Wandels im Zusammenhang mit übergreifenden gesellschaftlichen Themen wie Diversität, Partizipation und Organisationsentwicklung diskutiert werden. Außerdem werden herausragende Beispiele kommunaler Museumsarbeit vorgestellt.

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