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Neal McQueen: Idomeni, 16 März 2016
© Neal McQueen

Fotografien von Flüchtlingen: Idomeni und Lesbos - für einen Laib Brot

Die Berliner Galerie Hilaneh von Kories zeigt Fotografien von Neal McQueen, der nach Idomeni und Lesbos gereist ist. Er ist nicht nur Beobachter.

Es ist von Flüchtlingströmen die Rede, von Flüchtlingsmassen oder von Fluten. Fernab von der Diskussion, die um diese Begriffe stattfinden, zeigen sie deutlich: In der Menge geht das Individuum unwillkürlich unter. Anders in Neal McQueens Dokumentation "Perilous Hope - A Documentary on Refugees". Seine schwarz-weißen Fotografien, die aktuell in der Galerie Hilaneh von Kories zusehen sind, geben den Menschen ein Gesicht.

Die Aufnahmen zeichnen eine Direktheit, eine persönliche Nähe zu den porträtierten Menschen und ihren dramatischen Lebensverhältnissen aus. Ein Junge, vielleicht sechs oder sieben, hält einen Laib Brot umklammert, als wäre es für ihn ein großer Schatz. Sein Blick ist ängstlich, verzweifelt. Das Foto wirkt roh, weil es den Jungen ohne jede fotografische Inszenierung zeigt - die Unmittelbarkeit macht es schwer, sich seinem Ausdruck und seinem Schicksal zu entziehen. Das Bild entstand am 16. März 2016 in Idomeni.

Neal McQueens Dokumentation von über 500 Fotos sind ausschließlich in schwarz-weiß entstanden, obwohl er digital arbeitet. Eine Auswahl wird in der Galerie auf großen Papierfahnen gezeigt, es gibt nicht wie üblich ein Passepartout. Damit soll der spontane und direkte Entstehungsprozess unterstrichen werden. Es hat etwas Flüchtiges. Das Papier kann jederzeit eingerollt werden.

Neal McQueen zeigt das Ausmaß der humanitären Krise

Der Fotograf beschäftigt sich seit vielen Jahren mit gesellschaftlichen und politischen Veränderungen in Europa. Als der Hamburger im Sommer 2015 in Athen einen jungen Syrer auf der Straße liegen sieht, dem es offensichtlich schlecht geht, entscheidet er sich, nach Lesbos zu reisen. McQueen erkennt innerhalb weniger Tage das Ausmaß der humanitären Krise. Er bleibt und dokumentiert alles mit seiner Kamera.

Jeden Tag kommen Tausende Menschen auf der Insel an. Jeder davon mit einem eigenen Schicksal, eigenen Beweggründen, die ihn zu der lebensbedrohlichen Überfahrt nach Europa getrieben haben. Durch seine Arbeit gibt McQueen dem Einzelnen in dieser Menge eine Individualität. Denn der Mensch verschwindet hinter den offiziellen Zahlen und Statistiken allzu leicht.

Als die Lage sich dann zuspitzt, geht er, der seine "Rolle viel mehr als humanistischer Aktivist begreife denn als Journalist" begreift, nach Idomeni. Dass McQueen nicht nur primär als Fotograf vor Ort ist, merkt man seinen Bildern an. Es ist nicht immer der perfekte Schnappschuss, nicht der richtige Moment. Das verleiht den Fotos Authentizität, sie sind nicht gestellt, niemand hat hier minutenlang auf die richtigen Einstellungen gewartet. McQueen ist eben nicht ausschließlich Beobachter, sondern mittendrin.

Ein kleines Mädchen blickt fragend in die Kamera

Ein weiteres Foto zeigt ein kleines Mädchen am 30. Januar 2016 auf Lesbos. Es stützt sein Kinn auf die Handfläche. Der Kopf ist mit einer riesigen Wollmütze bedeckt, den Hals wärmt ein Schal. Der Blick ist fragend, die Lippen sind gekräuselt. Andere Bilder geben einen Eindruck vom alltäglichen Leben im Camp in Idomeni und auf Lesbos. Menschen, die vor einem Zelt Schlange stehen, wahrscheinlich warten sie auf Lebensmittel oder Wasser. Andere sitzen um ein Lagerfeuer, scheinen sich zu wärmen. Aber auch der Alltag der Freiwilligen wird dokumentiert. Eine Helferin auf Lesbos hat ihren Kopf nach dem Essen auf dem Tisch gelegt und scheint erschöpft. Um sie herum stehen noch halbleere Teller und Gläser.

Besucher der Ausstellung "Neal McQueen Perilous Hope - A Documentary on Refugees" können sechs der Motive gerahmt und signiert für 400 Euro kaufen. Die Hälfte des Geldes geht an die Hilfsorganisation "be an angel".

Galerie Hilaneh von Kories, bis 30.6.; Belziger Straße 35, Di bis Fr 14–19 Uhr und Sa 12-15 Uhr

Julia Müller

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