"Krähe und Bär" im Potsdamer Hans Otto Theater: Flotter Kuss mit Schlangengift
Nicole Erbe inszeniert „Krähe und Bär oder Die Sonne scheint für uns alle“ am Hans Otto Theater als herzerwärmende Ode an die Freundschaft.
Potsdam - Überall baumeln Teddybären. An der Brust, um die Beine herum, am Rücken, über dem Hintern. Fröhlich sehen sie nicht aus, vielmehr hängen sie traurig herunter und stehen damit schon sinnbildlich für die Stimmung des Bären, dessen Fell sie bilden. Es ist ein wirkliches Kunstwerk, das Kostümbildnerin Esther van de Pas hier für die Inszenierung von „Krähe und Bär oder Die Sonne scheint für uns alle“ am Hans Otto Theater geschaffen hat. Am gestrigen Freitagmorgen feierte das Stück für Kinder ab sechs Jahren Premiere in der Reithalle – und überzeugte.
Ein bisschen gruselig sind sie natürlich schon diese baumelnden Teddys. Zum Kuscheln laden sie nicht wirklich ein, der Bär (David Kramer), der sie trägt, allerdings auch nicht. Er lebt im Zoo, angekettet, und hat sich mit seiner Gefangenschaft irgendwie arrangiert. Die schreienden Zoobesucher nerven ihn zwar, aber das Essen fällt buchstäblich vom Himmel und irgendwie gehen die Tage ja auch vorbei.
Doch dann plumpst die Krähe (Teresa Zschernig) in seinen Gehegeteich. Weil sie hungrig ist und etwas von dem reichhaltigen Zooessen stibitzen möchte. Frech ist sie und unhöflich. Dem Bären gefällt das zunächst nicht, er verhält sich brummelig abweisend. Aber irgendwie findet er Gesellschaft doch ganz gut und die spannenden Geschichten der Krähe sowieso. Und weil die sich nach seinem bequemen Leben sehnt, tauschen die beiden kurzerhand per magischen Schlangentrank – und einem Kuss – die Körper. Probleme bleiben natürlich nicht aus, die Frage, was wirkliche Freiheit ausmacht, stellt sich auf beiden Seiten.
Freundschaft mit leisen Zwischentönen
Es ist Regisseurin Nicole Erbe sehr gut gelungen, die Antwort – oder zumindest eine Ahnung davon – ganz leise zu entwickeln. Das will schon etwas heißen, denn leise ist die gleichnamige Kinderbuchvorlage von Martin Baltscheit nicht wirklich. Viele der lauten und sowieso schon theaterreifen Sätze finden sich auch in Erbes Inszenierung wieder. Den Plot hat sie auf das Nötigste zusammengeschrumpft, die Botschaft von Freundschaft und Liebe bleibt. Kitschig wird diese weder im Buch noch auf der Bühne, dafür ist das Stück viel zu frech und erfrischend flott. Für die leisen Zwischentöne sorgen dabei auch die beiden Hauptdarsteller.
Teresa Zschernig – in einem wunderschönen Flatter-Krähenkostüm – ist spritzig unverschämt, lässt aber ziemlich schnell vermuten, dass ein weicher Kern in ihr steckt. Ihre Verwandlung von der hüpfenden Krähe zum rollenden Fressbären und wieder zurück vollzieht sie scheinbar mühelos. David Kramer ist zu Beginn ganz herrlich mürrisch und bärig tapsig. Ihm dabei zuzusehen, wie er sich ganz vorsichtig auf eine Freundschaft mit Krähe einlässt, ist herzerwärmend.
Beeindruckendes Puppenspiel
Und dann ist da noch Puppenspielerin Mirjam Schollmeyer, die nicht nur einige stumme Zoo-Menschen – herrlich mit Puppengesichtern in Szene gesetzt – sondern auch eine Ratte sowie eine alte Krähe spielt. Während sie die Rattenpuppe „nur“ steuert, steckt sie in der Krähe ganz drin. In dem aufwendig gestalteten Kostüm – die Kinder im Publikum sind kurz davon überzeugt, es handelt sich um einen Roboter – bewegt sie sich so vogelgetreu, dass man sich kaum an ihr satt sehen kann.
Überhaupt gibt es viel zu sehen in dieser Inszenierung. Das Bühnenbild von Juan León ist mit einem runden Zoogehege, einigen Müllsäcken sowie einer Reifenschaukel zwar einfach, aber wirkungsvoll gestaltet. Eine Wand im Hintergrund dient als Projektionsfläche für Wassersimulationen oder Kunstwerke von Caspar David Friedrich, Sandro Botticelli oder Jackson Pollock, die Krähe in einer Szene für Bär an die Wand malt. Besonders schön ist auch die musikalische Untermalung, die von klassischen Klavierstücken bis hin zu modernen Popsongs reicht.
Spannend und kurzweilig
In all diesen sinnlichen Eindrücken könnte ein Stück schnell versinken. Regisseurin Nicole Erbe schafft es aber, die knappe Stunde ihrer Inszenierung punktgenau zwischen Spannung und Kurzweiligkeit auszutarieren. Sicher, die Kritik am Menschen und seinem Umgang mit den (Zoo)Tieren kommt an mancher Stelle etwas mit dem Holzhammer daher. Doch am Ende dominiert die liebevolle Erinnerung, wie wichtig ein respektvoller Umgang miteinander ist – aller Unterschiede zum Trotz. Und zwar so nachhaltig, dass man jeden einzelnen traurig baumelnden Teddy aus seiner Kostüm-Gefangenschaft befreien möchte.
>>„Krähe und Bär“, wieder Sonntag, 10. Februar um 15 Uhr in der Reithalle, Schiffbauergasse.