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"Ronja Räubertochter" am Hans Otto Theater Potsdam: Ein Schrei,  der verhallt

Die Inszenierung von Astrid Lindgrens "Ronja Räubertochter" am Hans Otto Theater überzeugt mit gutgelaunten Darstellern und einem fantastischen Bühnenbild. Warum das Weihnachtsmärchen trotzdem enttäuscht. 

Potsdam - Ronja schreit in den Wald hinein. Laut, jubilierend und klingt dabei ein bisschen wie ein junger Wolf. In Astrid Lindgrens Roman „Ronja Räubertochter“ ist dieser „Frühlingsschrei“ eine kraftvolle Szene, die Ronjas Verbundenheit zur Natur und ihren rebellischen Charakter verdeutlicht. In der Inszenierung am Hans Otto Theater von Regisseurin Milena Paulovics, die am gestrigen Freitag Premiere feierte, verpufft sie jedoch in einer von vielen.

An den Schauspielern liegt das nicht. Das siebenköpfige Ensemble – allesamt als Gastdarsteller engagiert – versteht es, Lindgrens Charaktere in einer schönen Mischung aus märchenhaft und modern zum Leben zu erwecken. Die Geschichte rund um Ronja, die in einer stürmischen Gewitternacht in eine Räuberfamilie hineingeboren wird und sich später ausgerechnet mit dem Sohn der verfeindeten Bande anfreundet, spielen sie gut gelaunt. 

Das Gastensemble spielt gut gelaunt

Bo-Phyllis Strube ist dabei eine herrlich dickköpfige Ronja, Lukas Benjamin Engel ein großartig verschmitzter Birk. Oliver Breite ist eher der weiche Vater Mattis, als der rasende Räuberhauptmann, was ihn erst recht liebenswert macht. Besonders brilliert Johanna-Julia Spitzer als starke Mutter Lovis, die sich von den Männern nichts sagen lässt. Sebastian Reusse ist fast noch ein wenig zu jung für den Glatzen-Per, führt aber als Erzähler mit angenehmer Stimme durch das Stück.  

Dass die Inszenierung einen Erzähler braucht, ist allerdings auch schon ihr erstes Problem. Viel lieber möchte man sehen, wie Ronja sich auf der Mattisburg entwickelt, als es nur zu hören. Sicher, der Text von Lindgren ist ein erzählerischer und ihren Worten lauscht man gerne. Doch der Potsdamer Räubertochter hätte es gutgetan, sich ein wenig von der Buchvorlage zu lösen oder sich doch zumindest auf eines ihrer vielen Themen zu konzentrieren. 

Ronja begrüßt den Frühling mit einem Schrei. 
Ronja begrüßt den Frühling mit einem Schrei. 
© Thomas M. Jauk

Die Charaktere haben keine Zeit sich zu entfalten

Der verbotenen Freundschaft von Ronja und Birk zum Beispiel und dem daraus resultierenden Konflikt zwischen ihr und ihrem Vater Mattis. Allein dieser Strang hätte gereicht, um eine dichte, packende Geschichte zu erzählen. Leider hat Milena Paulovics aber versucht, das gesamte Buch in 70 Minuten Spielzeit zu pressen. Szene an Szene wird dabei stakkatohaft aneinandergereiht. Und so sehr sie sich bemüht, allen Handlungssträngen gerecht zu werden und sie mit dem besagten Erzähler zusammenzuhalten: Am Ende geht dem Stück dadurch seine Tiefe verloren und die Charaktere haben keine Zeit, sich richtig zu entfalten. 

Ob dabei gerade die jungen Zuschauer – das Stück ist ab sechs Jahren empfohlen – wirklich verstehen, dass Ronja an einer Stelle das Räuberprinzip des Stehlens stark kritisiert und warum Mattis plötzlich nicht mehr mit seiner Tochter sprechen möchte, bleibt fraglich. Das teilweise sehr unruhige Premierenpublikum lässt nicht darauf schließen. 

Die verfeindeten Räuberbanden stehen sich am Höllenschlund gegenüber. 
Die verfeindeten Räuberbanden stehen sich am Höllenschlund gegenüber. 
© Thomas M. Jauk

Zauberhaftes Bühnenbild und Kostüm

Das ist umso ärgerlicher, weil die Inszenierung optisch wunderschön in der Bühne von Pascale Arndtz umgesetzt ist. Ein in Ronjas Geburtsnacht gespaltener Felsen - der Höllenschlund - steht symbolisch für die Räuberburg und verschiedene Felsen im Wald. Durch die Drehbühne wird er je nach Szene leicht variiert. Viel mehr braucht es nicht, da die verschiedenen Jahres- und Tageszeiten in stimmungsvollen, märchenhaften Bildern auf die Bühnenrückwand projiziert werden. Hier und da fallen ein paar Herbstblätter oder Schneeflocken vom Himmel., ein großer Lachs springt den Kindern in die Arme.

Auch Kostüm und Maske der märchenhaften Waldbewohner (ebenfalls Pascale Arndtz) sind liebevoll gestaltet. Besonders die drolligen Rumpelwichte oder die gruselige Drudenfrau – beeindruckend: Johanna-Julia Spitzer fliegend an Seilen – bleiben im Gedächtnis. Doch auch diese Szenen haben keine Zeit, sich zu entfalten, reihen sich ein in eine wilde Bilderfolge. 

Eine Fokussierung hätte gut getan

Zum Gelingen der Inszenierung hätte man hier ruhig auf einige der Wesen verzichten können – denn so märchenhaft sie sind, wichtig für Ronjas Entwicklung sind im Wesentlichen nur die Graugnome. Und der Schrei, mit dem sie sich gegen diese behauptet, hallt dann auch auf der Bühne noch lange nach. 

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Weitere Vorstellungen finden Sie unter: www.hansottotheater.de

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