Potsdams Kulturhäuser in Not: Existenzangst bei Kulturschaffenden
Unsicherheit und leere Kassen herrschen derzeit bei Kulturschaffenden, wie den Thalia- oder den T-Werk-Betreibern. Die Stadt will mit Hilfsprogrammen und Notfallrücklagen Insolvenzen vermeiden.
Potsdam - Die Coronakrise bringt etliche Potsdamer Kulturbetriebe in Existenznot. Besonders hart trifft es das Babelsberger Thalia Kino: Es fällt nach Aussagen der Potsdamer Kulturbeigeordneten Noosha Aubel (parteilos) durch das Raster der bisherigen Hilfsprogramme.
Das Problem: Nach den üblichen Richtlinien werden Kinos als wirtschaftliche Einrichtung, als Gewerbebetrieb, definiert. „Wir verstehen uns aber als Kultureinrichtung“, sagte die stellvertretende Thalia-Geschäftsführern Daniela Zuklic den PNN. Das Kino könnte demnach nie so wirtschaftlich arbeiten, um einen KfW-Kredit zurückzahlen zu können. Bisher habe das Thalia laut Zuklic Hilfen in Höhe von insgesamt 80.000 Euro aus dem Corona-Soforthilfeproramm, vom Medienboard Berlin-Brandenburg und Bund erhalten. Die Kosten, die bis zur einer Wiederaufnahme des regulären Betriebs – Zuklic rechnet mit September – fällig werden, liegen bei etwa 300.000 bis 400.000 Euro. Sollte das Geld nicht reichen, drohe schlimmstenfalls die Insolvenz oder Entlassungen und eine Erhöhung der Eintrittspreise, sagte Zuklic.
„Das ist im Grunde ein Problem, das auf Landesebene gelöst werden müsste“, so die Thalia-Geschäftsführerin. „Wir brauchen Planungssicherheit, wann es wie weitergeht und würden auch gerne an einem Konzept zur Wiederöffnung mitarbeiten.“ Gerade das Thalia sei gut geeignet, Maßnahme zur Abstandshaltung umzusetzen. „Wir können Sitze und ganze Reihen sperren oder rausnehmen“, zudem könnten Besucher Filme online kontaktlos buchen und bezahlen, Filme könnten versetzt beginnen, um Besucherströme besser zu takten. Die Stadt hat gegenüber dem Kino Hilfsbereitschaft signalisiert: „Frau Aubel war sehr offen für unsere Nöte, wir wollen in engem Kontakt bleiben“, so Zuklic.
Notfallfonds in Höhe von jeweils 200.000 Euro
Mit verschiedenen Hilfsmaßnahmen will Potsdam die massiv durch die Coronakrise getroffene Potsdamer Kunst- und Kulturszene unterstützen. Am Mittwochabend wollen die Stadtverordneten dafür ein von der Verwaltung geschnürtes Hilfspaket absegnen. Ergänzend dazu gibt es Kulturhilfeprogramme des Landes.
Bereits auf den Weg gebracht worden ist der Notfallfonds in Höhe von jeweils 200.000 Euro für 2020 und 2021 für gefährdete Kultur- und Sporteinrichtungen. Bis Ende des Monats kann man sich hierfür noch bewerben, die Nachfrage sei groß, so Aubel. Die Stadt will zudem eine jährliche Notfallrücklage von 500.000 Euro bereitstellen, um Kultureinrichtungen vor der Insolvenz zu bewahren.
Zudem sollen die bereits zugesagten institutionellen Fördermittel weiterlaufen, auch wenn die Häuser geschlossen sind oder nur in begrenztem Umfang arbeiten können. Ebenso werden die geplanten Investitionsmittel ausgezahlt: zum Beispiel für Proberäume und das Tonstudio im Freiland sowie für Proberäume und den Brandschutz im Archiv. Zugesagte Projektmittel sollen ausgezahlt werden, um bereits entstandene oder gebundene Kosten zu decken, kündigte die Verwaltung an.
Mitarbeiter des Hans Otto Theaters in Kurzarbeit
Um die Honorarausfälle vieler Selbstständigen im Bildungs- und Kulturbereich zu kompensieren, will die Stadt zudem ein Programm entwickeln, das ähnlich wie das Kurzarbeitergeld für Arbeitnehmer funktionieren könnte. Davon würden auch Honorarkräfte an Musikschulen und der Volkshochschule profitieren.
Wie das Hans Otto Theater und der Nikolaisaal durch das Jahr kommen, sei noch nicht abzusehen, sagte Aubel jüngst im Kulturausschuss. Möglicherweise müsse der städtische Zuschuss erhöht werden. Zunächst ist seit dem 1. Mai ein Großteil der 160 Mitarbeiter des HOT in Kurzarbeit.
Als mittelfristige Maßnahme will die Stadt eine strukturierte Abfrage der finanziellen Situation von Trägern und Häusern erstellen.
„Es gibt so viele offene Fragen"
Auch T-Werk-Leiter Jens-Uwe Sprengel sagte den PNN, er begrüße die engagierte Bereitschaft der Politik, Lösungen zu finden und zu helfen. Es brauche jetzt aber auch schnelle Entscheidungen, um weiter planen zu können. „Es gibt so viele offene Fragen. Ab wann ist eine Veranstaltung eine Großveranstaltung? Ab 500 oder 1000 Besuchern? Was können wir planen, was sagen wir unseren Künstlern?“ Ende Juli würden die traditionellen Schirrhofnächste stattfinden, bei denen überwiegend auf Open Air Bühnen gespielt wird und täglich etwa 150 Besucher kommen.
Kann das stattfinden und unter welchen Bedingungen?“, fragt Sprengel. Weiterhin unentschieden sei, ob das Festival „Stadt für eine Nacht“ Ende August stattfindet. Man müsse aber irgendwann auch den Künstlern Bescheid geben. Bereits für Juni ist das Ferienprogramm „WhatsArt“, mit Kursen für Kinder und Jugendliche an verschiedenen Häusern der Schiffbauergasse, geplant.
Auch hier bräuchte es dringend eine Entscheidung, ob diese beispielsweise in kleinen Gruppen und im Freien stattfinden können. „Wir haben derzeit keine Grundlage, um vernünftig zu entscheiden. Jede Entscheidung bringt zudem rechtliche Konsequenzen mit sich, die wiederum bedacht werden müssen“, so Sprengel. Letztlich sei es somit auch unmöglich, den zu erwartenden wirtschaftlichen Schaden zu beziffern und Anträge für Hilfsprogramme zu stellen.