Pläne für die Freundschaftsinsel: Eine Bürgerbühne in Potsdam für alle
Die Potsdamer Bürgerstiftung arbeitet an einer coronakonformen Bühne auf der Freundschaftsinsel. Wie soll der Betrieb aussehen? Und: Was fehlt, um diesen zu ermöglichen? Eine fixe Summe und ein weiteres Detail.
Potsdam - Trübsalblasen ist nicht Kaspar von Erffas Sache. Am 12. März 2020 feierte sein Integrationstheater die Premiere von Brechts „Leben des Galilei“ im Treffpunkt Freizeit. Tags darauf setzte der erste Kultur-Lockdown ein. Anstatt in Lethargie zu verfallen, machte sich von Erffa Gedanken, wo man trotz Pandemie Theater spielen könnte. So kam er auf die Bühne der Freundschaftsinsel: eine Freilichtbühne, zentral, leider auch desolat.
Als sich Kaspar von Erffa zum ersten Mal mit Marie-Luise Glahr von der Potsdamer Bürgerstiftung darüber verständigte, schien ein Spielbetrieb unmöglich. Als aber klar wurde, dass die Pandemie die Kultur auch 2021 lähmen würde, kamen beide darauf zurück. „Immer wenn es heißt, das geht nicht, reizt das etwas in mir“, sagt von Erffa. „Marie-Luise Glahr auch.“
Eine Crowdfunding-Aktion und eine neue Webseite
Also machte die Bürgerstiftung mobil. Holte beim Förderwettbewerb „Gemeinsam für Potsdam“ das Preisgeld in Höhe von 6000 Euro. Startete im November eine Crowdfunding-Aktion, bei der innerhalb weniger Wochen mehr als 9000 Euro für die Inselbühne gespendet wurden. Seit Kurzem gibt es auch die Webseite www.inselbuehne-potsdam.de, über die man weiterhin spenden kann.
80.000 Euro werden benötigt, um den Ort wieder als Spielstätte nutzen zu können, so von Erffa. Diese Summe zu besorgen, sei „die eigentliche Crux“ an dem Projekt. Dazu kommen die Kosten für den Spielbetrieb. Potsdams Kulturbeigeordnete Noosha Aubel (parteilos) hat bereits erklärt, den Betrieb unterstützen zu wollen, inzwischen bestätigte die Stadt einen Zuschuss von 28.000 Euro durch das Kulturamt. Mittel für die Sanierung aber konnten „aus dem städtischen Haushalt nicht akquiriert werden“, heißt es. Die 80.000 Euro müssen von woanders kommen.
Keine feste Gruppe, aber ein festes Organisationsteam
Das Ziel: eine pandemiekonforme Spielstätte für die wärmere Jahreszeit von Anfang Mai bis Ende Oktober. Ein Ort ohne feste Gruppe, aber mit festem Organisations- und Technikteam um Kaspar von Erffa als künstlerischem Leiter. „Wobei es mir vor allem um eine Beratung darüber gehen würde, was wie geht“, sagt von Erffa. Nicht ums Aussortieren. Er sieht sich vor allem als Ermöglicher.
„Programmatische Eingrenzungen soll es nicht geben“, so steht es auch in dem Konzept, mit dem sich von Erffa und Glahr um Unterstützung bei Stadt und Land beworben haben. Angedacht ist ein Ort, an dem so viele Gruppen wie möglich so unterschiedliche Projekte wie möglich machen. „Eine offene Bürgerbühne für alle.“ Der Eintritt soll frei oder so gering wie möglich sein. „Die Inselbühne soll nicht kommerziell genutzt werden.“
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Was fehlt, um loszulegen: ein Nutzungsvertrag
Das sind die Ideen. Rasch meldeten sich erste Interessenten, darunter die Tanzschule Tanguito, das Ballettstudio Marita Erxleben und das Filmmuseum Potsdam. Der Bedarf scheint groß.
Noch fehlt allerdings neben den finanziellen Mitteln ein wesentliches Detail: der Nutzungsvertrag. Baudezernent Bernd Rubelt (parteilos) habe diesen Ende November angekündigt, sagt von Erffa. In wenigen Wochen sollte er die die Bürgerstiftung erreichen. Bis heute gibt es keinen Vertrag. Stattdessen kurz vor Weihnachten die Mitteilung, dass es für eine Vergabe noch Abstimmungsbedarf zwischen verschiedenen Geschäftsbereichen gebe.
Eine Sprecherin der Stadt Potsdam bestätigt diesen Stand der Dinge. Dass es bisher keinen Vertrag gebe, liege jedoch ausdrücklich nicht „an einer fehlenden Baugenehmigung oder an einer fehlenden Zustimmung des Umweltamtes“. Es seien noch „rechtliche Prüfungen der Rahmenbedingungen erforderlich“.
Ein heikles Problem: der Lärmschutz
Beim Umweltamt liegt unter anderem die Verantwortung für den Lärmschutz: in der Vergangenheit eine heikle Frage bei der Inselbühne. „Wir sind uns des Themas Lärmschutz sehr bewusst“, sagt Marie-Luise Glahr. Hier gelte es abzuwägen: zwischen den einzelnen Interessen und dem Wunsch der Stadtgesellschaft nach einer belebten Innenstadt. Der Spielbetrieb soll zudem im Wesentlichen tagsüber und maximal bis 22 Uhr stattfinden.
Errichtet wurde die Bühne anlässlich der 10. Weltfestspiele der Jugend in Berlin 1973. Über 450 Zuschauer fanden hier Platz. Seit 1977 hatte die Insel den Status eines Flächendenkmals. Vandalismus gab es dennoch. Besonders in den 1990er Jahren. Zwischen 1973 und 1990 wurde die Bühne intensiv genutzt. Es gab viele Veranstaltungen, Tanz und Musik. Fotos aus den 1970ern lassen ahnen, wie das aussah: Die Babelsberger Rockband „bab-formation“ mit Schlaghosen und Fransenfrisuren. Oder bestrumpfhoste Mädchenbeine, historische Kostüme. Ein Barocktanz?
Gründe der Verkehrssicherheit: 2017 war Schluss
Auch nach 1990 gab es Veranstaltungen, aber sie wurden selten. Als regelmäßiger Nutzer war zuletzt das Thalia-Kino vor Ort: Von 2007 bis 2012 machte es Open-Air-Kino. 2017 war Schluss, die Bühne wurde gesperrt. „Aus Gründen der Verkehrssicherheit für den Publikumsverkehr“, wie die Bürgerstiftung recherchiert hat. Im August 2019 war nochmal ein Intermezzo möglich: Das Festival Localize erhielt eine Sondererlaubnis.
Kaspar von Erffa ist optimistisch, dass auch die Bürgerbühne ihren Nutzungsvertrag erhalten wird. Nur wann? „Um einen Spielbetrieb ab Anfang Mai zu stemmen, wird das ein enges Rennen.“ Wenn im Februar von der Stadt kein deutliches Zeichen komme, werde es schwierig. Denn die so dringend benötigten weiteren Förderer könne man seriös erst anfragen, wenn gesichert sei, dass es auch wirklich eine Bühne geben darf. Erst dann lässt sich das scheinbar Unmögliche wirklich angehen.