Was ist bloß los im Springer-Verlag?: Ein Kommunikationshaus, das nicht kommunizieren kann
Facebook, falsche Ausgewogenheit und eine kluge Rede in der Frankfurter Paulskirche: Warum der Fall Döpfner aufregt. Die Kolumne Spiegelstrich.
Unser Kolumnist Klaus Brinkbäumer ist Programmdirektor des MDR in Leipzig. Sie erreichen ihn per Mail unter Klaus.Brinkbaeumer@extern.tagesspiegel.de oder auf Twitter unter @Brinkbaeumer.
Der Fall Döpfner ist nicht das größte Problem der Medienwelt, bloß das seltsamste und momentan das aufregendste. Es ist ja immer wieder aufs Neue überraschend, wenn ausgerechnet ein Unternehmen, das nur sich selbst für professionell und den nicht kleinen Rest der Welt für Anfänger hält, einen Anfängerfehler macht und noch einen und dann drei, fünf, sieben weitere Anfängerfehler, bis es blamiert ist.
Die Frankfurter Buchmesse war wieder eine Buchmesse. Es waren weniger Menschen als früher hier, und die Gänge breiter als früher, die Stände ausgedehnt (die Verlage bekamen zum selben Preis wie früher die doppelte Fläche), was für Distanz und bedächtige Spaziergänge sorgte, für Gespräche statt hektischer Rufe, für nachdenkliche Stille auch, und in dieser Stille sprachen alle über Reichelt, Döpfner, Springer.
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Doch zwei von einigen größeren Problemen in der Medienwelt sind:
– Facebook, denn Facebook gefährdet Demokratien und Gesellschaftsordnungen, weil es Denunziation und Hetze belohnt, darum befördert. Indien ist das jüngste Beispiel für Gewaltausbrüche, die mit Lügen via Facebook begannen. In einem Abschiedsinterview mit der „Süddeutschen“, das passagenweise in den Tiefschlaf autorisiert wurde und passagenweise sprühend lebt, sagt Angela Merkel: „Dass das politische Klima im Land rauer geworden ist … Wie erreichen wir Menschen? Wie erreichen wir, dass es Diskurse gibt, in denen unterschiedliche Meinungen respektiert werden und sich nicht jeder in der Meinungsecke verkriecht, in der er sich bestätigt fühlt. Sie können sich ja heute Ihre persönliche Meinung von viel mehr Menschen bestätigen lassen, als Sie überhaupt kennen. Ich fürchte, dass wir bei der Kompromissbildung, die in der Demokratie unerlässlich ist, zunehmend Probleme bekommen.“
Manchmal bekommt die Vielseitigkeit auch einen falschen Drall
– Falsche Ausgewogenheit, „false balance“. Medien wollen vielseitig sein, wollen alle Facetten der Gesellschaft abbilden. Wenn jedoch immer auch Gegenstimmen zu Wort kommen, obwohl es manchmal so etwas wie Wahrheit und Klarheit ja gibt, dann bekommen jene Corona-Wissenschaftler, die irgendetwas Wüstes vermuten, das gegen Impfungen zu sprechen scheint, ein Übergewicht gegenüber jenen, die zusammen mit 90 Prozent der Forschenden auf der Basis von Studien und bisweilen tatsächlich der Wirklichkeit agieren.
Springer ist bloß ein Springerproblem: ein Kommunikationshaus, das nicht kommunizieren kann, das sich selbst in eine Krise hineinführt, weil es sein Wenige-Männer-haben-die-Allmacht-Weltbild bewahren und trotzdem „Politico“ kaufen wollte; das von #MeToo nichts mitbekommen hatte, dann schockstarr und ohne Sprache war, ohne ein stimmiges Wort die Krise und sich selbst mittendrin erlebte.
Die Friedenspreisträgerin fordert dazu auf, Denkmuster zu verändern
„Es wird keine Wunderheilungen für unsere gedanklichen Fehler geben“, das sagte die Friedenspreisträgerin Tsitsi Dangarembga am Sonntag in der Paulskirche, „was wir tun können, ist, unsere Denkmuster zu verändern.“
Mathias Döpfners Video zur Reichelt-Affäre ist deshalb ein Dokument, weil es in aller Ruhe entstand, überlegt. Und dann: wirres Zeugs, hingeschludert. Ein Selfiefilmchen mit miesem Licht, miesem Ton und der Protagonist viel zu nahe: So raunt Döpfner von „Männern, die erkennbar das Vorgehen organisierten“, ehemaligen „Bild“-Leuten, die Julian Reichelt weghaben wollten, mit „fast erpresserischem Ton“.
Fast? Welche Männer? Nicht weiter wichtig. Apokalypse und Verschwörung sind die Methode Döpfner. Dass Reichelt „der letzte und einzige Journalist in Deutschland“ sei, der sich noch gegen den „neuen DDR-Obrigkeitsstaat“ wehre, da ja alle anderen bloß noch „Propaganda-Assistenten“ seien, das ist ironiefrei Döpfners Ernst.
Klaus Brinkbäumer
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