Sven Strickers Krimi „Sörensen fängt Feuer“: Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen
Der Potsdamer Autor Sven Stricker hat mit „Sörensen fängt Feuer“ seinen zweiten Krimi mit dem gleichen Ermittler geschrieben und überzeugt darin mit liebenswerten Figuren sowie einem spannenden Fall. Nur eine Frage bleibt ungelöst.
Drama und Komödie. Kategorisierungen, die zwar im Film oder Theater funktionieren, im Alltag aber eher weniger. Dort ist es oft eher ein Dazwischen, ein nicht definierbarer Mix aus allen möglichen Genres, die sich im besten Fall gegenseitig ausgleichen. In „Sörensen fängt Feuer“, dem aktuellen Krimi des Potsdamer Autors Sven Stricker ist das ähnlich. Hier geschieht ein Mord, dann gleich noch einer und danach ein dritter. Allesamt blutig und grauenvoll.
Und trotzdem bringt einen dieses Buch ständig zum Schmunzeln, zum breit Grinsen und oft zum laut Auflachen. Nicht etwa, weil Stricker sein Sujet nicht ernst nimmt oder einen Witz nach dem anderen reißt. Sondern, weil seine Figuren unwiderstehlich authentisch sind. Und die Dialoge so echt, als wären sie von der Straße oder aus dem Wohnzimmer abgeschrieben. Zum Brüllen komisch sind die – und dann wieder leise nachdenklich. Klug sind sie immer.
Ein Mädchen bricht aus
Im Gegensatz zu seinen Figuren, die oft von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpern, Fehler machen, verletzend sind, aber trotzdem liebenswert bleiben. So wie Sörensen, Kriminalhauptkommissar in dem fiktiven Städtchen Katenbüll in Nordfriesland. Von seinem letzten Fall hat er sich noch nicht richtig erholt, gegen seine Angst nimmt er Medikamente – nur um sie ganz schnell wieder abzusetzen. Dann – ausgerechnet kurz vor Weihnachten – läuft einem der Stadtbewohner, nämlich Ole Kellinghusen, eine junge, blinde, abgemagerte Frau vor das Auto.
Nele heißt sie und schnell stellt sich heraus: sie wurde ihr ganzes Leben von ihrem Vater im Keller gefangen gehalten. Als ob das nicht schon gruselig genug wäre, findet Sörensen in ihrem Haus auch noch eine Leiche: vor dem noch laufenden Fernseher sitzend, ermordet mit mehreren Messerstichen. Im ersten Moment scheinen Täter und Motiv klar zu sein, doch Sörensen muss bald feststellen, dass der Fall ziemlich verzwackt ist und ihn in ein krudes Geflecht von religiösem Wahn führt.
Stricker taucht tief in seine Figuren ein
Auf detailreiche, genüsslich ausgewälzte Schauerbilder vom Tatort oder gar dem Mord verzichtet Sven Stricker dabei zum Glück. Er braucht es nicht, um die Spannung zu halten. Zu gerne folgt man seinen Figuren, angefangen bei Sörensen, über seine Kollegin Jenni, ihren Fast-Schwiegersohn Ole. Ja sogar bis hin zu Neles fragwürdigem Vater Dierk Lorenzen. Denn Stricker interessiert sich für seine Figuren. Er taucht tief in sie ein, fällt aber nie ein Urteil über sie. Auch nicht über die vermeintlich Bösen. Er erzählt lediglich von ihnen, ihren Wünschen nach Nähe und die gleichzeitige Angst davor. Von der Diskrepanz zwischen Macht und Verantwortung, von Verlust und Begierde.
Bereits in dem Vorgänger-Krimi „Sörensen hat Angst“ und auch in seinem wunderbaren Roman „Mensch, Rüdiger“ überzeugt Stricker, der neben dem Schreiben als freier Wortregisseur arbeitet, mit seiner Fähigkeit lebensnahe Settings zu schaffen, in die er unaufdringlich große Fragen einflicht. Über den Sinn des Glaubens etwa oder inwieweit Regeln das Leben gleichzeitig beschränken und befreien.
Feinsinnig beobachtet, gut erzählt
Stricker ist ein sehr guter Erzähler, ein feinsinniger Beobachter, einer, der das Leben wahr wiedergeben kann, ohne langweilig zu werden. Ach ja, und nebenbei erzählt er auch noch einen spannenden Kriminalfall, dessen Auflösung genauso überraschend wie naheliegend ist. Das einzige Rätsel bleibt der – mit Verlaub ziemlich bescheuerte – Titel des Buches. Abschrecken lassen sollten sich davon weder Krimifans noch Krimigegner. „Sörensen fängt Feuer“ liegt nämlich erfrischenderweise irgendwo zwischen diesen beiden Lagern.
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– Sven Stricker, Sörensen fängt Feuer, Rowohlt Taschenbuch, 2018, 448 Seiten.