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Die frühere Moskau-Korrespondetin Gabriele Krone-Schmalz
© dpa

Gabriele Krone-Schmalz: Die Russlandversteherin

Eine Abrechnung mit deutschen Journalisten und eine Streitschrift für Putin: Nicht Russland, sondern der Westen hat Schuld am Ukrainekonflikt, schreibt Gabriele Krone-Schmalz in ihrem Buch –Verschwörungstheorien inklusive. Die Rezension aus dem Februar war einer der meistkommentierten Texte 2015.

Eigentlich sollte das Buch einen anderen Titel haben. Gabriele Krone- Schmalz wollte es „Ich bin ein Russlandversteher – und das ist auch gut so“ nennen. Die frühere Moskau-Korrespondentin, die derzeit in Talkshows vehement für die russische Position im Ukraine-Konflikt wirbt, beklagt sich darüber, dass es im Westen ein „Feindbild Russland“ gebe, sobald man nicht verstehe, was im Land passiert. Das Buch ist eine Streitschrift zur Verteidigung von Wladimir Putins Russland und zugleich eine Abrechnung mit den deutschen Journalisten. Ihren früheren Kollegen wirft Krone-Schmalz pauschal eine „selektive Wahrnehmung“ des Ukraine-Konflikts vor. „Nur noch das, was man wahrnehmen möchte, was den eigenen Vorstellungen entspricht, findet den Weg ins Bewusstsein, alles andere wird ausgeblendet.“ Die Autorin verspricht, die Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln zu schildern – und gibt dann auf 170 Seiten ein Musterbeispiel jener selektiven Wahrnehmung, die sie kritisiert.

"Was Putin getan hat, ist keine Landnahme, sondern Notwehr"

Die Annexion der Krim durch Russland verteidigt Krone-Schmalz vehement. „Was Putin getan hat, ist keine Landnahme, sondern Notwehr unter Zeitdruck.“ Der Westen habe die Bedeutung der Krim für Russland falsch eingeschätzt. Dass russische Soldaten dort strategisch wichtige Gebäude besetzten, bleibt praktisch unerwähnt. Über die Besetzung des Parlaments heißt es nur: „Getarnte russische Streitkräfte sollen laut Kiew auch beteiligt gewesen sein, was Moskau bestreitet.“ Leider vergisst Krone-Schmalz zu erwähnen, dass Putin später selbst den Einsatz russischer Soldaten auf der Krim zugab.

Die Autorin beklagt sich, in einer Schublade mit „dubiosen Verschwörungstheoretikern“ zu landen – und befeuert mit ihrem Buch Verschwörungstheorien, etwa wenn sie sich beklagt, dass niemand frage, warum die ukrainischen Regierungstruppen nach dem Abschuss des Flugzeugs MH17 weitergekämpft hätten. „Ist die Sorge so groß, dass am Unglücksort Dinge gefunden werden könnten, die der gängigen Lesart den Boden entziehen?“ Krone-Schmalz erwähnt, dass nach der Lektüre des vorläufigen Berichts der offiziellen Untersuchungskommission „eindeutige Aussagen über die Urheberschaft nicht möglich“ seien. Unerwähnt lässt sie, dass das Mandat der Untersuchungskommission die Klärung der Schuldfrage ausklammert. Auch über umfangreiche Recherchen, die akribisch den Weg der Buk-Rakete von Russland ins Separatistengebiet und zurück nachzeichneten, verliert Krone-Schmalz kein Wort.

Wladimir Putin wird zur Lichtgestalt

Die ukrainischen Bürger kommen als Akteure bei Krone-Schmalz nicht vor. Der Ukraine sei die Wahl zwischen EU und Russland von außen aufgezwungen worden. Vieles von dem, was die Autorin hervorhebt, erinnert an Berichte im russischen Staatsfernsehen. Bereits die Orangene Revolution sei unter westlicher Regie und mit Geld aus den USA abgelaufen. Die heutige Ukraine habe es erst seit 1991 gegeben, betont die Autorin – als gäbe dies Russland das Recht, einen Teil des Nachbarlandes zu annektieren.

Breiten Raum nimmt in dem Buch die Zeit nach dem Ende der Sowjetunion ein. Sie beschreibt anschaulich, wie die Jelzin-Ära für die Russen durch die als „Schocktherapie“ bekannt gewordene Reformpolitik zur „permanenten Zerreißprobe“ wurde und Oligarchen durch eine falsche Privatisierungspolitik Geld und Macht bekamen. Vor diesem Hintergrund muss Wladimir Putin geradezu als Lichtgestalt erscheinen – zumal Krone-Schmalz kein kritisches Wort über ihn verliert. Die dritte Amtszeit Putins im Kreml mit der Rücknahme von Freiheiten und dem Druck auf Opposition, Medien und Nichtregierungsorganisationen wird komplett ausgeblendet.

Aber selbst an diesen Entwicklungen ist in der Lesart der Autorin letztlich der Westen schuld: Sie versteigt sich zu der These, es hätte keine dritte Amtszeit Putins gegeben, „wenn er während seiner ersten und zweiten bei dieser Herkulesaufgabe, das größte Land der Welt von Grund auf umzustrukturieren, von außen vertrauensvoller unterstützt worden wäre“.

– Gabriele Krone- Schmalz: Russland verstehen. Der Kampf um die Ukraine und die Arroganz des Westens. C. H. Beck, München 2015. 176 Seiten, 14,95 Euro.

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