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Die Schau „Mensch Brandenburg!“ beleuchtet verschiedene Facetten von Brandenburg. Die geplante Schließung des  Tagebaus in Welzow  gehört dazu.
© Sven Gatter
Update

Sonderausstellung in Potsdam: Den Brandenburgern in die Seele geschaut

Das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zeigt erstmals, in welche Richtung seine Neuausrichtung gehen soll. "Mensch Brandenburg!" schaut auf die letzten 30 Jahre - und kommt den Brandenburgern sehr nah. 

Potsdam - Wie erzählt man 30 Jahre Geschichte von zweieinhalb Millionen Menschen? Ein Ding der Unmöglichkeit, und doch versucht das Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte (HBPG) in seiner neuen Sonderausstellung eben das. Der Titel, ein Stoßseufzer: "Mensch Brandenburg!" Der Untertitel gibt zugleich die Antwort auf die Eingangsfrage. "30 Jahre, 30 Orte, 30 Geschichten": Man erzählt das Unmögliche, in dem man sich märkisch bescheidet. Auswählt. Weglässt.

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Und so ist der erste Eindruck beim Betreten der Schau dann auch: Luft. Holzskulpturen in Naturfarben, lose verteilt im Raum: eine Sitzecke, das Stück eines Geländers, ein großer Halbbogen, der sich bei genauem Hinsehen als Umriss eines Schaufelradbaggers entpuppt. Keine Textwände, bis auf einen großen Überblick im Eingangsbereich: Hier sind Eckdaten der letzten 30 Jahre aufgeführt. Die Neugründung Brandenburgs als Bundesland am 3. Oktober 1990. Das Oderhochwasser 1997. Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses 2014. Die brennenden Wälder Brandenburgs 2019. 

Museum als Erlebnisraum. Das HBPG will Vermitteln durch Interaktion, mit Exponaten zum Anfassen, Begreifen und Erleben.
Museum als Erlebnisraum. Das HBPG will Vermitteln durch Interaktion, mit Exponaten zum Anfassen, Begreifen und Erleben.
© Andreas Klaer

Als "einen Essay wie von leichter Hand, der es in sich hat" beschreibt Kurt Winkler, Direktor des HBPG, die Ausstellung. Er hat Recht. Es ist die erste Schau, seitdem das Haus zu Jahresbeginn für Umbauarbeiten gänzlich schloss. Sie markiert einen Zwischenschritt in der Transformation, die das HBPG seit zwei Jahren durchläuft. Drei weitere wird sie noch dauern, bis es seine künftige Form gefunden hat: als Education Center. Interaktiv, jung, zukunftweisend, so die Idee.

Museum als Erlebnisraum

An "Mensch Brandenburg!" kann man ablesen, wohin die Reise gehen soll. Museum als Erlebnisraum. "Mach deine Hände schmutzig!" fordert ein Schild auf. "Fasse Millionen Jahre Geschichte an!" Davor ein Haufen Braunkohle. Sie fühlt sich an wie morsches Holz. An anderer Stelle kann man Potsdamer Punk hören, Memory mit märkischen Gemüsesorten spielen oder in die Sterne schauen. 

Potsdam-Geschichte und Geschichten, wie das "Schwarzwohnen" in leeren Häusern der Stadt.
Potsdam-Geschichte und Geschichten, wie das "Schwarzwohnen" in leeren Häusern der Stadt.
© Andreas Klaer

Was auf den ersten Blick wirkt wie ein improvisierter Spielplatz der Geschichte, erweist sich als genaue, klug komponierte Struktur. 30 Orte von Wittenberge bis Horno und von Finsterwalde bis Zehdenick: Dazu 30 Themen von Bio-Anbau über Windkraft bis zur Treuhand, erzählt anhand von 30 persönlichen Geschichten. Die über das Hochwasser 1997 kommt von  "Deichgraf" Matthias Platzeck.

Die 30 Holzinstallationen zeigen motivisch das, worum es an der jeweiligen Station geht: Der Schaufelradbagger verweist auf Welzow, wo 2038 Schluss sein soll mit dem Braunkohleabbau. Ein Bagger aus Lego ist hier zu sehen. Ebenso wie, eine spannende Volte von Ost nach West, die filmische Hommage von Schülern aus einem ehemaligen Braunkohlegebiet in Hessen: Lego-Figuren und ein Bagger. Dazu Gerhard Gundermanns Lied "Brigitta". 

Keine Schau zu 30 Jahren Deutsche Einheit

"Mensch Brandenburg!" will ausdrücklich keine Schau zu 30 Jahren Deutscher Einheit sein, sagt Kuratorin Florentine Schmidtmann. Aber natürlich ist sie es am Rande doch. Die deutsche Geschichte hat die Geschichten dieser Menschen geprägt. Hat Arbeitslosigkeit gebracht, Abbau, aber auch neue Initiativen. Mathias Hohmann aus Premnitz etwa, war 1992 Mitglied des Betriebsrats im dortigen Chemiefaserwerk, als er 2200 Kündigungen vorgesetzt bekam - und dagegen zum Streik aufrief. Die Folie, mit der damals die Fabriktore blockiert wurden, ist in der Ausstellung zu sehen. Das Werk arbeitet noch.

Es sind nicht nur Erfolgsgeschichten, die hier erzählt werden - aber auch. Und es sind nicht immer die naheliegendsten. "Kulturland" ist nicht das Thema aus Rheinsberg, sondern aus Klein Leppin. Aus Rheinsberg erzählt hingegen der Ingenieur Jörg Möller die Geschichte des Kernkraftwerkes, das sein Vater einst mit aufbaute. Er baut es jetzt wieder ab.

Und Potsdam ist mit einer Facette vertreten, die man noch weniger erwartet haben dürfte: "Schwarzwohnen". Erinnert wird an die Zeit in den 1990-er Jahren, als die Landeshauptstadt Hochburg der Hausbesetzerszene war. "Ohne die Besetzungen damals würde es das Holländische Viertel heute so nicht geben", sagt Helen Thein-Peitsch, Mitarbeiterin am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, in einem Film. Sie war damals unter den Hausbesetzern. Die Besetzungen hielten die leeren Häuser notdürftig in Stand, so ihre These. Auch fabrik und Waschhaus gäbe es ohne die Besetzungen jener Jahre nicht.

Am Ende der Schau kann man per Touchscreen in die Geschichten der Interviewten eintauchen. In die des jungen Biolandwirts aus Letschin, der Start-Up-Gründerin aus Klein Glien, der Polizeipräsidentin aus Eberswalde. Diese Gespräche sind das Herz der Ausstellung. Es schlägt multimedial.

Lena Schneider

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