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Wolfgang Joop im Museum Barberini.
© Sebastian Gabsch

Wolfgang Joop zu Besuch im Barberini: Das Bild aus dem Backofen

Der Potsdamer Modeschöpfer Wolfgang Joop begann seine Laufbahn als Restaurator und Maler. Mit Kunsthistorikerin Lisa Zeitz sprach er im Museum Barberini über Kunst.

Von Helena Davenport

Potsdam - Caravaggios „Narziss“ war am Mittwochabend das erste Gemälde, das sich Modeschöpfer Wolfgang Joop und Lisa Zeitz, Chefredakteurin der Zeitschrift Weltkunst, in ihrem Gespräch vornahmen. Was hätte auch besser gepasst? Das dachte sich wahrscheinlich so manch einer in den vollbesetzten Stuhlreihen im Auditorium des Museum Barberini. Joop – in ganzer Linie sportlich, mit Nadelstreifen und Sneakern – kam überraschenderweise gleich auf das Formale des Bildes zu sprechen: Wie ein Buch sei es konzipiert, mit einem Falz, der Linie nämlich, die Realität und Spiegelbild voneinander trennt. Allein die Hand des Jünglings aus der antiken Mythologie durchbreche ebendiese Grenze: „Man sieht ihn selbstverloren in sein eigenes Bild eintauchen, er wollte sich gerade küssen – und schon ist der Moment vorbei.“ Das Gemälde aus dem 16. Jahrhundert spiegele eindrucksvoll die Tragik der Menschheit wieder: „Wir sehen uns nur eindimensional“, sagte der 74-Jährige.

Caravaggio habe hier wirklich wunderbar komponiert, entgegnete Zeitz, ganz in Rot an diesem Abend. Es scheine fast so als würde Narziss mit seinem Spiegelbild verschmelzen, so wie man Liebende zu der Zeit des Frühbarocks eben dargestellt hätte, allerdings würde der Jüngling dann jämmerlich ertrinken. „Er ist so selbstverliebt wie die Mode“, sagte Joop. Auch sie sei verstrickt, eine „twisted person“, verrate denjenigen, der sie trägt. „Und auch sie ist eine Illusion“, so der Potsdamer. „Sie ist nur faszinierend, wenn sie weit entfernt ist, unbezahlbar.“

Der Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop hat in Braunschweig Kunstpädagogik studiert und sammelt auch leidenschaftlich.
Der Potsdamer Modedesigner Wolfgang Joop hat in Braunschweig Kunstpädagogik studiert und sammelt auch leidenschaftlich.
© Sebastian Gabsch

Museumsdirektorin Ortrud Westheider hatte Joop zuvor vorgestellt, wie ihn vielleicht nicht jeder kennt. Als jemanden, der in Braunschweig Kunstpädagogik studiert hat, dort als Restaurator und Maler tätig war. „Kreativität ist ja nicht gleich eine Krankheit“, zitierte Joop später seinen im Februar verstorbenen Kollegen Karl Lagerfeld. Sowieso verstand er es am Mittwochabend ganz vorzüglich, seine Gäste mit schneidigen Sprüchen und Anekdoten aus seinem Leben zu betören. Nur manchmal wurde es etwas bunt, etwa als der Designer seiner Gesprächspartnerin immer wieder ins Wort fiel.

Mit 15, 16 Jahren habe er in Braunschweig angefangen zu restaurieren, erzählte der Modeschöpfer. Hierbei lernte er ganz genau, was bei einem Alterungsprozess passiert. Er habe sogar das Alter von der Fliegenscheiße auf dem Bild anhand ihrer Farblichkeit bestimmen können. Irgendwann jedenfalls, berichtete Joop, habe er dann begonnen, den Alterungsprozess bei seinen eigenen Bildern – meist Blumen-Stillleben – künstlich hervorzurufen. Sein Gemälde musste dafür zunächst in den mütterlichen Backofen oder wurde ausdauernd geföhnt, um dann von seinem Urheber mit Staub versehen zu werden. Letzteren habe er bei anderen Leuten auf dem Dachboden gesammelt, berichtete Joop unter dem Gelächter seines Publikums. Ein paar Male sei er vor dem Backofen eingeschlafen, sodass er eins der Bilder anschließend zwei Male restaurieren musste.

Barberini-Chefin Ortrud Westheider, Wolfgang Joop und Lisa Zeitz. 
Barberini-Chefin Ortrud Westheider, Wolfgang Joop und Lisa Zeitz. 
© Sebastian Gabsch

Erfolg hatte er mit seinen Werken trotzdem: Irgendwann brachte er eins seiner Werke an den Mann, zunächst zur Schätzung. Nach Wochen habe sich der Käufer endlich wieder gemeldet: „Ich muss Ihnen sagen, das Bild ist echt, aus dem 17. Jahrhundert“, habe der gesagt. Man sei nur sehr verwundert darüber gewesen, dass die Signatur fehlte. Joop war das egal: Es gab 7000 Deutsche Mark. „Warum haben Sie es nicht behalten, heute wäre es doch viel wertvoller“, fragte Zeitz darauf lachend. „So ein echter Joop aus dem 17. Jahrhundert.“

Beide sprachen noch über weitere Werke der aktuellen Barberini-Ausstellung „Wege des Barock“. Über den Schutzengel von Pietro da Cortona zum Beispiel, der komischerweise vorchristliche Mode trage. „Noch viel mehr Stoff, als die Römer“, so Joop. Oder über „Lukretia und Sextus Tarquinius“ von der Malerin Artemisia Gentileschi. Hoch erotisch sei das, so Joop, aber er frage sich, warum sich Lukretia vor ihrer Vergewaltigung ausgezogen hätte, da stimme doch etwas nicht. „Sie war nackt, weil sie in ihrem eigenen Bett lag“, antwortete Zeitz. Ob sie dort einen Film gedreht hätte?, fragte darauf Joop. Beide sprachen aber auch über das Kunstsammeln und den „völlig verrückten“ Kunstmarkt – hier waren sich beide einig. Käufer würden ganz ohne kulturellen Background horrende Summen für Kunst ausgeben, stellte Joop fest. Zeitz entgegnete, ihr wäre das lieber, als würden dieselben Wälder abholzen, um darauf teuer zu bauen. „Und dadurch wird immerhin deutlich, wie wertvoll Kunst ist.“

Außerdem erzählte Joop von der Zeit, als er an der Universität der Künste Berlin Mode unterrichtete und von den „gelangweilten Studenten“ verlangt habe, zu zeichnen. Und über sein jüngstes Buch natürlich, „Die einzig mögliche Zeit“, seine Autobiografie, die am 17. September erscheint. Ganze 496 Seiten ist sie lang. Er habe alles mit der Hand aufgeschrieben, sagte Joop. „Ich bin weder Kunsthistoriker, noch Maler, noch nicht mal ein richtiger Modeschöpfer“, schloss er dann den Abend. Er berichte aus dem Zwischenbereich – und das klinge oft ganz anders als erwartet. Stimmt. Ein etwas anderer, aber sehr vergnüglicher Abend.

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