zum Hauptinhalt
Grötzinger hält seine Corona-Tage bildhaft fest, sein unterbeschäftigter Protagonist taucht als Alter Ego immer wieder auf.
© Frohmann Verlag

Corona in der Kunst: Anzüge bügeln, auf Ideen warten

„Blogdown“ – ein Corona-Tagebuch des Berliner Künstlers Philip Grözinger und von Georg Diez.

Was man so macht, wenn Draußensein untersagt ist. Philip Grözinger zeichnet sein Alter Ego im Schutzanzug, das ein Eichhörnchen auf dem Balkon filmt und sich sieht das Video abends beim Bier ansieht. Georg Diez notiert seine Gedanken zum Thema Shutdown mit gleichbleibender Zähigkeit. Auch wenn die Tage sich nach einigen Wochen verdächtig gleichen: „Es schafft aber zumindest einen Raum für das Denken, und diese Räume werden ja gerade täglich, stündlich immer enger.“

Die (Auf-)Zeichnungen des Künstlers und des Autors, bald finden sie zusammen und erscheinen als Text-Bild-Medley im Frohmann Verlag: „Blogdown – Notizen zur Krise.“ Es lohnt, sich das handliche Hardcover gerade jetzt vorzunehmen. Diez und Grözinger beginnen ihre Aufzeichnungen nämlich am 18. März 2020. Ein ganzes Jahr dauert diese Pandemie bereits, und beider Zustandsbeschreibungen wirken gleichermaßen fern wie unmittelbar. Wer sie liest, durchlebt die Monate noch einmal – aus gleich drei Perspektiven.

Corona und kein Ende

„Das Leben ist angehalten, wie auf Kommando“, stellt Diez am ersten Tag fest, und Grözinger malt sich im Atelier beim Malen. Noch im Alltag verwurzelt, aber schon mit solchem Abstand, als verberge sich das Virus sprungbereit hinter der Leinwand. Wenn Diez nach der Dauer der individuellen Isolation fragt, lächeln wir milde, weil wir ein Jahr weiter und schlauer aus der Rückschau wissen, dass es kein einfaches Ende geben wird.

Wenn er dann aber schon am 21. März konstatiert, dass die Politiker:innen offensichtlich nur reagieren – während Grözingers Kerl im Schutzanzug an diesem Tag der Amsel draußen ihre Freiheit neidet –, horchen wir auf: Diez hat früh wahrgenommen, was jetzt überall Thema ist. Was wohl auch daran liegt, dass er seit langem als politischer Journalist unterwegs ist. Und während das gesichtslose Wesen auf den Bildern des Berliner Künstlers geduldig Pizzakartons stapelt, Schutzanzüge bügelt oder sich einen Ja-Nein-Vielleicht-Generator bastelt, fordert Diez von seinen Leser:innen, die leere Zeit zu nutzen: „Die Herausforderung ist es, die Rettung mit der Reform zu verbinden, klug und wach genug zu sein, die alten Fehler nicht panisch zu wiederholen.“

Wunsch und Wille driften auseinander

Schon fühlt man sich ertappt. Weniger Revolutionär denn Grözingers dem Schicksal ergebene Zeichenfigur, die auf Seite 121 im erleichterten Shutdown schon froh ist, wenn sie ein paar Galerien besuchen kann. Bis einem aufgeht, dass auch bei Diez Wunsch und Wille ganz schön auseinander driften; dass er nach Umsturz ruft und sich gleichzeitig sein altes Leben zurückwünscht. „Blogdown“ ist tatsächlich das Buch zur Krise, weil es die widerstrebenden Gefühle spiegelt; fremde wie eigene. Auf der letzten Seite zählt Grözingers Männlein wie ein Häftling die Tage. Es wird noch einige Striche an die Wand malen müssen.

„Blogdown – Notizen zur Krise“, Frohmann Verlag, 166 S., 34 Euro

Zur Startseite