Baustart für Garnisonkirche in Potsdam: Polizeieinsatz beim Garnisonkirche-Gottesdienst
Beim Gottesdienst zum Baustart des Garnisonkirchturms zeigt sich erneut, welches Konfliktpotenzial das Wiederaufbauprojekt in Potsdam birgt. Für einige war es trotz Protesten ein freudiger Tag.
Postdam - Kalter Wind, ein schwer erträglicher Gestank und lautstarker Gegenprotest – der Gottesdienst unter freiem Himmel zum Baustart für den Turm der Garnisonkirche fand am Sonntag unter Umständen statt, die alles andere als gemütlich waren. Die Sonne hatte sich in Potsdam ohnehin nur spärlich gezeigt, kurz vor Beginn des Gottesdienstes um 16 Uhr verschwand sie hinter den Dächern an der Breiten Straße.
Trotz der etwas widrigen Umstände war es für die Protagonisten und viele Besucher ein freudiger Tag. Der Baustart für Potsdams wohl umstrittenstes Wiederaufbauprojekt sei eine Zäsur, wie es Matthias Dombert, Vorsitzender der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche, nach dem Gottesdienst sagte. „Wir sind nicht am Ende. Wir fangen erst an.“
OB Jakobs: „Wir werden die Licht- und Schattenseiten der Geschichte im Gedächtnis behalten"
Auch Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) richtete den Blick in die Zukunft. Der Wiederaufbau des Kirchturms sei mehr als Stadtreparatur. „Wir werden die Licht- und Schattenseiten der Geschichte im Gedächtnis behalten und sie auch an nachfolgende Generationen vermitteln“, so Jakobs. „Verständigung beginnt vor Ort“, sagte er mit Bezug auf die Pläne, den Turm zu einem Versöhnungszentrum zu machen. Seit der „Ruf aus Potsdam“ 2004, der der Gründung der Wiederaufbaustiftung vorausging, habe sich Potsdam stark verändert. „Der Platz wird langsam knapp.“ Deshalb hoffe er auf gute Nachbarschaft mit den Künstlern und Kreativen im unmittelbar benachbarten Rechenzentrum – solange bis für sie eine andere Lösung gefunden werde.
Die Garnisonkirche nach dem Entwurf von Philipp Gerlach wurde 1735 fertiggestellt und 1945 bei einem alliierten Luftangriff zerstört. Die wiederaufbaufähige Ruine wurde 1968 in der DDR gesprengt. Der Bund fördert den Turmbau mit zwölf Millionen Euro, auch die Evangelische Kirche gibt Darlehen in Höhe von fünf Millionen Euro. Finanziert sind damit nur gut 26 Millionen für eine Rumpfversion ohne barocken Zierrat, für die Fertigstellung sind weitere zehn Millionen Euro notwendig. Stiftungssprecher Wieland Eschenburg geht davon aus, dass nach dem Baustart auch die Spendenbereitschaft wachse.
Stinkbomben und Gegenproteste stören Gottesdienst
Der Gottesdienst hatte zuvor gezeigt, welches Konfliktpotenzial das Projekt hat, das doch eigentlich versöhnen soll. Offenbar waren im Vorfeld mehrere Stinkbomben auf das Grundstück geworfen worden – vermutlich handelte es sich um Buttersäure. Die Brache vor der Nagelkreuzkapelle war dennoch mit rund 350 Menschen gut gefüllt. Doch nicht für alle davon war der Baustart für den 88-Meter-Turm der Garnisonkirche ein gutes Zeichen. Kritiker verweisen auf die Vergangenheit als preußische Militärkirche und besonders auf den sogenannten Tag von Potsdam – an dem sich Hitler und der greise Reichspräsident Hindenburg am 21. März 1933 anlässlich der Eröffnung des schon unter Bedingungen des Nazi-Terrors gewählten Reichstages vor der Garnisonkirche die Hände schüttelten. Ihre Ablehnung formulierten sie auf Plakaten: „Kein Gedenkturm für die Feinde der Demokratie“, stand beispielsweise darauf.
Mit dem Glockenläuten zum Auftakt wurden auch die Rufe der Gegendemonstranten lauter. Zwischen 50 und 75 dürften es gewesen sein. Nach Kräften versuchten sie, den Gottesdienst akustisch zu stören, riefen „Heuchler“ und „Schande“. Die meisten Besucher des Gottesdienstes versuchten den Protest zu ignorieren. Nur wenige konterten verbal: Worte wie „Idioten“, „Spinner“, „Stalinisten“ waren zu hören.
Turm der Garnisonkirche soll architektonisches Zeichen für die Stadtlandschaft in Potsdam werden
Eschenburg suchte zwar zunächst das Gespräch mit Protestierenden, gab aber schnell auf und bat die Polizei, zwei von ihnen zu entfernen. Da die Veranstaltung nicht auf öffentlichem Grund stattfand, hatte die Stiftung als Hausherrin das Recht dazu. Der Zugang zum Gelände war zuvor offen, die Polizei war mit mehreren Einsatzfahrzeugen vor Ort, hielt sich jedoch anfangs im Hintergrund. Zwei Frauen und ein Mann wurden von der Polizei des Platzes verwiesen. Eine Person bekam nach Polizeiangaben eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte.
Wolfgang Huber, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung Garnisonkirche und früherer Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, ging in seiner Predigt auch auf den Protest ein. Streit solle zivil ausgetragen werden. „Durch Trillerpfeifen werden keine Argumente ausgetauscht und durch Geschrei auch nicht“, sagte er. „Der Turm soll wieder werden, was er für Jahrhunderte war: ein architektonisches Zeichen in der Stadtlandschaft. Und er soll werden, was er noch nie war: ein Zentrum für Frieden und Versöhnung“, so Huber. Er ging auch auf die dunklen Teile der Geschichte der Garnisonkirche ein: Für die Vorbereitung einer unvergleichlichen Gewaltherrschaft sei sie zu einem symbolischen Ort geworden. „Wo sollten wir die Notwendigkeit des Friedens erkennen, wenn nicht hier, wo Einzelne auch in der Zeit der Naziherrschaft den Mut zum Widerstand fanden?“
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Hintergrund: Neue Gemeinde aus Protest gegründet
In Potsdam gibt es einigen Widerstand gegen den Wiederaufbau der Garnisonkirche. Aus Protest hat sich jetzt die Initiative „Die Nächsten“ gegründet. Die Profilgemeinde, eine Gemeinde, in der Menschen unabhängig von ihrem Wohnort Mitglied werden können, will sich am 31. Oktober offiziell formieren. Der erste Gottesdienst soll Mitte November unter einem Zeltdach direkt neben dem Baufeld gefeiert werden. „Die Nächsten“ sehen in dem Wiederaufbau der Garnisonkirche, den sie in einem Statement als „Kopiebau“ betiteln, eine unheilvolle Verquickung von „Thron und Altar“. Einem Versöhnungszentrum steht die Initiative, nach eigener Aussage, positiv gegenüber. Nicht jedoch in Form des geplanten wiederaugebauten Kirchenturms, der für sie Preußentum und Militarismus verkläre. Zu den Erstunterzeichnern gehören die Künstlerin Annette Paul, die den Schriftzug „Ceci n’est pas un château“ auf dem Landtagsgebäude entworfen hat, und Uwe Rühling, Leiter des Treffpunkts Freizeit.
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