Krebskranke Potsdamerin: Pia wünscht sich Zaubersand
Es gibt zu Weihnachten etwas Hoffnung für das siebenjährige krebskranke Potsdamer Mädchen. Ihre Therapie hat begonnen. Ein Besuch.
Kirchsteigfeld - Pia hat einen Traum. Sie sitzt am Montagnachmittag mit ihren Eltern Jeanine und Sascha Hillmann und ihren Bruder Phil im Wohnzimmer der Familie in Kirchsteigfeld vor dem Weihnachtsbaum und strahlt. „Ich hab’ mir vom Weihnachtsmann Zaubersand gewünscht“, erzählt sie, „da gehören auch ein paar unechte Dino-Knochen dazu, damit ich damit spielen kann.“ Sie wisse auch, dass ihr Wunsch erfüllt werde: „Mama und Papa haben eben so gegrinst, als ich Zaubersand gesagt habe.“
Jeanine und Sascha Hillmann, beide 33 Jahre alt, haben einen anderen Traum. Sie wünschen sich, dass der Gehirntumor, der bei ihrer sieben Jahre alten Tochter im September diagnostiziert wurde, kleiner wird. „Das hoffen wir aus tiefstem Herzen“, sagt Sascha Hillmann. „Aber wir wissen beide um den Ernst der Lage“.
Manchmal nerven die Fragen
Von seiner Krankheit ist dem Mädchen nichts anzumerken. Pia bringt ihren 18 Monate alten Bruder zur Räson, als der ein bisschen über die Stränge schlägt. Sie tollt mit der Mischlingshündin Dara und der Katze Daisy durchs Zimmer. Und sie erzählt, dass es sie „manchmal nervt“, wenn Mitschüler sie fragen, wie es ihr geht. Pia hatte im Beisein einer Schulpsychologin in einem Frage- und Antwortspiel vor allen anderen Fragen zu ihrer Erkrankung beantwortet.
Ihr Fall hat nicht nur in Potsdam für Aufsehen gesorgt. Sie hatte wie berichtet im Juli täglich über Kopfschmerzen im Hinterkopf geklagt, Ende August war ihre linke Körperhälfte wie gelähmt. Das sportliche Schulmädchen, das begeistert Fußball spielte, war plötzlich kraftlos. Am 11. September dann die Diagnose in der Berliner Charité: das sogenannte Diffuse Intrinsische Pinsgliom, kurz DIPG, hat sich in ihrem Kopf eingenistet. Ein inoperabler Gehirntumor, Lebenserwartung sechs bis neun Monate. „Es war ein Schlag ins Gesicht“, sagte Jeanine Hillmann den PNN.
Eine neue Therapie schien zunächst unbezahlbar
Erst gab es in der Charité 30 Bestrahlungen, dann grasten Freunde das Internet nach alternativen Therapien ab und wurden fündig. Im neuen DIPG Center for Expertise am Universitäts-Kinderspital im schweizerischen Zürich hatten Ärzte gute Erfahrungen mit einem neuen, in Deutschland noch nicht zugelassenen Medikament namens ONC201 gemacht. Tumore waren bei erkrankten Kindern stabil oder rückläufig und in einem Fall sogar vollständig zurückgegangen.
Allein: Weil deutsche Krankenkassen zwar die Kosten für die Bestrahlung, nicht aber für das kostspielige neue Medikament erstatten, war die Behandlung ihrer Tochter für Sascha Hillmann, Elektromeister im Potsdamer „Ernst von Bergmann“-Klinikum, und seine Frau, kaufmännische Angestellte in Elternzeit, unbezahlbar. Auf ein bis zwei Jahre wurde die Therapie mit ONC201veranschlagt – mit Kosten von mehr als 100.000 Euro. Die Hillmanns sahen nur einen Ausweg: einen Spendenaufruf.
Pias Therapie ist ein bis zwei Jahre gesichert
Was dann geschah, sprengte nicht nur die Vorstellungskraft des Ehepaars. Innerhalb von nur sechs Tagen wuchs das inzwischen abgeschaltete Spendenkonto auf einen Stand von 122.010,42 Euro. Der Betrag sichert Pias Therapie für ein bis zwei Jahre.
Sascha Hillmann ist noch immer „völlig überwältigt von diesem Ergebnis“. Er habe bisher den Eindruck gehabt, „in einer Ellbogengesellschaft zu leben, in der niemand Anteilnahme am Leben der anderen hat. Und dann das!“, sagte er am Montag.
Die Hillmanns hatten schon vor Pias Erkrankung viel durchlitten: Jeanine Hillmann überstand selbst einen Kieferhöhlenkrebs, ihr kleiner Sohn musste am Herzen operiert werden.
Sie sind demütig und bescheiden, wenn sie von dem Hoffnungsschimmer berichten, den es vor Kurzem für sie gab. Am 12. Dezember erfuhren die Hillmanns das Ergebnis einer Magnetresonanztomografie in der Charité: Der Tumor im Kopf ihrer Tochter Pia ist, wohl eine Folge der 30 Bestrahlungen in der Berliner Klinik, kleiner geworden. „Nun müssen wir darauf hoffen, dass die ONC201-Tabletten helfen“, sagt Jeanine Hillmann.
Carsten Holm