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Das ewige Duell. Jann Jakobs und Hans-Jürgen Scharfenberg.
© Andreas Klaer

Potsdams Oberbürgermeister Jakobs tritt nicht noch mal an: „Meine persönliche Entscheidung“

Macht er es noch einmal – oder geht er in Rente? Jann Jakobs’ Entschluss war mit Spannung erwartet worden. Jetzt hat er verkündet: Oberbürgermeister können andere werden. Er empfiehlt ein dickes Fell.

Potsdam - Er hat schon locker gelassen. In den vergangenen Wochen wirkte Jann Jakobs entspannt. Als könne ihn nichts mehr erschüttern. Zumindest nichts, was in Potsdam geschieht. Sein Entschluss, sich nicht ein drittes Mal als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt zur Wahl zu stellen, muss da schon festgestanden haben. Im Vertrauen, im ganz kleinen Kreis, hat er es schon länger erzählt.

Dennoch: Das Timing, das Jakobs jetzt aufmachte, hat überrascht. Fast alle. Und das war wohl auch das Kalkül. Zuletzt hatte er die Entscheidung – vielleicht seine letzte wichtige nach fast 15 Jahren als Potsdams Oberbürgermeister – für den Frühsommer angekündigt. Warum also jetzt? Warum so plötzlich?

Jakobs wollte nicht, dass ihm jemand zuvor kommt

Die Einladung zur „Erklärung“, die der Oberbürgermeister abgeben werde, ging am Montag um Schlag 18 Uhr an die Redaktionen – für 19 Uhr war der Pressetermin im Potsdamer Rathaus anberaumt, äußerst kurzfristig. Klar war: Jakobs wollte nicht, dass ihm jemand zuvor kommt. Es sei, das sagt er gleich als zweiten Satz und ausdrücklich, „meine persönliche Entscheidung“. Wer ihn gut kennt, kann hören und ihm ansehen, dass es doch ein besonderer Moment ist für ihn, auch ein bewegender. Seine Stimme ist für einige Momente nicht so fest wie sonst. „Man verlässt ja etwas“, wird er am Schluss einer Pressekonferenz sagen. Und dass die Partei ihn habe überreden wollen, noch einmal anzutreten – freilich bevor sein Entschluss bekannt war.

Dabei war Jakobs nie ein Parteisoldat. Mit den Rotwein-Runden, bei denen Brandenburgs Sozialdemokraten die Machtfragen klärten, hatte der Ostfriese nicht viel zu tun. Er gehörte nicht zum damaligen Machtzirkel um Matthias Platzeck, seinem Vorgänger im Oberbürgermeisteramt, und um Rainer Speer, der lange Jahre Potsdams SPD-Chef war. Jakobs hielt sich fern, scheinbar bewusst. Jetzt, zum Anfang seines Abschieds aber, verhält er sich vorbildlich: Er wolle der Partei, der „man ja die Funktion verdankt, die man innehat“, ausreichend Zeit geben für die Nachfolgesuche.

Schneller Aufstieg im Potsdamer Rathaus

Jakobs war selbst zu Beginn vor allem eines: der Nachfolger von Matthias Platzeck. Sein Aufstieg im Potsdamer Rathaus war ein schneller. 1993 aus Berlin-Spandau gekommen, wurde der gelernte Erzieher und studierte Diplomsoziologe Jakobs erst Jugendamtsleiter, dann 1997 Dezernent für Gesundheit, Jugend und Soziales. Er habe weder geplant noch damit gerechnet, so hat Jakobs es selbst einmal gesagt, dass er Bürgermeister, gar Oberbürgermeister Potsdams werden würde. Und schon gar nicht nach nur fünf Jahren als Beigeordneter. Doch Platzeck löste Manfred Stolpe an der Spitze des Landes ab, und der Einzige, der im Rathaus als Nachfolger infrage kam, war Jakobs.

Der heute 63-jährige Jakobs stammt aus dem ostfriesischen Eilsum, einer armen Gegend. Er ist das älteste von acht Kindern, samstags musste er daheim auf dem Feld arbeiten, Mist schichten. Sein Vater war Schmied auf der Werft – und er war Sozialdemokrat. Ein Vorbild für Jakobs. Für ihn habe nie eine Alternative zur Sozialdemokratie existiert, es sei eine Selbstverständlichkeit gewesen, sich einzumischen, sagte Jakobs einst, vor seiner zweiten Kandidatur: „Oberbürgermeister in Potsdam zu sein, das ist mir sicher nicht in die Wiege gelegt.“ Aber wäre er in der Heimat geblieben, „würde ich heute mindestens im Gemeinderat sitzen, oder ich wäre Bürgermeister der Gemeinde Krummhörn“.

Vom Ostfriesischen allerdings hat er sich weit entfernt über die Jahre. Schon bevor er zum zweiten Mal Oberbürgermeister wurde, sagte er: „Mein Job, das ist für meine Familie so was von exotisch, darüber wird gar nicht geredet.“ Er warb damals mit einem Familienfoto für sich: Zu sehen war eine Großfamilie, Babys werden auf dem Arm gehalten, Kinder tollen herum. Jann Jakobs steht ganz rechts, als einziger trägt er Anzug, es wirkte, als empfinge er eine besonders lebhafte Besucherdelegation.

Mancher klagte, dass Jakobs den Potsdamer ein wenig fremd blieb

Mancher beklagte über die Jahre, dass Jakobs gleichermaßen den Potsdamern immer ein wenig fremd blieb. Wer nicht einverstanden ist mit seiner Politik, der schimpft auf den Ostfriesen – „eben keiner von uns“. Tatsächlich traut Jakobs nur wenigen Menschen, macht vieles mit sich aus. Und jene, die ihm nah sind, kennt er sehr lange und oft auch persönlich.

Zuletzt fielen häufig Jakobs’ kluge und entschiedene Moderationen mancher Zwistigkeiten in der Stadt auf – eine Fähigkeit, die ihm viele in den Jahren zuvor nicht eben attestiert hatten. Entscheidendes Beispiel ist der Mitte-Kompromiss aus 2016, der endlich dafür sorgte, dass um das Zentrum der Stadt nicht mehr grundsätzlich gestritten wird. Die Entscheidung: Das Mercure bleibt stehen, die FH fällt. Und rund um den Alten Markt werden teilweise Sozialwohnungen gebaut. Am Montagabend sagt er klar: Er hätte seine Entscheidung jetzt nicht öffentlich gemacht, vielleicht sogar anders getroffen, wäre die Mitte-Frage nicht entschieden – hätte das Gericht das jüngste Bürgerbegehren pro Fachhochschule und Mercure durchgewunken.

Stadtwerke-Affären: Was hat Jakobs gewusst?

Dabei nahm Jakobs immer auch für sich in Anspruch, nicht sofort verstanden zu werden: Das schnelle politische Urteil konnte den stoischen Küstenmenschen nur selten in Aufruhr versetzen. Entsprechend schwer tat er sich in Krisen. Als Aufklärer konnte er selten überzeugen – er ließ oft zu viel Zeit verstreichen, bevor er sich positionierte. Zuletzt zu beobachten beim Stadtwerke-Skandal, Teil II, mit dem die komplette Führungsriege des städtischen Konzerns ausgetauscht werden musste. Jakobs ließ sich lange von den Managern und ihren Versprechungen beruhigen, hinhalten. Das war schon bei der ersten Auflage, der Stadtwerke-Affäre vor fünf Jahren, so: Jakobs hielt bis zum Schluss zum damaligen Stadtwerke-Boss Peter Paffhausen. Es war auch die Affäre, die Jakobs selbst sehr nahe kam: Was hat er gewusst? Und wann? Bis ins letzte ist das nicht geklärt. Doch gleichermaßen kamen keine Fakten ans Licht, die Verstrickungen dokumentieren würden.

Eine große Genugtuung für Jakobs ist, dass die Potsdamer Mitte so aussieht, wie sie heute aussieht. Während sich das SPD-Spitzenpersonal schon abgewandt hatte von der Idee, Potsdams Stadtschloss wieder zu errichten, am besten als Sitz des brandenburgischen Landtags, blieb Jakobs dabei. Und bekannte sich – auch, als es damit wenig zu gewinnen gab. Jakobs’ erster Anlauf, Mäzen Hasso Plattner für den Abriss des Hotels Mercure zu gewinnen, ging allerdings bekanntlich deutlich schief. Heute sagt Jakobs, über die Zukunft des Mercure müsse die nächste Generation entscheiden.

Wird Jakobs tatsächlich in Rente gehen?

So oder so: Aus Jakobs’ Sicht ist das Feld bestellt. Nicht nur sind die wichtigen Posten fast alle (neu) besetzt, die Entscheidungen getroffen. Was ihm wichtig ist: Sein vorbildliches Engagement im Sozialen und für Flüchtlinge, gegen Rechtsextreme und Fremdenfeinde – er ging zu Bürgerversammlungen, zu allen Demos gegen die Pogida.

Wird Jakobs tatsächlich in Rente gehen? Alles offen, sagt er. Eher nicht, darf man schlussfolgern nach diesem geordneten Rückzug. Fakt ist: Jakobs bleibt Potsdamer, sein neu gebautes Haus steht auf dem Campus am Jungfernsee. „Ich habe dieses Haus gekauft, weil ich hier bleiben will.“

Die Pressekonferenz zum Nachschauen:

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