zum Hauptinhalt
Barocke Pracht. Die Decke des Grottensaals im Neuen Palais wurde aufwendig restauriert. Insgesamt 1200 Schmuckelemente mussten ersetzt werden.
© A. Klaer, dpa

Grottensaal im Neuen Palais in Potsdam renoviert: Lustbarkeiten unter Muscheln und Quarzen

Der Grottensaal ist einer der kostbarsten Räume im Neuen Palaisin Potsdam. Ab heute ist er nach aufwendiger Restaurierung wieder geöffnet.

Potsdam - Die Pracht ist einfach zu verlockend. Friedrich II. genoss hier im Sommer die Kühle, der Kaiser feierte hier Weihnachten. Für Sigmund Jähn, den ersten Deutschen im All, richteten die DDR-Oberen mit stolzgeschwellter Brust ein Festbankett aus, Erich Honecker zelebrierte den 40. Jahrestag der Bodenreform. Selbst die britische Königin Elizabeth II. durfte bei ihrem ersten Potsdam-Besuch vor 23 Jahren in der edlen Umgebung tafeln: Der Grottensaal im Neuen Palais war über die Jahrhunderte hinweg Schauplatz so mancher Lustbarkeit. Zwei Jahre lang war der 600 Quadratmeter große Raum, einer der zwei großen Festsäle im Neuen Palais, für Restaurierungsarbeiten geschlossen, ab dem heutigen Mittwoch steht er Besuchern wieder offen.

Besetzt mit 24.000 Muschel- und Schneckenschalen, Kristallen, Steinen, Erzen, Fossilien, Naturalien, Edelsteinen und Mineralen, ist der Grottensaal das Prunkstück unter den 970 Zimmern im größten Schloss Friedrichs II. Für 600.000 Euro, bezahlt aus dem 155 Millionen Euro schweren Masterplan-Topf zur Sanierung bedrohter Preußenschlösser, wurde nun zunächst die kostbare Decke generalüberholt. Sie war gefährdet, weil der 600 Tonnen schwere Fußboden im darüberliegenden Marmorsaal durch die marode Holzbalkendecke zu brechen drohte.

Zeit hinterließ Spuren am Grottensaal im Neuen Palais

Schuld sei der Starrsinn des Bauherrn gewesen, sagte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, bei der Wiedereröffnung am gestrigen Dienstag. Friedrich II. habe den Marmorboden ungeachtet anderslautenden Expertenrats auf die Holzbalkenkonstruktion gesetzt. Inzwischen ist die Konstruktion wie berichtet stabilisiert – eine wichtige Voraussetzung, um auch die Schäden an der Ausstattung zu beheben. Denn der Zahn der Zeit hat dem Wandschmuck ebenso zugesetzt wie die zahlreichen Feiern. Nach dem Bankett für Jähn etwa, erzählte Dorgerloh, hätten am nächsten Tag in den Wänden „einige Steine gefehlt“.

Insgesamt 1200 Schmuckelemente mussten ersetzt werden, weil sie kaputt waren oder ganz fehlten. Neben Konchylien, also Schalen von Weichtieren wie Muscheln und Schnecken, betraf das auch Quarzkristalle, Glasperlenketten, Schlacken und andere Minerale. Die Neubeschaffung erwies sich durchaus als problematisch: Viele der damals verwendeten einheimischen Muschelarten stünden heute unter Naturschutz, sagte Dorgerloh. Größtenteils wurde Ersatz aus Frankreich und Österreich angekauft, aber auch bei Fischern aus dem Havelland sei man fündig geworden. Zudem kam den Restauratoren die Umsicht des letzten Hohenzollern-Schlossherrn zugute: Kaiser Wilhelm II., der das Neue Palais als Wohnsitz nutzte, hatte eine Gesteinskammer mit Vorräten für spätere Sanierungsarbeiten anlegen lassen. Doch nicht nur Fehlstellen wurden ergänzt – die vorhandenen Applikationen mussten gereinigt und vielfach wieder sicher befestigt werden.

Deko für "Preußens Prahlerei"

Den Grundstein für die Ausschmückung des Grottensaals hatte Friedrich II. gelegt. Die Künstler Johann Melchior Kambly und Matthias Müller schufen die Dekoration für „Preußens Prahlerei“, wie der Monarch nicht ohne Selbstgefälligkeit bemerkte. Getrickst wurde dennoch: So bestehen die angeblichen Korallen an der Decke aus mit Gips verkleidetem Metall, die Korallen an den Wänden sind lediglich rot bemalte Buchenzweige.

Bundeskulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) schwärmte bei der Eröffnung vor allem für das riesige Deckengemälde, auf dem sich „Venus, Amor, die drei Grazien und Putten“ vergnügen. Das von Johann Gottfried Niedlich geschaffene Bild stehe dafür, wie „ungewöhnlich, wie exotisch sich hier Preußen gibt“, sagte Grütters. Überhaupt sei der Grottensaal im Neuen Palais, eine der „wertvollsten Schlossanlagen der Welt“, eines der besten Zeugnisse für das kulturelle Erbe Preußens, das geschützt und erhalten werden müsse.

Bund unterstützt Masterplan für Denkmalschutz

Der Bund halte eine Neuauflage des Masterplans für erforderlich und werde sich daran auch beteiligen, sagte Grütters. Dorgerloh bezifferte den Bedarf auf mindestens 300 Millionen Euro – etwa doppelt so viel, wie der Bund und die Länder Berlin und Brandenburg in den ersten Fördertopf eingezahlt hatten. Dank guter Vorplanung des Masterplan-Teams sei die Stiftung in der Lage, zehn Jahre lang mindestens 30 Millionen Euro zu verbauen, sagte Dorgerloh. Brandenburgs Kulturstaatssekretär Martin Gorholt (SPD) erklärte den PNN, das Land werde sich an einem neuen Masterplan beteiligen: „Es ist unstrittig, dass wir das mitfinanzieren wollen.“

Bedarf gibt es auch im Grottensaal. Zwar ist die Decke nun fertig, aber die ebenso reich verzierten Wände und der Fußboden harren noch ihrer Restaurierung. Insgesamt 1,3 Millionen Euro seien dafür noch einmal nötig, sagte Stiftungsrestauratorin Verena Göttel den PNN. Bezahlt werden müssten die Arbeiten aus dem zweiten Masterplan, der aber erst ab 2018 greifen würde.

Nachfolger von Friedrich II. schmückten den Saal

Gerade an den Wänden des Grottensaals finden sich viele Kostbarkeiten, die Nachfolger Friedrichs II. im Laufe der Zeit hinzufügten. So brachte etwa Alexander von Humboldt einen gewaltigen Rauchquarz von einer seiner Forschungsreisen mit, der in ein Eckrelief eingefügt wurde. In dem Schmuck über den Springbrunnen finden sich mehrere blankpolierte Scheiben versteinerter Bäume, die Kaiser Wilhelm II. als Geschenk erhielt. In einem weiteren Relief sind mehrere Quarze eingearbeitet, die der russische Zar König Friedrich Wilhelm III. als Zeichen seiner Wertschätzung überließ. „Das alles hier ist ein Mix aus Erinnerungen, privaten Devotionalien und Geschenken an die Hohenzollern“, erklärte Schlossassistentin Kathrin Külow.

Vor allem Wilhelm II. fügte dem Wandschmuck im Grottensaal gern eigene Mitbringsel hinzu. So ist in ein Relief über einer Säule ein Fragment eines Mosaiks eingearbeitet, das dem Kaiser bei einem Besuch im Nahen Osten übergeben wurde. Dabei soll es sich um einen Teil des Fußbodenmosaiks des Heiligen Grabes aus der Grabeskirche in Jerusalem handeln. Ein anderes Souvenir hat Seine Majestät womöglich selbst gesammelt – ein Stück Granit vom Nordkap. Wilhelm, der eine Schwäche für alles Maritime hatte, reiste im Sommer oft mit einer seiner Jachten nach Norwegen.

Zur Startseite