Kurztrip aufs Land: Kleine Hängepartie in Brandenburg
Was Achtjährige können, kann ich schon lange, dachte sich unsere Autorin und wagte sich in den Kletterwald Bad Saarow. Ein Bericht von Hochmut und (vergnügtem) Fall.
Dies ist eine Geschichte der Extreme, der Höhen und Tiefen, emotional und räumlich. Sie beginnt in Bad Saarow, eine Stunde Autofahrt von Berlin entfernt. Wem Kanufahren zu seicht und Tiere streicheln zu niedlich ist, den zieht es in die märkischen Baumwipfel. Mich also auch.
Seit Fernsehgucken out und Natur wieder in ist, sind in Brandenburg gleich mehrere Kletterwälder entstanden. Hat man alles ausgerechnet im Fernsehen schon mal gesehen: Familie X hat großen Spaß beim Kraxeln, ein bisschen wacklig scheint der Gang über die Drahtseile manchmal zu sein, aber selbst die Älteren mit kaputter Hüfte kommen gut gelaunt auf der nächsten Plattform an. Ist ja alles doppelt bis dreifach gesichert. Absturz unmöglich.
Mit diesem Selbstbewusstsein ausgestattet, komme ich im kleinen Wäldchen zwischen Scharmützelsee und Landstraße 412 an. Im Sommer sind hier Jung und Alt unterwegs, also wirklich: Enkel und ihre Omas und Opas - nur wenige Eltern sind zu sehen. Die anwesenden Großeltern scheinen froh zu sein, ein Ferienprogramm gefunden zu haben, das die Kleinen vermutlich Punkt acht völlig erledigt in die Betten sinken lässt. Was soll mir ein Kletterparcours anhaben, den Achtjährige meistern?
Es geht locker los: Ein Mitarbeiter erklärt unserer kleinen behelmten Runde, wie man sich sichert. Wer von Baum zu Baum, also von Plattform zu Plattform klettert, wechselt dabei auch immer das stählerne Sicherheitsseil. Einer der beiden Karabiner am Körpergurt muss stets eingehakt sein. Ist doch klar, denke ich und rolle mit den Augen wie eine Achtjährige. Wann geht's hier endlich los?
Kurz darauf beginnen wir mit einer kleinen Probekletterung zwischen zwei Plattformen in niedriger Höhe. Eine Großmutter verfällt kurz in Panik, die Enkelin lacht. Dann werden wir in die Freiheit entlassen. Es gibt acht festgelegte Parcours in drei Schwierigkeitsstufen. Der „Schmunzelsteinpfad“ ist auch für kleinere Kinder und kaputte Hüften etwas, ich will natürlich mehr. Mehr Action, mehr Höhe. Ab auf den Johannesweg, Schwierigkeitsstufe zwei für Jugendliche und Erwachsene. Aber auch hier sind viele Kinder unterwegs.
Die müssen alle furchtlos sein, denn ich muss mich erstmal überwinden. Zwischen zwei Bäumen ist eine Art Seilbahn montiert, auf der man sich hinüberschwingt. Das heißt also: ein kurzer Moment des Kontrollverlusts. Als ich noch dabei bin, die Kräfte zu berechnen, mit denen ich gegen den Stamm klatschen könnte, versetzt mir mein Ego einen Stoß, und ich fliege - wunderbar! - und lande... sicher. „Komm schon, sieht schlimmer aus, als es ist“, rufe ich meiner zitternden Begleitung zu, die sich über so viel Hochmut empört. Sorry, das muss die Höhenluft sein.
Sie treibt mich zum nächsten Pfad, dessen Symbolbild eine Spinne ist. Eine rote Drei warnt mich: höchste Schwierigkeitsstufe. Klettern für Erwachsene. Meine Begleitung möchte das Geschehen jetzt lieber von unten betrachten, aber ich lege los - und fange sofort an zu schwitzen. Eine Strickleiter führt zur ersten Plattform. Dafür braucht man Bauchmuskeln, die ich nicht habe. Irgendwie gelange ich dennoch auf die erste Plattform, mein Blick schweift über den Parcours. Wo sind die Kinder? Wo sind überhaupt die ganzen Leute? Ganz weit oben, sagt man, ist es sehr einsam. Das gilt nicht nur für Politiker und Bankmanager, sondern auch im Kletterwald. Der „Araweg“ in Bad Saarow führt angstfreie Kletterer - und die, die sich dafür halten - in Höhen von bis zu zwölf Metern, gefühlt sind es aber einhundert.
Mehr als einmal rutsche ich nun kurz von den Kletterelementen ab. Nicht immer gelingt es mir, wieder hochzukommen, manchmal muss ich mich, nur im Geschirr hängend, am Sicherheitsseil entlang weiterhangeln. Das sieht nicht elegant aus, mein Selbstbewusstsein ist dahin. Dafür habe ich jetzt einen roten Kopf und Schweißflecken. Bald stehe ich mit den Füßen auf einem schmalen Knüppel, der in der Mitte an einer Kordel befestigt ist. Beim Versuch weiterzukommen, falle ich sofort runter. Hätte ich nur vorher ein paar Liegestützen gemacht. Nun hänge ich da, schlaff und im Eimer, außerdem recht weit entfernt vom unbeschwerten Treiben auf dem „Schmunzelsteinpfad“. Meine Begleitung ist nicht zu sehen, trinkt vermutlich schon einen Kaffee im Waldbistro.
Jetzt nach Hilfe zu rufen würde bedeuten, brüllen zu müssen. Ist so viel Drama angebracht? Ich raffe mich irgendwie auf und kämpfe mich durch die Höhenwildnis. Das macht was mit einem, wenn man sonst eher der Typ ist, der nach dem Mittagessen den Aufzug zurück ins Büro nimmt. Kein Zurück, kein Komfort im Kletterwald. Ich bin jetzt ein anderer Mensch, denke ich feierlich.
Doch als ich von einer Plattform aus in ein mehrere Meter weit entferntes Netz springen soll, kapituliere ich. Da taucht meine Begleitung wieder auf, zwei Damen um die Fünfzig im Schlepptau. Sie haben Sportkleidung an und rufen mir zu: „Na los, spring! Haben wir auch gemacht, kein Problem!“ Ich gebe mir einen Ruck. Nahtod-Erfahrung. Ich schreie. Wie eine unbeholfene Hummel knalle ich ins Netz und pendle kurz vor und zurück. Keuchend komme ich auf der letzten Plattform an. Wer solche Action braucht - bitte schön. Ich gehöre ab jetzt wieder zu den Achtjährigen, Abteilung „Schmunzelsteinpfad“.
Am Boden warten meine Begleitung und die zwei bewundernswerten Damen auf mich. „Wie habt ihr das geschafft?“, frage ich, noch ganz außer Atem und halte mir die stechende Seite. Da gestehen sie es, schamlos und mit einem Grinsen: Diesen Pfad hatten sie gar nicht genommen. „Wir sind ja nicht verrückt.“
* * *
Oder-Spree. Seestraße 47, Bad Saarow, kletterwald-badsaarow.de
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