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In Potsdam sind speziell keine freien Krippen-Plätze mehr zu ergattern.
© dpa

Kita-Engpass in Potsdam: Kita-Notlage: Eltern verzweifelt, Jakobs verärgert

Am Mittwoch lädt die Stadtverwaltung Potsdam zum Kita-Gipfel: Freie Träger fordern weiter bessere Konditionen bei Kita-Neubauten. Klagen von Eltern wegen des aktuellen Engpasses gibt es derweil noch nicht.

Potsdam - Manche Eltern mussten sogar ihren Job kündigen: Angesichts des Kitaplatz-Mangels in Potsdam haben in den vergangenen Tagen etliche Potsdamer ihre Erfahrungen bei der Suche nach Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder geschildert, speziell im Krippenbereich. So zum Beispiel Kurt Preussner aus Babelsberg. Dessen Familie hat für die einjährige Tochter inzwischen zwar nach monatelanger Suche einen Platz in Aussicht – allerdings eben erst 4,5 Monate nach dem Ende der Elternzeit. „Da unsere Arbeitgeber nicht bereit sind, für einen solch langen Zeitraum unbezahlten Urlaub zu gewähren, haben wir notwendigerweise eine Arbeitsstelle kündigen müssen, um die Kindesbetreuung gewährleisten zu können“, erklärte Preussner den PNN.

Schon die Suche war ein Geduldsspiel. Direkt nach der Geburt haben Preussner und seine Frau bei mehr als zehn Kitas Bewerbungen eingereicht. Allerdings habe man dabei schon gehört, dass man sich vor Anfang des jeweiligen Schuljahres ohnehin keine größeren Hoffnungen auf einen Platz machen möge. So erhielt die Familie denn auch nur Absagen: „Der daraufhin vereinbarte Termin beim Kita-Tipp der Stadt Potsdam endete mit der Empfehlung, weiterzusuchen und die Hoffnung keinesfalls aufzugeben. Seither habe man von dieser Service-Stelle nichts mehr gehört.

Erst durch den Hinweis eines Bekannten habe man schließlich eine Kita gefunden. Die von der Stadt genannte Zahl von aktuell 23 Familien auf der erfolglosen Suche nach einem Kitaplatz verharmlose das Problem drastisch, ist sich Preussner sicher: „Diejenigen, die sich anderweitig behelfen oder klaglos bleiben, werden nirgends erfasst.“

Oberbürgermeister Jann Jakobs: Keine Krise

Ähnlich haben schon ein knappes Dutzend Leser argumentiert, auch aufgrund von Erfahrungen in ihrem Bekanntenkreis. Auch die Linke-Opposition im Stadthaus geht von einem wesentlich größeren Problem aus, wie die Fraktion zuletzt schon im Stadtparlament deutlich machte. Dennoch hat Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) auch in seiner aktuellen Kolumne unter www.potsdam.de erneut von nur 23 Familien gesprochen, denen „wir trotz Rechtsanspruches aktuell keinen Kitaplatz für ihr Kind zur Verfügung stellen konnten“. 23 von insgesamt 16 000 Plätzen, wie Jakobs erklärte. Das sei zwar misslich, „auch ich ärgere mich darüber“. Doch um eine Krise handele es sich nicht, fügte Jakobs hinzu.

Zumal im Rathaus bisher noch keine Klage von Eltern vorliegt, etwa auf Schadenersatz bei Verdienstausfall. Allerdings ist die Rechtsprechung in dem Bereich jung. So hatte das Oberlandesgericht (OLG) Dresden Mitte vergangenen Jahres in einem bundesweit beachteten Urteil entschieden, dass Eltern keinen Anspruch auf Schadensersatz für fehlende Kitaplätze haben. Geklagt hatten drei Mütter, die mangels Betreuung nicht wieder arbeiten gehen konnten. In der ersten Instanz hatte das Landgericht Leipzig die Stadt verurteilt, 15 000 Euro plus Zinsen an die Familien zu zahlen. In dem Fall entscheidet nun der Bundesgerichtshof.

Vielmehr lobte Jakobs das Erreichte. So würden heute 98 Prozent der Kinder im Alter zwischen drei Jahren und dem Eintritt in die Grundschule – und 65 Prozent der Krippenkinder – täglich eine der 120 Einrichtungen besuchen. „Mehr als 10 000 Kita-Plätze wurden in den vergangenen 14 Jahren geschaffen, weitere 1000 sollen es bis Ende 2017 sein.“ 70 Millionen Euro gebe die Stadt dafür jährlich aus.

Nach Potsdam zogen mehr Familien als gedacht

Die aktuelle Notlage war entstanden, weil deutlich mehr Familien nach Potsdam gezogen sind als gedacht – damit war nach Darstellung der Stadt ein Puffer von 500 Kita-Plätzen aufgebraucht – was Jakobs nach PNN-Informationen erst aus der Zeitung erfuhr. Zugleich hatte das Rathaus erklärt, dass die freien Träger noch 800 geplante Plätze belegen könnten, die aus verschiedenen Gründen im Moment aber nicht zur Verfügung stünden. Gerade die größeren Träger hatten aber wie berichtet betont, ihre Kitas seien voll.

In dieser Woche nun treffen sich einige Kita-Vertreter im Rathaus bei Jakobs. Am morgigen Mittwoch geht es dabei um die strittige Finanzierung von Kita-Neubauten. Die Verwaltung will die Abschreibungsfristen von neuen Kitas auf ein aus ihrer Sicht übliches Maß vergleichbarer Gebäude verlängern. Die Träger haben dagegen Widerstand angekündigt und gedroht, unter diesen Umständen keine neuen Kitas mehr zu bauen. Von der Stadt und von den Trägern berufene Wirtschaftsprüfer sollen nun einen Kompromiss ausloten. Diesen Konflikt spricht Jakobs in seiner Kolumne freilich nicht an.

Allerdings kündigte Jakobs an, dass für Eltern „gemeinsam mit den Trägern wahrscheinlich“ im Internet ein sogenannter Kita-Navigator angeboten werden soll. Dieser soll tagesaktuell freie Plätze in den Kitas anzeigen sowie Eltern, die einen Platz gefunden haben, aus den Wartelisten anderer Kitas löschen. Denn derzeit ist es häufig so: Eltern melden sich an zahlreichen Kitas an und bekommen einen Platz, sagen aber nicht allen anderen ab. Allerdings schaffe auch eine solche sicher sinnvolle Änderung keine neuen Plätze, kommentierte ein Kita-Träger hinter vorgehaltener Hand.

HintergrundExpertin: Kaum Immobilien für Eltern-Kitas

Es könnte eine Alternative zu klassischen Kita-Trägern wie der Arbeiterwohlfahrt sein: Acht der 120 Kitas in Potsdam sind sogenannte Eltern-Initiativkitas. „Diese leisten eine verlässliche und hervorragende Arbeit“, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow am Montag auf PNN-Anfrage. Allerdings haben potentielle Gründer mit einem Hauptproblem zu kämpfen: fehlende Immobilien. Das erklärte Nicole Kraft, Referentin beim Dachverband der Brandenburger Eltern-Initiativkitas und 2002 Gründerin des Montessori-Kinderhauses in Potsdam-West, den PNN. Denn für jeden Kita-Platz müsse genügend Außenfläche nachgewiesen werden, um eine Betriebserlaubnis zu erhalten. Damit hätte es größere Sozialträger, die mit genügend finanzieller Ausstattung auch neue Kitas bauen könnten, deutlich einfacher.

An fehlenden Immobilien seien in der Vergangenheit auch schon mehrere Elterninitiativen in Potsdam gescheitert, so Expertin Kraft. Stadtsprecher Brunzlow zufolge stellt außerdem der in Elternkitas bestehende kontinuierliche Wechsel von Verantwortung durchaus eine Herausforderung dar. Demnach wechseln in solchen Kitas häufiger die Vorstandsmitglieder, weil deren Kinder aus dem Kita-Alter herauswachsen. Für interessierte Eltern, die trotz der schwierigen Ausgangslage selbst eine solche Kita aufbauen wollen, biete das Jugendamt seit Jahren vier Mal im Jahr einen Informationstag an. Der nächste Termin ist am kommenden Freitag ab 10 Uhr. Die Veranstaltung findet im Sitz der Jugendbehörde in der Straße Am Palais Lichtenau 3 im Raum R 0.18 statt. Eine Anmeldung ist unter Jugendamt@Rathaus.Potsdam.de oder unter Tel.: (0331) 289 22 51 erwünscht.

Weitere Termine sind für den 15. Juli und 21. September vorgesehen. Bei den Veranstaltungen werden laut Stadtsprecher Brunzlow Voraussetzungen erläutert, wie etwa zeitliche Abläufe oder die Finanzierung. Zudem hat das Landesministerium für Bildung, Jugend und Sport auch eine Broschüre „Unternehmen Kindertagesstätten“ als Handlungsorientierung herausgegeben. Dieses Handbuch findet sich im Internet >>

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