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Umstritten. Die Garnisonkirchenstiftung will den Turm der Garnisonkirche wiedererrichten – als Versöhnungszentrum. Am Konzept dafür gibt es nun neue Kritik.
© Manfred Thomas

Innerkirchlicher Streit um Garnisonkirche Potsdam: „Kein Geld, kein Personal, vager Inhalt“

Die Martin-Niemöller-Stiftung kritisiert das Nutzungskonzept der Potsdamer Garnisonkirche – zum Ärger der Wiederaufbau-Stiftung.

Potsdam - Der kircheninterne Streit um den Wiederaufbau der Garnisonkirche ist abermals neu entflammt. Die kirchennahe Martin-Niemöller-Stiftung, die bereits im Frühjahr eine kritische Tagung zu dem Projekt in Potsdam initiiert hatte, legte nun ein neues Gutachten vor, das dem geplanten Nutzungskonzept ein verheerendes Zeugnis ausstellt. Das von einem internen Kreis der Stiftung erstellte Papier kommt zu dem Schluss, dass das Konzept der Garnisonkirchen-Stiftung „den Ansprüchen an diesen herausragenden Erinnerungsort nicht gerecht“ werde. Die Gutachter kritisieren vor allem die mangelhafte Ausstattung mit Geld und Personal für die im Garnisonkirchturm geplante Versöhnungsarbeit, zu wenig Platz für eine „anspruchsvolle Geschichtsvermittlung“, das Fehlen eines wissenschaftlichen Beirats und einen insgesamt zu vagen Inhalt des Konzeptes, das „viel Raum für einen Missbrauch dieses Gebäudes für geschichtsrevisionistische Ziele lasse“.Die Garnisonkirchen-Stiftung wollte sich mit Verweis auf den Kirchentag zunächst nicht inhaltlich äußern, übte aber ihrerseits Kritik am Vorgehen der Niemöller-Stiftung.

Die Garnisonkirche habe lediglich Personalkosten in Höhe von 167 000 Euro eingeplant

Zum Vergleich ziehen die Gutachter, darunter die Theologen Hermann Düringer und Hans Misselwitz sowie die Geschäftsführerin der Niemöller-Stiftung Claudia Sievers und Stiftungs-Vorstand Gerd Bauz, eine Reihe von Gedenkstätten heran, etwa die Stiftung Topographie des Terrors, die Gedenkstätte Deutscher Widerstand, die Stiftung Berliner Mauer und das NS-Dokumentationszentrum München. Deren finanzielle und personelle Ausstattung sei ungleich besser als das, was die Garnisonkirchen-Stiftung für die Gedenkarbeit eingeplant habe, so die Gutachter. Allein die Stiftung Topographie des Terrors, die auf dem früheren Gestapo-Gelände in Berlin eine Gedenkstätte eingerichtet hat, gebe jährlich mehr als 1,5 Millionen Euro für Veranstaltungen, Ausstellungen und Publikationen aus. 26 Mitarbeiter kümmerten sich dort um eine „qualifizierte Geschichtsvermittlung“. In der Garnisonkirche seien lediglich Personalkosten in Höhe von 167 000 Euro eingeplant. Die Summe sei sogar noch einmal geschrumpft: Im ursprünglichen Nutzungskonzept für die Garnisonkirche von 2005 seien noch 310 000 Euro vorgesehen gewesen, die für sechs Mitarbeiter ausgegeben werden sollten. In der Vorlage der Garnisonkirchen-Stiftung für die Landessynode im Frühjahr 2016 sei hingegen nur noch von drei Mitarbeitern die Rede gewesen.

Ein weiterer Vorwurf: Es seien weder Historiker noch Vertreter anderer Erinnerungsorte kontaktiert worden

Zudem reichen nach Ansicht der Niemöller-Stiftung die Räumlichkeiten in der Garnisonkirche für eine angemessene Geschichtsvermittlung nicht aus. 1200 Quadratmeter stünden insgesamt zur Verfügung, andere Gedenkstätten seien um ein Vielfaches größer. Deren inhaltliche Arbeit basiere auf Konzepten, die in langen Diskussionsprozessen in der Regel unter Einbeziehung namhafter Historiker erarbeitet worden seien. Bei der Garnisonkirche sei das nicht der Fall. Weder seien Historiker, noch Vertreter anderer Erinnerungsorte oder von NS-Opferorganisationen konsultiert worden, kritisieren die Gutachter mit Blick auf den sogenannten Tag von Potsdam am 21. März 1933, als die Nazis die Kirche für ihre Propaganda missbrauchten. Auch einen breiten öffentlichen Dialog über das Wiederaufbauprojekt habe es nicht gegeben.

Die Kritiker wollen einen "Neustart"

Die Niemöller-Stiftung plädierte für einen „Neustart“, an dem neben Vertretern der Parteien, der Parlamente und der Kirche auch Wissenschaftler, Theologen sowie die breite Öffentlichkeit beteiligt sein müssten. Zunächst gelte es, den Erinnerungsort umfassend zu erforschen und dann das Nutzungskonzept zu überarbeiten. Die Niemöller-Stiftung sprach sich letztlich für den Verzicht auf eine äußerlich originalgetreue Rekonstruktion des einstigen Wahrzeichens von Potsdam aus. Mit einem „schlichten und zugleich hochwertigen Gebäude“ ließe sich viel Geld sparen, das dann für die Forschungs- und Konzeptarbeit ausgegeben werden könnte.

Garnisonkirchen-Stiftung will Gutachten nach dem Kirchentag prüfen

Wieland Eschenburg, Vorstand der Garnisonkirchen-Stiftung, wollte zum Inhalt der Kritik am Dienstag keine Stellung nehmen. Man müsse das Gutachten zunächst prüfen. Priorität habe jetzt aber der Kirchentag. Eschenburg übte allerdings Kritik am Vorgehen der Niemöller-Stiftung. Es sei bedauerlich, dass diese – ähnlich wie bei der Tagung im März – „lieber über uns als mit uns redet“, sagte Eschenburg den PNN. Zu der Konferenz von Projektgegnern war die Garnisonkirchen-Stiftung nach eigener Aussage nicht eingeladen gewesen. Bei der Tagung hatte es scharfe, teils polemische Kritik am Wiederaufbau gegeben. So hatte etwa „Zeit“-Autor Christoph Dieckmann das Gebäude als „gotteslästerliche Bude“ bezeichnet. Im Gegenzug hatte Altbischof Wolfgang Huber, Kuratoriumsvorsitzender der Garnisonkirchen-Stiftung, der Niemöller-Stiftung vorgeworfen, das Projekt anzugreifen, ohne sich inhaltlich damit auseinandergesetzt zu haben. Die Wiedererrichtung des knapp 90 Meter hohen Barockkirchturms soll knapp 38 Millionen Euro kosten. Im Oktober soll mit dem Bau begonnen werden.

Peer Straube

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