Kaufhaus kämpft gegen Schließung: Karstadts Lage ist ernst - aber nicht hoffnungslos
Die Gespräche zur Rettung des Karstadt-Kaufhauses in Potsdams Innenstadt laufen. Das entwickelte sich zuletzt gut – dann kam Corona.
Innenstadt - Das Ringen um einen Erhalt des Potsdamer Karstadt-Kaufhauses geht weiter. Am Mittwoch, 1. Juli 2020, begann des Insolvenzverfahren für den Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof, zu dem auch die Potsdamer Filiale gehört. Es wird also ernst. Der Konzern ließ eine PNN-Anfrage zur Potsdamer Filiale am Mittwoch bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Einzelhändler in der Innenstadt sind ebenso besorgt wie Stadtverwaltung und Stadtpolitik. Am Dienstagabend diskutierte auch der Ausschuss für Bauen, Stadtentwicklung und Wirtschaft über die Lage des Warenhauses in der Brandenburger Straße und über Möglichkeiten der Unterstützung. Dabei wurde deutlich, dass die Chancen für einen Erhalt des Standorts gar nicht so schlecht sind.
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Als Überbringer der hoffnungsfrohen Botschaft war Karstadt-Filialleiter Michael Noss in die Sondersitzung des Gremiums gekommen. Und der zeichnete ein durchaus positives Bild von der Entwicklung des Warenhauses im prunkvollen Stadtpalais. Im Insolvenzverfahren werde auch betrachtet, welche Filialen zur Gesundung des Unternehmens beitragen, so Noss. „Wir sind eigentlich gesund.“ Gegen den Trend in der Branche habe das Haus im vergangenen Jahr Plus gemacht. Allerdings habe sich mittlerweile durch die Coronakrise die Situation verändert und sei schwer absehbar. Kunden seien verunsichert – beispielsweise, ob der eigene Arbeitsplatz noch sicher sei oder der geplante Urlaub überhaupt stattfinde.
Einzugsgebiet reicht bis Berlin
Karstadt kennt seine Kunden erstaunlich gut. Wie Noss erklärte, könne man über das Kundenkartensystem nachvollziehen, wo sie wohnen und was sie kaufen. Das Einzugsgebiet sei groß und reiche bis weit nach Berlin hinein. Außerdem sei die Kundschaft aus verschiedenen Schichten und Segmenten, auch internationale Gäste seien darunter. „Tagesausflügler kommen oft zu Fuß und gönnen sich mal etwas höherwertigeres“, so Noss.
Umweltbewusstere Potsdamer kämen mehrmals die Woche mit dem öffentlichen Nahverkehr, statt einmal groß einzukaufen. „Und es gibt Kunden aus der Umgebung, die würden am liebsten mit dem Auto bis vor das Regal fahren.“ Man müsse für alle etwas bieten. Entsprechend skeptisch regierte er auf Vorstöße mehrerer Stadtverordneter, die die Pläne für eine autoarme Innenstadt und die jüngste Sperrung von Nebenstraßen in der Innenstadt für den Durchgangsverkehr infrage stellten. „Es geht hier nicht um Straßensperrungen, wir haben eine komplexe Situation im Einzelhandel“, so Noss.
„Karstadt ist ein Magnet“
In der Diskussion wurde aber deutlich, dass die Stadtpolitik kaum Handlungsmöglichkeiten besitzt, um kurzfristig zu helfen. „Was die Stadt macht, ändert nichts an der Mietfrage“, sagte Steffen Pfrogner, Chef der Fraktion Die Andere. CDU-Fraktionschef Götz Friederich, der als Chef des Wirtschaftsbeirats an der Sitzung teilnahm, verwies auf die große Bedeutung des Kaufhauses für die Innenstadt. „Karstadt ist ein Magnet“, so Friederich. Die Innenstadt brauche einen attraktiven Branchenmix. Leerstand mache die Innenstadt uninteressant. So blieb am Ende nur der Appell des Ausschussvorsitzenden Wieland Niekisch (CDU) an die Eigentümer der Immobilie, die Miete so zu gestalten, dass sich das Kaufhaus gut entwickeln kann.
Wie berichtet soll es noch in dieser Woche ein weiteres Treffen von Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) mit Vertretern der Eigentümergesellschaft der Immobilie geben. Eine erste Zusammenkunft am Montag sei sehr konstruktiv verlaufen. Auch Noss berichtete im Ausschuss von intensiven Gesprächen mit dem Vermieter. Es gebe aber noch kein Ergebnis. Grundsätzlich habe der Vermieter aber Verständnis für die Situation. „Ich glaube, dass wir damit ganz gut die Kurve kriegen können“, sagte Noss.
Konkurrenz aus Berlin
Sollte die Rettungsaktion keinen Erfolg haben, steht der Einzelhandel in der Innenstadt vor einem Problem. Dann könnten nicht nur die rund 100 Vollzeitstellen von insgesamt 200 Mitarbeitern im Kaufhaus selbst in Gefahr sein. Das machte auch ein Vertreter der Händlergemeinschaft AG Innenstadt im Ausschuss deutlich. Das Kaufhaus ziehe Kundschaft an, von der auch andere Einzelhändler in der Umgebung profitieren. Und die stehen ohnehin unter Druck: Wie berichtet hatten binnen Jahresfrist bereits Starbucks, C&A, WMF und auch Leonardo ihre Standorte in der Brandenburger Straße geschlossen.
Neben dem Online-Handel haben Potsdamer Geschäfte auch mit Konkurrenz aus Berlin zu kämpfen. Potsdams Wirtschaftsbeigeordneter Bernd Rubelt (parteilos) verwies darauf, dass die sogenannte Zentralität in Potsdam bei 100 liege. Der Wert gibt an, wie viel Prozent der vorhandenen Kaufkraft am Standort ausgegeben wird. „Andere Landeshauptstädte liegen bei 130.“ Zwar ziehe Potsdam auch Käufer aus dem Umland und sogar aus Berlin an, das reiche aber nicht aus. Die Coronakrise könne nun dazu führen, dass die Stadt das Einzelhandelskonzept neu überdenken muss.
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