Filmstadt Potsdam: Wie die Babelsberger Studios trotz Corona arbeiten
Im Studio Babelsberg wird wieder für Hollywood gedreht – mit enormem Sicherheitsaufwand. Das Studio könnte damit weltweit Vorbild werden. Studiochef Christoph Fisser hat dennoch große Sorgen.
Potsdam - Montags und donnerstags wird getestet. Zwei Mal wöchentlich müssen sich alle Mitarbeiter der beiden Filmcrews – insgesamt 1200 bis 1300 Menschen – in den Babelsberger Studios einem Corona-Abstrich unterziehen. Rund 20 Ärzte sind dafür vor Ort, sagte Studiochef Christoph Fisser am Dienstag am Rande eines Vor-Ort-Termins den PNN. Generell herrscht Maskenpflicht, selbst innerhalb einer Produktion gelten strenge Zutrittsbeschränkungen, farbige Bänder um den Hals signalisieren, welche Mitarbeiter sich wo aufhalten dürfen. Damit alles eingehalten wird, sind zusätzliche Sicherheitsleute im Einsatz. Wegen Corona sei sogar eine neue Berufsgruppe entstanden, so Fisser: Der „Covid-Captain“, der für die Planung und Einhaltung der Covid-Hygieneregelungen verantwortlich ist. Allein 70 bis 80 Personen pro Produktion sind in diesem Bereich tätig. „Das Studio ist momentan einer der sichersten Orte“, ist Fisser überzeugt.
"Die ganze Welt schaut auf uns"
Und das muss er auch sein. Studio Babelsberg ist laut Fisser momentan weltweit das einzige Großstudio, in dem wieder Dreharbeiten stattfinden. Wie berichtet war in der vergangenen Woche die erste Klappe für den Actionfilm „Uncharted“ mit den Hollywoodstars Mark Wahlberg und Tom Holland gefallen, zudem laufen Vordrehs für die Fortsetzung der „Matrix“-Trilogie von Regisseurin Lana Wachowski, für den Keanu Reeves bald in Babelsberg vor der Kamera stehen soll.
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In der Branche ist man nun gespannt, wie das Babelsberger Modell läuft. Fisser bekommt Zuspruch und viele Nachrichten von internationalen Kollegen, wie er berichtet: „Die ganze Welt schaut auf uns“, sagt er. „Wenn wir gut durchkommen, dann wird sich das für den Standort positiv bemerkbar machen.“
Die Branche ist wegen der Coronapandemie in einem "Teufelskreislauf"
Alles andere wäre, auch das ist Fisser klar, eine mittlere Katastrophe. Krankheits- oder Quarantänefälle im Team können teuer zu Buche schlagen. Jeder verlorene Drehtag kostet Millionen. Und einen zweiten kompletten Abbruch der Dreharbeiten, so wie im März, als es auch die Studiochefs kalt erwischte, „werden die Produktionen finanziell nicht überstehen“, sagt er. Dennoch ist Fisser zuversichtlich, dass die Studios das Pandemiejahr 2020 wirtschaftlich bewältigen: „Selbst im kompletten Lockdown wären wir mit einem blauen Auge davongekommen.“
Umso größere Sorge bereitet ihm aber der Blick in die Zukunft. Fisser spricht von einem „Teufelskreislauf“, der durch die Corona-Pandemie in Gang gekommen ist. Er befürchtet eine Welle von Insolvenzen bei Kinos, Verleihern und Produktionsfirmen. „Kino wird komplett einbrechen“, sagt er voraus: „Wir blicken in eine sehr ungewisse Zukunft.“
Kinos bleiben leer, Starttermine werden verschoben, Projekte scheitern an der Versicherung
Betroffen seien nicht nur die Kinobetreiber, denen das Geschäft weggebrochen ist, weil sie nur einen Bruchteil der verfügbaren Plätze füllen dürfen und der finanziell wichtige Verkauf von Snacks unter Corona-Bedingungen schwieriger geworden ist. Auch Verleiher und Produktionsfirmen leiden, weil sie in kaum gefüllten Kinos nicht die erhofften – und nötigen – Einnahmen erzielen können. Das werde vor allem zulasten von Arthouse-Produktionen oder auch deutschen Filmen gehen, die den einnahmeträchtigeren Blockbustern weichen müssen, die deutlich länger als bisher im Programm bleiben müssten, damit die Kosten eingespielt werden können, meint Fisser: „Ich befürchte, dass viele Filme keine Chance mehr haben, ins Kino zu kommen.“
Bei bereits fertigen Babelsberg-Produktionen mache sich das schon bemerkbar: So ist der Starttermin für „The French Dispatch“ von Wes Anderson, der im Programm des – praktisch ausgefallenen – Filmfestivals in Cannes war, schon zweimal verschoben worden. Momentan ist wieder offen, wann er in die Kinos kommt. Auch für den 2019 im Studio entstandenen Actionthriller „Gunpowder Milkshake“ gibt es keinen Starttermin.
Die Filmförderung ist nicht auf Produktionen für Streamingdienste ausgelegt
Zusätzlich gibt es ein Versicherungsproblem, erklärt Fisser: Filmproduktionen sind zur Zwischenfinanzierung auf Banken angewiesen – und Versicherer, die für die Fertigstellung garantieren. Die gibt es in Corona-Zeiten aber nicht. Also müssen Projekte geschoben werden. Die vom Studio geplanten deutschen Produktionen seien bereits auf 2022 verlegt worden, so Fisser.
Eine Alternative könnten Produktionen für Internet-Streamingdienste sein – aber auf die sei das deutsche Filmförderungssystem nicht ausgelegt, kritisiert der Studiochef. Immer wieder bekomme man Anfragen für Projekte von großen Playern wie Netflix, Amazon, Apple TV oder Disney Plus. „Wir könnten locker für vier Jahre komplett die Bücher füllen“, sagt Fisser. Aber letztlich könne das Studio wegen der deutlich geringeren Fördergelder nicht mit der internationalen Konkurrenz mithalten. So habe man etwa das Science-Fiction-Serienprojekt „Foundation“ nach der gleichnamigen Buchserie von Isaac Asimov, ein Apple-TV-Projekt mit einem Budget von 150 Millionen Euro, an Irland verloren. In Deutschland hätte man für ein solches Riesenprojekt auf maximal 2,5 Millionen Euro Fördergeld hoffen können, sagt Fisser – in Irland gebe es das Zehnfache. Für das Überleben der Studios sei entscheidend, dass das Fördersystem angepasst wird, sagt Fisser in Richtung Bundeskulturministerium: „Da muss ein Umdenken kommen.“
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