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Zwei Kinder, die am 5. März aus der Türkei auf die griechische Insel Lesbos gekommen sind.
© Alexandros Michailidis/AP/dpa

Seebrücke verfasst "Erklärung von Lesbos": Initiative drängt auf Rettung von Flüchtlingskindern

Aus Potsdam und anderen Kommunen sowie Bundesländern wird der Ruf lauter, Flüchtlingskinder aus griechischen Lagern nach Deutschland zu holen. Die Bundesregierung setzt auf die EU.

Potsdam/Frankfurt am Main - Frierende, dreckige Kinder, umgeben von Schlamm und Müll, schauen im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos mit verheulten Augen in die Kameras. Diese Bilder kennen Zeitungsleser und Fernsehzuschauer seit Jahren. Doch die Situation in den Lagern an den EU-Außengrenzen schaffte es immer seltener in die Medien, obwohl Flüchtlingshelfer seit Jahren beklagen, dass die Zustände in den Auffanglagern immer schlechter wurden - und nun völlig zu eskalieren drohen.

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Forderungen, dass Deutschland zumindest Kinder aus dem Lager Moria aufnimmt. Auch die brandenburgischen Städte Potsdam, Frankfurt an der Oder und Teltow haben sich zur Aufnahme bereiterklärt. Die märkische Landesregierung unterstützt sie dabei. Experten zufolge wird sich die Situation in den Lagern dramatisch verschlechtern, wenn die Türkei weiter Flüchtlinge vor allem aus Syrien ungehindert Richtung Griechenland ziehen lässt.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lehnt eine Aufnahme zusätzlicher Flüchtlinge bisher ab. Zwar hat er sich dafür ausgesprochen, die Verteilung von 5.000 Kindern und Jugendlichen aus griechischen Lagern innerhalb der EU zu regeln. Doch dafür gibt es keine konkreten Zusagen. Einen deutschen Alleingang gebe es nicht, sagt der Minister.

Doch nicht nur Kirchen und Sozialverbände werben für eine schnelle humanitäre Lösung für die Kinder, sondern auch SPD, Grüne und Linkspartei. Und bei einer Abstimmung über die Aufnahme Minderjähriger hat sich am Mittwochabend im Bundestag rund ein Fünftel der Abgeordneten der Fraktion von CDU und CSU hinter einem humanitären Appell versammelt.

Kinderhilfsorganisation World Vision: "So dürfen Kinder nicht leben"

Das Lager Moria auf Lesbos ist für 3.000 Geflüchtete ausgelegt, inzwischen drängen sich dort mehr als 17.000 Menschen. Die christliche Kinderhilfsorganisation World Vision war Mitte Februar vor Ort. „Die Menschen hausen in Zelten aus Plastikplanen, schlafen in den kalten Nächten auf dem Boden, es gibt kaum Strom. Die medizinische Versorgung ist nicht gewährleistet. Vor allem die Kinder leiden unter der absoluten Perspektivlosigkeit“, schilderte der Vorstandsvorsitzende Christoph Waffenschmidt seine Beobachtungen: „So dürfen Kinder nicht leben.“

Mit ähnlich deprimierenden Eindrücken traten Fachleute der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Kommunen und der Hilfsorganisation „Seebrücke“ jüngst die Heimreise an. Auch der Potsdamer Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) war bei der Reise dabei. „Minderjährige Flüchtlinge brauchen besonderen Schutz und eine adäquate und sichere Unterbringung“, sagte der Bevollmächtigte des Rates der EKD, Prälat Martin Dutzmann - und verwies auf zahlreiche Kommunen, Kirchengemeinden und zivilgesellschaftliche Gruppen in Deutschland, „die hier helfen wollen, es aber nicht dürfen“.

Kinder müssen evakuiert werden, Familien zusammengeführt, fordert die Initiative um Mike Schubert

In einer „Erklärung von Lesbos“ fordert die Delegation, alle unbegleiteten Minderjährigen von den Inseln zu evakuieren, getrennte Familien zusammenzuführen und die kommunale Aufnahme von Flüchtlingen zu ermöglichen. „Dass wir nicht leistungsfähig genug wären, um noch mehr Menschen bei uns aufzunehmen, das sehe ich nicht“, sagt der Theologe Dutzmann.

Der Deutsche Städtetag erteilte der eigenständigen Aufnahme durch einzelne Bundesländer oder Kommunen eine klare Absage. „Rein rechtlich ist eine Antwort relativ einfach: Alle von Deutschland aufgenommenen Flüchtlinge müssen zunächst ein Asylverfahren durchlaufen, egal auf welchem Weg sie gekommen sind. Das ist der Rahmen“, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.

Juristin hält Aufnahme über die Bundesländer für zulässig

Helene Heuser, Juristin an der Universität Hamburg, widerspricht. Eine Aufnahme von Schutzsuchenden aus einem EU-Mitgliedstaat durch die Bundesländer sei rechtlich zulässig. Das regele Paragraf 23 Absatz 1 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes: Die Bundesländer dürften „Ausländer aus bestimmten Staaten oder in sonstiger Weise bestimmte[n] Ausländergruppen“ aus „völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“ aufnehmen.

„Die Landesaufnahme darf ungeachtet eines Asylverfahrens erfolgen“, folgert Heuser. Sie sei eine souveräne staatliche Entscheidung und unabhängig von einem etwaigen Asylverfahren. (epd)

Dirk Baas

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