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Potsdam Royals: Immer weiter empor

Die Potsdam Royals haben ihren ersten internationalen Titel gewonnen. Warum der EFL-Bowl gegen die Milano Seamen ein Thriller war, wieso die Potsdamer Footballer als Neuling der höchsten deutschen Liga bereits im Europapokal antreten konnten und auf welche Prämie sie sich jetzt freuen.

Niemand konnte Frederik Myrup Nielsen stoppen. Zunächst kein Verteidiger der Milano Seamen. Dann auch keiner von seinen Potsdam Royals. Der Passempfänger hatte am Samstagabend in einem Football-Thriller die letztlich entscheidenden Punkte zum 43:42 (7:7, 14:21, 7:7, 15:7)-Auswärtssieg der Royals und damit deren ersten internationalen Titelgewinn gesichert. Anschließend spurtete Nielsen – Spitzname: dänische Rakete – außer sich vor Freude über den Platz. Versuche, ihn einzufangen, schlugen fehl, als er entlang der Seitenlinie düste, wo das Potsdamer Team und dahinter rund 100 mitgereiste Royals-Fans ekstatisch jubelten. 

Brandenburgs Landeshauptstadt hat also mal wieder einen Europapokalsieger. Nach den Triumphen der Turbine-Fußballerinnen 2005 und 2010 sind es nun die königlichen Footballer, die einen Thron bestiegen haben. Den der European Football League (EFL). Es ist der zweithöchste Wettbewerb des Kontinents in dieser hierzulande – und erst recht in Potsdam – boomenden US-Sportart. „Wie oft ich den Atem angehalten habe, kann ich gar nicht sagen. Das Team hat eine hervorragende Leistung gezeigt“, schwärmte Royals-Präsident Stephan Goericke nach dem dramatischen EFL-Bowl-Erfolg bei den Seemännern aus Mailand. Am heutigen Montag soll ab 18 Uhr im Restaurant „Peter Pane“ mit den Fans gebührend gefeiert werden. 

Beeindruckender Schlussspurt der Royals

Dass die Potsdamer dann an der Alten Fahrt den silbernen Cup präsentieren können, haben sie ihrer enormen Nervenstärke zu verdanken. Den Faktor Psyche hatte Cheftrainer Michael Vogt auch schon vor dem Endspiel als entscheidend genannt. „Am Ende wird sich der durchsetzen, der unter Druck besteht und in den kritischen Momenten kühlen Kopf bewahrt“, prophezeite er. Seiner Mannschaft gelang dies besser als Mailand.

Dreimal waren die Gäste zunächst durch Touchdown und Kick-Extrapunkt in Führung gegangen, stets glich der amtierende italienische Meister aus und erarbeitete sich sogar eine 28:21-Halbzeitführung. Zu Beginn des letzten Viertels zogen die Hausherren auf 42:28 davon. Doch im Stadio Breda, nahe der berühmten Autorennstrecke Monza, legte Potsdam einen beeindruckenden Schlussspurt auf der Zielgeraden hin. 

„Ich fresse hier gleich mein Kissen“

30 Sekunden vor Ende der Spielzeit verkürzten die Königlichen auf 41:42. Dann wurde es episch. Statt einen Extrapunkt per Kick durch die Torstangen zu nehmen und so die Verlängerung zu erzwingen, wagte das Vogt-Team die schwierigere Erhöhung um zwei Zähler. Dafür muss der Ball erneut in die Endzone befördert werden. Die Royals schafften es. Allerdings machte ein Foul den Versuch ungültig. Er wurde wiederholt–und wegen der Strafe startete der Spielzug sogar weiter vom Zielbereich entfernt als vorher. Daraufhin wollten die Royals zunächst doch den einen Punkt bringenden Schuss probieren, entschieden sich aber noch um. „Ich fresse hier gleich mein Kissen“, schrieb ein von der Spannung aufgewühlter Zuschauer im Internet-Livestreamportal. Kurz danach durfte er vor seinem Bildschirm jubeln, denn Offensiv-Regisseur David-Austin Gahafer passte perfekt auf den sich frei gelaufenen Frederik Myrup Nielsen. Die Führung war erobert und wurde bis zum Abpfiff der über drei Stunden dauernden, hoch emotionalen Partie behauptet. „Das war ganz sicher ein Spiel, das man so nur einmal im Leben hat. Wahnsinn“, rang Goericke um Fassung.

Die Potsdam Royals haben damit ihr eigenes Märchen mit einem neuen Kapitel angereichert. Kein anderer deutscher Football-Verein kann auf solch eine rasante Entwicklung verweisen wie sie. Aus den Niederungen der Footballszene kletterten die Brandenburger binnen weniger Jahre empor, schafften 2017 den Aufstieg in die German Football League 1, mit Abstand Europas beste Spielklasse. 

Potsdamern wurde Startplatz angeboten

Doch viele werden sich fragen: Wie kann ein Erstliga-Neuling bereits im internationalen Geschäft vertreten sein? „Voriges Jahr haben wir beim europäischen Verband unser prinzipielles Interesse an einer Teilnahme geäußert. Das war gar nicht so auf die Saison 2018 gemünzt“, erklärte Coach Michael Vogt. „Plötzlich ist dann schon eine Tür offen geworden.“ Es gab freie Plätze in der EFL. Und weil die Royals mit ihrer gestiegenen Leistungsstärke sowie guter Publikumsresonanz attraktiv für den Verband wirkten, bekamen sie das Angebot, mitzumachen. Vogt: „Das haben wir dankend angenommen.“ 

Denn für den ambitionierten Club lohnt sich der Europapokalstart in vielerlei Hinsicht. „Wir haben einige international agierende Sponsoren, die uns deswegen nochmal stärker unterstützt haben“, berichtete der Cheftrainer. Unter dem Strich generiere der Verein so mit der EFL-Teilnahme einen finanziellen Zugewinn. Trotz Reisekosten und selbst ohne Verbandsprämie. Aber eine interne Prämie winkt den Royals. Für Training und Spiele pendelt der Tross zwischen dem Kirchsteigfeld, Kleinmachnow und Luftschiffhafen– samt einer Menge Sportmaterialien. Das ist mühselig. „Ein Sponsor hat angekündigt:Wenn wir die EFL gewinnen, bekommen wir ein geeignetes Transportfahrzeug als mobiles Lager“, sagte Vogt und freut sich auf die Einlösung des Versprechens. 

Ex-Royal auf Europas höchstem Football-Gipfel

Aus Trainersicht nimmt das Team auch ideell viel vom Europacupabenteuer mit. „Allen Spielern hilft das, sich weiterzuentwickeln. Wir wurden von ausländischen Top-Vereinen gefordert. Das kann einen nur nach vorne bringen“, meinte er mit Blick auf die Duelle gegen Belgiens amtierenden Vizemeister Brussels Tigers, den Schweizer Champion Calanda Broncos und abschließend die italienischen Titelträger Milano Seamen. „Diese Erfahrungen – vor allem natürlich wegen der Erfolge – werden uns auch Schwung für die nationale Meisterschaft geben.“ Dort liegen die Potsdamer nach etwa einem Drittel der Hauptrunde auf Tabellenplatz sechs der Nordstaffel und liebäugeln mit den Top 4. Der Vorstoß in diesen Bereich würde den Playoffeinzug bedeuten.

Einzig ungeschlagenes Team der Staffel ist der Deutsche Rekordmeister New Yorker Lions Braunschweig. Die Niedersachsen erklommen vorgestern wieder den höchsten Gipfel von Football-Europa. Durch ein 20:19 im Eurobowl gewannen sie zum vierten Mal in Folge die Big6-EFL, die noch wertvoller ist als das Turnier, in dem die Royals antraten. Der Braunschweiger Triumph hat aber auch eine königliche Note. Denn im Lions-Kader steht der gebürtige Potsdamer David Müller. Er wurde bei den Royals zum Nationalspieler geformt. 

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