VfL Potsdam: Im Tiefflug
Auch nach fünf Partien der aktuellen Drittliga-Handballsaison ist der VfL Potsdam noch ohne Punktgewinn. Der Frust, die Verzweiflung und Fassungslosigkeit steigen. Ein Hauptproblem liegt offenbar im mentalen Bereich, denn Trainings- und Spielleistung liegen weit auseinander.
Ausbrechender Frust und starre Fassungslosigkeit dokumentierten am Freitagabend den Umgang der Handballer vom VfL Potsdam mit ihrer derzeitigen Lage. In der heimischen MBS-Arena hatten die VfL-Adler 24:30 (12:16) gegen den TSV Burgdorf II verloren und dadurch ihren Tiefflug zu Saisonbeginn fortgesetzt. Fünf Spiele, fünf Niederlagen, als einziges Team der vier Drittliga-Staffeln noch ohne Punkt. Das setzt zu. Während Jan Piske, Dienstältester im Potsdamer Kader, nach der Partie wütend die Tür Richtung Kabinengang aufschleuderte und laut schreiend dahinter verschwand, saßen die meisten seiner Mitspieler wie versteinert an der Seitenlinie.
Auch oben im VIP-Bereich der Arena verharrte jemand noch einige Zeit auf seinem Hocker, blickte voller Enttäuschung durch die Scheibe hinab zum Feld. Alexander Haase war es, sportlicher Leiter des Clubs. „Dieser Start ist bitter“, sagte Haase später, als er seine Gedanken etwas geordnet hatte. „Ich hätte das nicht für möglich gehalten. Und da hilft es auch nicht, zu erklären, dass das Anfangsprogramm es nicht unbedingt gut mit uns meint.“ Es sei anspruchsvoll – nächsten Samstag geht es bei Tabellenführer Altenholz weiter. Aber ebenso anspruchsvoll ist der frühere brandenburgische Zweitligist auch gegenüber sich selbst.
Konsternierter Neu-Cheftrainer Daniel Deutsch
Beim Trainingsauftakt im Sommer wurde trotz der Abgänge zahlreicher Leistungsträger vom Potenzial für eine Top-5-Platzierung gesprochen. „Inzwischen ist das völlig egal, welche Ambitionen man hatte. Es muss jetzt jedem klar sein, dass wir erst einmal um jeden Punkt kämpfen müssen, um uns von den Abstiegsrängen zu entfernen“, sagte Daniel Deutsch am Ende des für ihn erneut ernüchternden Tages als VfL-Cheftrainer. Der neue Mann in der Potsdamer Coaching-Zone wirkte verzweifelt. „Ich habe mir natürlich viel mehr vorgestellt, habe gehofft, dass ich etwas Positiveres bewerkstelligen kann. Jetzt gerade in diesem Moment fühle ich mich leer“, antwortete Deutsch auf die Frage, wie er nach den ersten Wochen seiner Trainerkarriere empfinde. Und er schob konsterniert hinterher: „Es bleibt ja die Frage, ob es überhaupt eine Trainerkarriere wird.“
Ganz so düster braucht der 35-Jährige aber nicht denken. Schließlich wird ihm bislang ordentliche Arbeit attestiert. Alexander Haase lobte die „gute Trainingssteuerung“, Matti Spengler pflichtete ihm bei. „Das Training“, sagte der wendige Rückraumspieler, „ist auf hohem Niveau. Doch wir bringen das dann einfach nicht konstant ins Spiel.“
Kritik an Spieler-Körpersprache, Zuspruch für Coach
Was Daniel Deutsch unter der Woche mit seinem neu formierten Team entwickelt und dass dies durchaus Qualität hat, war am vergangenen Freitag in der Anfangsphase zu erkennen. Gegen Burgdorf II, die Nachwuchsmannschaft des aktuellen Erstliga-Überraschungsspitzenreiters, zeigte der Gastgeber vor rund 500 Zuschauern eine aggressive Abwehr und ansehnliche Angriffe. Mit viel Bewegung und Tempo kompensierte der VfL seine Nachteile in Sachen Körperhöhe und -masse. 4:1 führte Potsdam nach vier Minuten, bis zum 9:9 in der 18. Minute war es eine Partie auf Augenhöhe, doch dann folgte der Einbruch. Halbzeitübergreifend entstand eine Phase mit etlichen Patzern und 3:12 Toren aus VfL-Sicht. „Das größte Problem ist, dass, sobald wir Fehler machen, bei uns nicht mehr die nötige Fehlertoleranz gegeben ist. Statt die misslungene Aktion zu akzeptieren und positiv zu bleiben, ist gleich die absolute Verunsicherung da“, analysierte Alexander Haase, der hierbei die Körpersprache seiner Spieler kritisierte: „Die gefällt mir gerade in schwierigen Augenblicken überhaupt nicht. Das werde ich auch ansprechen.“
Seinerseits den Dialog mit der Mannschaft führen, ist laut Haase eine der wenigen unterstützenden Maßnahmen, die er dem Trainer-Neuling Daniel Deutsch bieten kann. „Ansonsten werde ich ihm nur persönlich Zuspruch geben können. Das klingt jetzt, als wäre ich ein Trainer-Opi“, sagte der Assistenzcoach der deutschen Männer-Nationalmannschaft, „aber letztlich kann kein anderer für einen Erfahrungen machen. Das geht nur alleine. Und Daniel wird seine Erfahrungen sammeln, die ihn voranbringen.“ Gleichsam gelte das für das junge Team. Von allen erwartet Alexander Haase nun Kampfgeist. Die temporäre Verzweiflung soll neuem Elan weichen, der Frust in Motivation umgewandelt werden und aus den starren Blicken ein klar gezogener Fokus hervorgehen. „Denn durch Jammern und Selbstmitleid hat bislang noch niemand eine Krise überwunden.“
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