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Keramiküberreste lassen vermuten, dass dort einst Menschen aus der gehobeneren Schicht lebten.
© Ottmar Winter

Unverhoffte Funde in Potsdam: Holzpfähle, Keramik, Adlerkopf aus Ton

Archäologen machen auf dem Gelände, auf dem einst der Lange Stall stand, erstaunliche Entdeckungen - und die Forschenden rechnen mit weiteren spannenden Funden.

Potsdam - Der Lange Stall, der einst als Reit- und Exerzierhaus an der Plantage errichtet worden war, war mit seinen 170 Metern Länge ein imposantes Gebäude. Doch nicht nur über, auch unter der Erde wies das Bauwerk beeindruckende Maße auf: Bei den archäologischen Ausgrabungen für das geplante Kreativquartier kamen über zehn Meter lange Gründungspfähle zum Vorschein – die längsten, die bisher in Potsdam gefunden wurden. „Selbst die Pfähle, die sich unter dem Barberini befanden, waren maximal sechs bis sieben Meter lang", sagt Archäologe Gerson Jeute, der die Ausgrabungen leitet.

Die Ausgrabungsfirma hatte ihre Mühe mit den gewaltigen Kiefernstämmen: Vier Tage dauerte es, um zwei der Pfähle aus dem Boden zu ziehen. Grund für die massive Konstruktion war der sumpfige Boden, auf dem der Lange Stall mit 22 Metern Breite Standfestigkeit finden musste. Das 1734 nach einem Entwurf von Pierre de Gayette errichtete Gebäude war eine ingenieurtechnische Meisterleistung, da es im Innenraum ohne Stützen auskam. Neben der gewichtigen Fachwerkkonstruktion musste das Fundament das Gewicht etlicher Pferde und Reiter tragen, die hier regelmäßig exerzierten.

Der Lange Stall wies einst beeindruckende Maße auf – selbst unter der Erde.
Der Lange Stall wies einst beeindruckende Maße auf – selbst unter der Erde.
© Ottmar Winter

Keine Hinweise auf Seiteneingänge

Erstaunlicherweise haben die Forscher:innen trotz der Größe des Langen Stalls keine Hinweise auf Seiteneingänge gefunden – das hieße, die Reiter konnten nur an den Kopfenden des Gebäudes herein- und herauskommen. „Ich stelle mir das recht unpraktisch vor", sagt Jeute. Leider existieren nicht viele Fotos von dem eingeschossigen Fachwerkbau, der 1945 mit der benachbarten Garnisonkirche in Brand geriet und später abgerissen wurde. Übrig geblieben ist nur die Schaufassade Richtung Breite Straße, die 1781 von Georg Christian Unger errichtet wurde. Auch das Haus am nördlichen Ende des Langen Stalls ist nicht mehr erhalten: Es diente den russischen Soldaten in der preußischen Armee bis 1740 als griechisch-orthodoxe Kirche.

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Der Lange Stall ist nur eines der Gebäude, das sich auf dem rund 10.000 Quadratmeter großen Gelände befand, auf dem Jeutes Team seit Oktober gräbt. Östlich des Langen Stalls sind derzeit die Fundamente der Preußischen Oberrechnungskammer aus der Mitte des 19. Jahrhunderts sichtbar. Darunter liegen noch ältere Spuren der ersten bürgerlichen Wohnbebauung aus der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. 

Wegen des nassen Grundes müssen die Forscher:innen schnell arbeiten.
Wegen des nassen Grundes müssen die Forscher:innen schnell arbeiten.
© Ottmar Winter

Auch hier versuchte man dem sumpfigen Boden Herr zu werden: „Da hinten befindet sich eine einen Meter dicke Torfschicht, dort hat man gezielt Punktfundamente mit Ziegelbögen gebaut“, sagt Jeute und zeigt auf das freiliegende Kellergewölbe. Um die Feuchtigkeit des Bodens abzuhalten, waren Kalksteine verwendet worden, zudem ist zwischen zwei Ziegelreihen der darüber liegenden Mauern eine Sperrschicht aus Teer zu sehen. Auch den Archäolog:innen macht der nasse Grund bei den Ausgrabungen Schwierigkeiten: Immer wieder laufen Gruben mit Wasser voll. „Wir müssen schnell arbeiten und schnell dokumentieren“, so Jeute.

Ausgrabungen dauern noch bis Ende Februar

Auf dem Hof des früheren Bürgerhauses fanden sich etliche Abfallgruben mit damals weggeworfenen Alltagsgegenständen: Bunt bemalte Keramik, Fragmente von Weinflaschen, Tonpfeifenköpfe und viele Schalen von Austern zeugen davon, dass hier eher die gehobene Schicht lebte. Ein besonders schönes Stück: Ein gekrönter Adlerkopf aus Ton. Einige der Weinflaschen weisen Siegelprägungen der jeweiligen Glashütten auf: „Dadurch können wir die Geschäftsbeziehungen zwischen den jeweiligen Regionen nachvollziehen“, sagt Jeute. 

Dieser Adlerkopf könnte einst einen Kamin geschmückt haben.
Dieser Adlerkopf könnte einst einen Kamin geschmückt haben.
© Ottmar Winter

Auch die Ziegel in den durchgetretenen Fußböden des Hauses weisen Siegel auf: Das Wappen von Petzow, wo sich eine Ziegelei befand. Weitere Hinweise auf die damalige Alltagskultur sind zwei Tintenfässer – Überreste der Preußischen Oberrechnungskammer? „Daran habe ich natürlich als erstes gedacht, aber man muss sagen, dass Tintenfässer damals in vielen Haushalten üblich waren“, sagt Jeute. Spatengrabespuren und kleine Gräben unter den Fußböden und in den Hofbereichen weisen auf die bis Ende des 17. Jahrhunderts dort genutzten Gärten hin. Sogar ein Stück Mittelalter wurde entdeckt: Ein zerbrochener Krug aus dem 15. Jahrhundert.

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Jeute und sein Team sind mit den bisherigen Ergebnissen zufrieden: „Wir waren sehr überrascht, dass so viel erhalten war.“ Seine erste Vermutung, dass beim Bau des Rechenzentrums und der Feuerwehr viel im Boden zerstört worden sei, hat sich nicht bestätigt: „In der DDR wurde gar nicht so viel von früheren Fundamenten beim Neubau zerstört, denn man wollte schnell bauen und hat daher flach gegründet“, sagt Jeute. Ende Februar werden die Ausgrabungen abgeschlossen sein – die Forscher:innen rechnen mit weiteren spannenden Funden.

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