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Monatlich werden über 100 neue Flüchtlinge in Potsdam-Mittelmark erwartet.
© dpa

Flüchtlinge in Babelsberg: Hilfe statt Vorbehalte

Die neue Initiative "Flüchtlingshilfe Babelsberg" will den Flüchtlingen an der „Sandscholle“ das Ankommen erleichtern. Es werden noch Freiwillige gesucht, die die Arbeit unterstützen wollen.

Potsdam - Während sich andere Anwohner rund um den Sportplatz „Sandscholle“ Sorgen um die Sicherheit ihrer Kinder und Frauen machen, will Marc Liebscher auf die Neuankömmlinge zugehen. Zusammen mit dem Leiter der Katholischen Marienschule, Thomas Rathmann, hat der Berliner Rechtsanwalt, der seit zwei Jahren in Babelsberg wohnt, jetzt die Initiative „Flüchtlingshilfe Babelsberg“ gegründet. Anlass ist das Vorhaben der Stadt, an der „Sandscholle“ knapp 100 Flüchtlinge in zwei Leichtbauhallen unterzubringen. „Ich möchte als Neu-Babelsberger einfach nachbarschaftlich integrieren helfen und Vorbehalte lassen sich nun mal am besten durch Begegnungen abbauen“, sagt Liebscher.

Elf Arbeitsgruppen für die Flüchtlinge geplant

Wie berichtet sollen in den beiden Leichtbauhallen auf dem Parkplatz des Sportgeländes insgesamt 96 Asylbewerber unterkommen, die meisten davon alleinstehende Männer. Die Unterbringung von Familien ist nicht geplant. Wie die Stadt am vergangenen Freitag auf der Anwohnerversammlung zur geplanten Flüchtlingsunterkunft mitgeteilt hatte, sollen die Hallen bis Mitte dieses Monats stehen. „Wir möchten den Menschen vor allem helfen, sich selbst zu helfen und einen selbstbestimmten Tagesablauf zu organisieren. Das A und O dabei wird sicherlich die Hilfe beim Erlernen der deutschen Sprache sein“, erklärt Liebscher.

Insgesamt elf Arbeitsgruppen haben Rathmann und Liebscher geplant. Neben der AG Sprache sollen ehrenamtliche Helfer künftig die neuen Nachbarn beim Besuch von Ärzten und Ämtern begleiten, bei der Suche nach Arbeitsplätzen und Praktika helfen und Freizeitveranstaltungen organisieren. Auch eine Fahrradwerkstatt soll aufgebaut und eine Schülerhilfe angeboten werden.

„Wir brauchen jeden, der helfen möchte“

Zunächst einmal aber brauchen Rathmann und Liebscher ausreichend Freiwillige. Insgesamt rund 300 potenzielle Helfer aus mehreren Institutionen und Einrichtungen im Stadtteil seien mit einer Rundmail angeschrieben worden, darunter etwa die Kirchen, mehrere Schulen, die Caritas und der SV Babelsberg 03, so der Rechtsanwalt. Für den kommenden Donnerstag um 18 Uhr sei ein erstes Treffen der Initiative in der Aula der Marienschule in der Straße am Espengrund geplant. „Wir brauchen jeden, der helfen möchte“, sagt Liebscher.

In diesem Jahr erwartet Potsdam wie berichtet insgesamt 2200 Flüchtlinge – 600 mehr als zuletzt erwartet. Neben der „Sandscholle“ sind an drei weiteren Standorten Leichtbauhallen geplant. Alle vier sollen noch in diesem Jahr in Betrieb genommen werden. Dazu kommen mehrere Gebäude, die zu Flüchtlingsunterkünften umfunktioniert werden sollen. Unter anderem sollen laut Stadt auch die geplante Unterkunft in der Berliner Straße 79 sowie die neuen Wohngebäude in der Straße An den Kopfweiden noch in diesem Jahr eröffnet werden.

Insgesamt kostet die Stadt die Unterbringung und Versorgung der Asylsuchenden allein dieses Jahr rund sechs Millionen Euro – das entspricht etwa 1,1 Prozent der kommunalen Gesamtausgaben. Insgesamt hat die Stadt pro Jahr Aufwendungen von mehr als 550 Millionen Euro, etwa auch für Kitas oder die Sanierung von Straßen.

 „Es gibt keinen Kulturkreis, in dem es anerkannt ist, Nachbars Kinder oder Frauen zu belästigen"

Vor allem sind es aber offenbar Fragen zur Sicherheit und das Empfinden, bei der Suche nach einem geeigneten Standort übergangen worden zu sein, was manche Anwohner rund um die „Sandscholle“ bewegt. Immer wieder wurde am Freitag die Sorge geäußert, Kinder und Frauen könnten sich künftig nicht mehr unbeschwert in der näheren Umgebung bewegen. Liebscher hält solche Vorbehalte für abwegig. „Es gibt keinen Kulturkreis, in dem es anerkannt ist, Nachbars Kinder oder Frauen zu belästigen“, meint der Mitgründer der Flüchtlingshilfe. Was die Frage der Mitbestimmung bei der Standortwahl angeht, hat er ebenfalls eine klare Meinung. Dies sei nur vergebene Zeit und Geld. „Jeder wird sagen: nicht bei mir – wie beim Bau einer Autobahn oder eines Flughafens.“

Einen ersten Eindruck von ihren neuen Nachbarn sollen sich die Babelsberger am 6. Dezember machen können. Für den Nikolaustag hat die Initiative zusammen mit dem Lindenpark ein Willkommensfest geplant. (mit Henri Kramer)

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