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Sintflutartig. Die Niederschlagsmengen von „Harvey“ sind extrem.
© dpa

Hurrikan Harvey und der Klimawandel: Harvey und die Jahrhundertflut

Potsdamer Klimaforscher sehen den Klimawandel nicht als Ursache des zerstörerischen Hurrikans "Harvey", doch der sintflutartige Extremregen in Texas sei eine Folge der Erderwärmung. Am Mittwoch hat der Sturm Louisiana erreicht.

Potsdam. Wetterextreme wie der Tropensturm „Harvey“ in Texas lassen in Zeiten des Klimawandels die Frage nach einem Zusammenhang mit der Erderwärmung aufkommen. Gewöhnlich bekommt man von Klimaforschern dazu zu hören, dass das Wetter macht was es will und von Klima überhaupt erst bei Phänomenen gesprochen wird, die über mehrere Dekaden zu beobachten sind. Die verheerenden Überschwemmungen nach „Harvey“ – Zehntausende verloren ihr Zuhause, noch mehr waren und sind ohne Strom, vielen fehlt sogar Trinkwasser, bis Dienstagabend wurden mindestens 30 Todesopfer gezählt (New York Times) – lassen aber auch die Klimaforscher aufhorchen.

Extreme Regenmengen sehr wahrscheinlich durch globale Erwärmung verschlimmert

„Der Sturm Harvey wurde nicht durch den Klimawandel verursacht, aber seine Auswirkungen“, erklärte Stefan Rahmstorf, Forschungsbereichsleiter Erdsystemanalyse am Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK) und Professor an der Universität Potsdam. „Die Sturmflut und vor allem die extremen Regenmengen wurden sehr wahrscheinlich durch die vom Menschen verursachte globale Erwärmung verschlimmert“, erklärte der Ozeanograf Rahmstorf am Montag. „Harvey“ gilt als zweitstärkster Wirbelsturm seit „Katrina“ 2005. Aber nicht seine Windgeschwindigkeiten haben den Hurrikan so gefährlich gemacht, sondern die sintflutartigen Regenfälle.

Starkregen passt ins Bild des Klimawandels

Die weltweite Zunahme von Extremregen sieht der Ozeanograf Rahmstorf als eine logische Folge der globalen Erderwärmung. Der Klimawandel sei zwar nicht die Ursache des aktuellen Tropensturms, da einzelne Wetterereignisse immer von mehrere Faktoren verursacht worden seien. Doch die extremen Niederschläge würden ins Bild des Klimawandels passen. So erwarten die Wissenschaftler, dass Extremereignisse in ihrer Häufigkeit oder in ihrem Charakter durch die globale Erwärmung verändert werden.

Eine weltweite Zunahme von Rekordwerten bei den Tagesniederschlägen wurde in einer PIK-Studie bereits 2015 nachgewiesen. Ursache für die erhöhten Regenmengen ist laut Rahmstorf zuvorderst, dass wärmere Luft größere Mengen an Wasserdampf über dem Meer aufnehmen und transportieren kann, die sich dann über Land abregnen. „Dieses Problem wird weiter zunehmen, wenn wir die globale Erwärmung durch den Ausstoß von Treibhausgasen weiter voran treiben“, so Rahmstorf.

Allgemeine Verlangsamung der Luftzirkulation beobachtet

Die Regenmengen von „Harvey“ sind extrem. Bis Dienstag waren in Houston bis über 900 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen, zum Teil über 400 Liter in 24 Stunden – der Tagesrekord in Deutschland liegt bei 312 Litern. Das Problem dabei ist vor allem die langsame Zuggeschwindigkeit des Sturms über Land. Je länger die Regenwolken über einem Gebiet zirkulieren, desto mehr Niederschlag kommt zusammen. Meteorologen sprechen mittlerweile von einer Jahrhundertflut. Eine Ursache dafür könnte ein Phänomen sein, das PIK-Forscher bereits seit Längerem beobachten: Eine allgemeine Verlangsamung der Luftzirkulation in den mittleren Breiten und Veränderungen im sogenannten Jetstream, einem Starkwindband in der unteren Atmosphäre. „Dies ist eine Folge der besonders starken Erwärmung der Arktis und kann dazu führen, dass Wettersysteme sich weniger bewegen und länger an einem Ort verharren, was gerade bei Niederschlagsextremen die Folgen deutlich verschlimmert, wie derzeit in Houston“, erklärte Rahmstorf. In den zwei Wochen, bevor „Harvey“ auf Land traf, war demnach eine starke stationäre Welle zu beobachten. Sie könnte die Rotation des Sturms verstärkt und dazu beitragen haben, dass „Harvey“ tagelang kaum voran kam. Diese Theorie ist allerdings noch wenig abgesichert.

Anstieg des Meeresspiegels verschärft Sturmfluten

Der Anstieg des Meeresspiegels um rund 20 Zentimeter seit dem späten 19. Jahrhundert – etwa durch schmelzende Gebirgsgletscher und Eisverlust in Grönland und der Antarktis – ist hingegen von der Forschung mittlerweile als Folge des Klimawandels belegt. „Dadurch wird generell das Ausmaß von Sturmfluten verschlimmert“, sagte Rahmstorf. „Bis zum Ende des Jahrhunderts wird, sollte der Klimawandel nicht wirkungsvoll begrenzt werden, ein Anstieg des globalen Meeresspiegels um bis zu einen Meter oder sogar noch mehr erwartet.“

Der Tropensturm „Harvey“ hatte nach den tagelangen beispiellosen Regenfällen über dem US-Bundesstaat Texas am Mittwoch Louisiana erreicht. Nach Angaben des Nationalen Hurrikan-Zentrums traf „Harvey“ am frühen Mittwochmorgen (Ortszeit) in der Grenzregion der beiden Nachbarstaaten zum zweiten Mal auf Land. Die Meteorologen warnten auch dort vor weiteren lebensbedrohenden Überflutungen.

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