Neues Verkehrskonzept für Potsdams Innenstadt: Händler kritisieren Verkehrskonzept
Gewerbetreibende der Friedrich-Ebert-Straße wehren sich gegen Streichung von Parkplätzen. Viele befürchten, dass Kunden wegbleiben. Auch die IHK ist nicht begeistert.
Potsdam - Viele Jahre hat die Stadtverwaltung an dem Papier gearbeitet. Das Innenstadtkonzept soll Potsdams City touristenfreundlicher und lebendiger machen, Anwohner vor Autolärm schonen, die Sicherheit für Fußgänger und Radfahrer verbessern. Doch kaum liegt das Papier auf dem Tisch, hagelt es Kritik. Vor allem Händler und Gewerbetreibende der Friedrich-Ebert-Straße und des Holländischen Viertels reiben sich an den geplanten Einschränkungen für den Autoverkehr. Unterstützung bekommen sie dabei von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Potsdam. Vergrätzt reagieren die Händler vor allem auf Überlegungen, die Friedrich-Ebert-Straße zwischen Nauener Tor und Charlottenstraße praktisch zur autofreien Zone zu machen.
Wie berichtet wird erwogen, in besagtem Abschnitt alle Parkplätze zu streichen und nur Lieferzonen auszuweisen. Für die fußgänger- und radfahrerfreundliche Umgestaltung soll in diesem Jahr eine Planungswerkstatt durchgeführt werden, an der sich Anwohner und Geschäftsleute beteiligen können. Doch schon jetzt formiert sich Widerstand.
Viele Kunden der Bäckerei Braune kommen am Wochenende mit dem Auto
Sorgen um sein Geschäft macht sich beispielsweise Werner Gniosdorz, Inhaber der seit mehr als 160 Jahren in Familienbesitz befindlichen Bäckerei Braune. Gerade am Wochenende kämen viele Kunden mit dem Auto, auch ältere und gehbehinderte Menschen, sagte er am Donnerstag den PNN. Wer eine „komplizierte Torte“ abholen wolle, sei ebenfalls aufs Auto angewiesen. Gebe es dort keine Parkplätze mehr, blieben Kunden weg. „An uns hat man dabei nicht gedacht“, beklagte Gniosdorz.
Auch Daniel Wohlert, Inhaber von Foto-Wohlert, befürchtet Umsatzeinbußen, sollten die Parkplätze wegfallen. „Das wäre schlimm“, sagte er. Viele Kunden kämen mit dem Auto, zumal er auch Pakete annehme. Ähnlich sieht es Stefan Bellin, Inhaber der Buchhandlung „Das internationale Buch“ an der Ecke Friedrich-Ebert-/Brandenburger Straße. Er habe nichts dagegen, wenn der östliche Bereich der Brandenburger Straße wie vorgesehen auch zur Fußgängerzone erklärt würde. Aber die Friedrich-Ebert- Straße durch eine Sperrung der Gutenbergstraße vom Autoverkehr abzukoppeln, sei mit einem „deutlichen Standortnachteil“ für die ansässigen Gewerbetreibenden verbunden, so Bellin. Wie berichtet prüft die Stadt die Aufstellung von Pollern oder eine Einbahnstraßenregelung für die Gutenbergstraße, um deren Nutzung als Schleichweg unmöglich zu machen. Auch Geschwindigkeitsbeschränkungen in der Innenstadt sind Teil des Konzepts, unter anderem soll in der zweiten barocken Stadterweiterung zwischen Hegelallee, Brandenburger Straße, Schopenhauerstraße und Jägerstraße künftig Tempo 20 gelten.
Reicht Tempo 30 zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern nicht aus?
Für die Friedrich-Ebert-Straße hält Bellin so etwas nicht für sinnvoll. Der Bereich sei de facto bereits jetzt verkehrsberuhigt. Das findet auch Janina Bachmann-Graffunder, Chefin des Voltaire-Hotels der NH-Kette. Tempo 30 reiche zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern völlig aus. Auch sie ist gegen den möglichen Wegfall von Parkplätzen in der Friedrich-Ebert-Straße. Ein Drittel ihrer Mitarbeiter komme aus Berlin. Nicht alle könnten und wollten öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad nutzen. Zudem müsse das Hotel immer erreichbar sein, schließlich habe das Hotel eine eigene Tiefgarage mit 41 Plätzen, die von vielen Gästen genutzt werde, sagte sie mit Blick auf die geplante Abkopplung der Gutenbergstraße vom Durchgangsverkehr. Alice Paul-Lunow, Sprecherin von der Aktionsgemeinschaft Holländisches Viertel, kritisierte, dass nicht auch die Mittel- und die Benkertstraße zu Fußgängerzonen erklärt werden sollen. Dies sei wesentlich sinnvoller, als die Friedrich-Ebert-Straße autofrei zu machen.
Unterstützung bekommen die Gewerbetreibenden von der IHK. Potsdams Zentrum müsse „für alle zu Fuß, per Fahrrad, mit dem öffentlichen Nahverkehr und mit dem Auto erreichbar sein, ohne manche davon auszuschließen oder gar gegeneinander auszuspielen“, sagte Tilo Schneider, RegionalCenter-Leiter für Potsdam/Potsdam-Mittelmark. Mache man Autofahrern in der City das Leben zu schwer, könnten zunächst die Gewerbetreibenden „die Verlierer“ sein, später die Innenstadt selbst. Denn „Handel und Gewerbe können vielleicht ohne Stadt, aber Stadt nicht ohne Handel und Gewerbe“, erklärte Schneider.
AG Innenstadt findet das neue Konzept gut
Der Dachverband der Cityhändler, die AG Innenstadt, kommt zu einer anderen Einschätzung. „Wir sehen das sehr positiv“, sagte AG-Chef Wolfgang Cornelius auf Anfrage. Das Verkehrskonzept sei eine „logische Entwicklung“, denn Innenstädte sollten nicht nur Versorgungs-, sondern auch Erlebniszentren sein. Diese Rolle hätten die gewachsenen Altstädte seit Jahrhunderten inne. Diese Funktion werde durch Verkehrseinschränkungen wieder gestärkt. Cornelius appellierte an die AG-Mitglieder, sich dem Angebot „Parken und Einkaufen“ anzuschließen, bei dem Kunden nicht nur die Kosten für ihr Parkticket, sondern auch den Preis für ihr Bus- oder Tramticket erstattet bekommen. Das sei ein Alleinstellungsmerkmal der Cityhändler, ein Pfund, mit dem man gegenüber den Kunden wuchern könne, so Cornelius. Bislang hätten sich rund 50 Händler beteiligt, es müssten aber noch mehr werden. Die Innenstadt sei hervorragend mit Tram oder Bus zu erreichen, sagte Cornelius.
Vorsichtiges Lob kommt auch vom ADAC. Eine Verkehrsberuhigung verbessere die Aufenthaltsqualität der Innenstadt und fördere so den Tourismus, sagte Jörg Becker vom ADAC Berlin-Brandenburg. Bevor Maßnahmen umgesetzt würden, müssten allerdings neue Park-and-ride-Plätze gebaut und der Nahverkehrstakt verdichtet werden. (mit Jana Haase)
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Mit einem Verkehrskonzept kann man es nicht allen recht machen. Das neue Konzept für Potsdams Innenstadt ist dennoch nötig - auch wenn die Gewerbetreibenden nicht froh darüber sind. Ein Kommentar.
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