Impfen für alle in Potsdam: Große Nachfrage, wenig Impfstoff
Die Aufhebung der Impfpriorisierung sorgt in Potsdam für Frust. Viele Impfwillige werden noch warten müssen. Erstimpftermine im Impfzentrum gibt es vorerst nur noch für gut zwei Wochen.
Potsdam - Mit Beginn dieser Woche ist die Impfpriorisierung aufgehoben. Damit kann sich jeder um einen Impftermin bemühen, unabhängig vom Alter, dem Gesundheitszustand sowie der beruflichen Tätigkeit und eines „damit zusammenhängenden signifikant erhöhten Risikos für einen schweren oder tödlichen Krankheitsverlauf“, heißt es in der überarbeiteten Impfverordnung. Das heißt, dass auch Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren geimpft werden können. Auch Betriebsärzte sollen seit Montag in die Impfkampagne einbezogen werden. Die PNN geben einen Überblick über den Start ins Impfen für alle in Potsdam.
Reicht der Impfstoff für alle aus?
Die Landesregierung will allen Brandenburgern ein Impfangebot unterbreiten. Das Problem ist die nicht ausreichende Menge an Impfstoff. Für diese Woche konnten laut Kassenärztlicher Vereinigung des Landes (KVBB) pro Arzt nur maximal 18 Dosen des Mittels von Biontech/Pfizer bestellt werden.
In der nächsten Woche sollen es dann 24 sein. Dazu kommen 20 Dosen von AstraZeneca und 25 Dosen des Impfstoffs von Johnson&Johnson. Abhängig von der Zahl der Zweitimpfungen sei es in dieser Woche möglich, dass Ärzte von Biontech/Pfizer nur ein bis zwei Ampullen und von AstraZeneca eine oder keine Ampulle für Erstimpfungen erhalten. Bei Johnson & Johnson können Ärzte mit ein bis zwei Ampullen rechnen, wenn die Zahl der bestellenden Ärzte nahezu konstant bleibt.
Was sagen die Hausärztinnen und -ärzte?
Der Frust bei den Potsdamer Hausärzt:innen ist groß: „Wir mussten in den letzten Wochen sogar mehrmals Impftermine absagen, weil zu wenig Impfstoff geliefert wurde“, sagt eine Mitarbeiterin der Praxis Tönneßen in Zentrum Ost. Konkrete Impftermine können dort vorerst nicht vergeben werden, es gibt nur eine Warteliste.
Auch in der Praxis von Verena Ernst warten rund 150 Interessenten auf eine Impfung und täglich kommen hunderte Anfragen per Telefon oder Mail dazu. „Die Aufhebung der Priorisierung wird das noch verschärfen, es ist einfach zu wenig Impfstoff da“, sagt Ernst. Hinzu komme, dass pro Impfung nur 20 Euro abgerechnet werden können. „Das ist für uns unwirtschaftlich, außerdem sind wir durch den zusätzlichen Bürokratieaufwand personell am Anschlag“, sagt Ernst. Das Impfen selber sei nicht das Problem, sondern die Bearbeitung der zahlreichen Anfragen und die Koordinierung der Termine. Sie kenne einige Hausarzt-Kolleg:innen, die das Impfen aus diesen Gründen vorerst eingestellt hätten, um sich wieder der normalen Sprechstunde zu widmen.
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Auch die Verbände sehen die Situation kritisch: „Der Wegfall der Priorisierung bringt leider keine zusätzlichen Impfdosen ins Land. Bei den Arztpraxen gab es auch bisher einen großen Andrang“, sagt Christian Wehry, Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung (KVBB). Es sei allerdings eine Erleichterung für die Ärzt:innen, nicht mehr die Berechtigung zur Impfung überprüfen zu müssen.
Die Impfstoff-Knappheit sorgt für erhebliche Probleme: „Nach wie vor erhalten die Brandenburger Hausärzte in fast allen Fällen weniger Impfstoff als gewünscht und angefordert. Leider betrifft dies zum Teil sogar fest eingeplante und zugesagte Zweitimpfungen, was zu einer massiven Belastung und Frustration für die Impfwilligen und die Praxen führt“, sagt Ingo Musche-Ambrosius, Allgemeinmediziner aus Potsdam und Mitglied im Vorstand des Hausärzteverbandes Brandenburg.
Dennoch rechnet er nicht mit einem massenhaften Ansturm von Impfwilligen, da ein Teil der Jüngeren bereits geimpft sei und außerdem klar sei, dass es wenig Impfstoff gebe. Etwas anderes beobachtet Elmar Esser, Sprecher der Landesärztekammer Brandenburg: „Brandenburger Ärzte spüren nach der Freigabe der Impfpriorisierung einen stärkeren Andrang in ihren Praxen“.
Wie ist die Lage bei den Kinderärzt:innen?
Auch für die Impfungen von Kindern und Jugendlichen ist der Impfstoff knapp, denn nur weil die Impfverordnung ihre Impfung zulässt, gibt es nicht mehr Impfstoff. So finden beispielsweise in der Potsdamer Kinderarztpraxis von Valentina Manukow in der Friedrich-Ebert-Straße derzeit nur Zweitimpfungen statt. Für Erstimpfungen habe man seit drei Wochen keinen Impfstoff erhalten, hieß es auf PNN-Anfrage. Das Interesse vieler Eltern sei groß, es gebe viele Anrufe. Allerdings halte sich die Praxis an die erwartete Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) und impfe nur Kinder und Jugendliche, die zu einer Risikogruppe gehören. Die Stiko hat bisher noch keine offizielle Stellungnahme abgegeben und ihr Chef Thomas Mertens hatte kürzlich gesagt, dass keine generelle Empfehlung für alle gesunden Kinder zu erwarten sei.
Auch Ingo Musche-Ambrosius, Allgemeinmediziner aus Potsdam und Mitglied im Vorstand des Hausärzteverbandes Brandenburg, ist skeptisch: Kinderimpfungen seien bei derzeitigem Stand des Wissens nur bei besonders hohen Risiko durch Vorerkrankungen des Kindes gerechtfertigt. Diesbezüglich erwarten er eine entsprechende Empfehlung der Stiko, die zeitnah erfolgen wird. „Unsere Praxis wird grundsätzlich keine Kinder und Jugendliche impfen, was nach meinem Kenntnisstand viele weitere genauso machen werden.“
Wie kommt man in Potsdam am besten an einen Impftermin?
Allgemeinmediziner Ingo Musche-Ambrosius empfiehlt, sich zuerst bei seiner Hausarzt-Praxis nach einem Termin umzusehen. „Dabei muss bedacht werden, dass die meisten Praxen derzeit vollständig mit Zweitimpfungen ausgelastet sind und die Sommerferien vor der Tür stehen“, so Musche-Ambrosius. Sollte man nicht schnell genug an einen Termin kommen, könne man sich an sein örtliches Impfzentrum wenden.
Dies empfiehlt auch Wehry von der KVBB: Freie Termine können online auf www.impfterminservice.de gebucht werden, auf www.impfterminradar.de gibt es zudem eine ständig aktualisierte Übersicht über alle Impfzentren und Hausarztpraxen, die gerade Impftermine zu vergeben haben. Aktuell werden hier 18 Stellen gelistet, die Impftermine vergeben können.
Wie geht es mit dem Impfzentrum weiter?
Zum 31. Juli soll die Metropolishalle in Babelsberg schließen, weil dann der Vertrag der KVBB mit dem Land ausläuft und die Stadt Potsdam wie berichtet lieber auf dezentrale Lösungen und ihr Bergmann-Klinikum setzt. Doch weil die KVBB keine Erstgeimpften an die Stadt vermittelt, müssen im Impfzentrum beide Impftermine absolviert werden – also können voraussichtlich nur noch bis zum 19. Juni Erstimpftermine im Potsdamer Zentrum vergeben werden, damit auch die Zweitimpfung gesichert ist, wie die KVBB bestätigte.
Das sind noch knapp zwei Wochen. Doch warum gibt es keine Zusammenarbeit mit der Stadt Potsdam – warum kann die KVBB die Namen der Erstgeimpften für die Folgetermine an Stadt und Klinikum übermitteln? Dazu sagte KVBB-Sprecher Wehry, dies bedeute einen „sehr hohen logistischen Mehraufwand“, den man nicht leisten könne. Die Impfungen in den Arztpraxen seien am Effizientesten, fügte er hinzu.
Derweil prüft die Stadt Potsdam für ihre eigene kommunale Impfkampagne auch den Einsatz mobiler Impfteams. Das bestätigte eine Sprecherin am Montag. Die wichtigste Impfstation soll dabei die Impfstelle des Bergmann-Klinikums sein. Derzeit werde gerade die Impfwarteliste der Stadt technisch überarbeitet für direkte Terminvergaben. Alles weitere werde noch geplant, so die Sprecherin, der Aufwand sei enorm: etwa für Bestell-, Logistik- und Lieferprozesse sowie für vielfältige Vertragsgestaltungen.