Etwas Lob, viel Kritik zur Entscheidung des Landeskonservators: Glockenspiel unter Denkmalschutz gestellt
Das Landesdenkmalamt hat Potsdam überrascht. Das umstrittene Geläut ist ab sofort ein Denkmal. Dafür gab es Kritik und Lob aus der Stadtpolitik.
Potsdam - Das umstrittene Potsdamer Glockenspiel ist unter Denkmalschutz gestellt worden. Wie Brandenburgs Landeskonservator Thomas Drachenberg den PNN bestätigte, sei das Objekt seit dem 19. Juli in der Denkmalliste des Landes Brandenburg eingetragen. Laut Begründung des Landesamts für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum (BLDAM) handelt es sich um ein Denkmal der jüngeren Zeitgeschichte. Mit der Eintragung in die Denkmalliste ist der Eigentümer des Glockenspiels, die Stadt Potsdam, verpflichtet, den Erhalt des Objekts sicherzustellen. Die Reaktionen auf den Denkmalschutz des Carillon-Nachbaus fielen zwiespältig aus.
Denkmalprüfung auf Antrag eines unbekannten Dritten
Landeskonservator Drachenberg bestätigte auf PNN-Nachfrage, das man auf Antrag eines Dritten die Prüfung auf Denkmalschutz vorgenommen habe. „Der Antrag ging im April ein“, so Drachenberg, der den Namen des Antragstellers auch auf Nachfrage nicht nannte. Das Objekt habe sowohl „einen geschichtsideologischen als auch einen Wert als Musikinstrument“, erklärte er. Gehe ein Antrag auf Unterschutzstellung beim Denkmalamt ein, sei die Behörde verpflichtet, diesen zu prüfen. Gleichzeitig machte auch Drachenberg deutlich, dass mit der Eintragung in die Denkmalliste keine Positionierung zum Wiederaufbau der Garnisonkirche verbunden sei.
Einige Glocken der Wehrmacht gewidmet
Das Geläut kam 1991 aus Iserlohn (Nordrhein-Westfalen) in die brandenburgische Landeshauptstadt. Die „Traditionsgemeinschaft Potsdamer Glockenspiel“ unter dem umstrittenen Ex-Oberstleutnant Max Klaar hatte das Carillon aufstellen lassen, geriet allerdings in die Kritik aufgrund der teils revanchistischen Inschriften. So sind einige Glocken Truppenverbänden der Wehrmacht gewidmet. 2019 wurde es deshalb abgeschaltet.
Schubert bemängelt "politische Sensibilität" bei Entscheidung
Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) machte in einer ersten Reaktion deutlich, dass die Stadt keinen Antrag auf Denkmalschutz gestellt habe. Potsdam sei auch bei der Entscheidung „weder fachlich noch formell“ einbezogen worden, hieß es. Indirekt kritisierte Schubert das Denkmalamt. Die Entscheidung werfe „jenseits der Frage von politischer Sensibilität“ viele Fragen auf: So fürchtet das Rathaus eine Gefährdung der Pläne zur Umgestaltung des Areals rund um die Plantage und den möglichen Wiederaufbau des Stadtkanals, auf diesen Flächen steht derzeit das Carillon.
Drachenberg erklärte, „der Platz ist nicht das Problem, solange das Glockenspiel im Umfeld der Plantage steht.“ Für das Landesamt entscheidend sei, für den Erhalt des neuen Denkmals zu sorgen, und im speziellen Fall des Glockenspiels, das Objekt „in geeigneter Weise zu kontextualisieren, also darüber zu reden“, so Drachenberg. Die Verständigung über die – auch jüngste – Vergangenheit sei ein „hochdemokratischer Vorgang“.
Deutliche Kritik und deutliches Lob für Denkmalamt
Die Stadtpolitik reagierte auf die Unterschutzstellung differenziert. SPD-Stadtfraktionsvorsitzende Sarah Zalfen bezeichnete den Zeitpunkt der Eintragung als überraschend, da die Diskussion über den Umgang mit dem Glockenspiel und die Gestaltung der Plantage im Gange sei. „Wir verstehen die Eintragung als Denkmal daher eindeutig nicht als Würdigung des Glockenspiels an sich, sondern als weitere Aufforderung zur Fortsetzung der kritischen Auseinandersetzung mit dem Objekt.“ Ob der Denkmalstatus dazu notwendig ist, „kann bezweifelt werden“, so Zalfen weiter.
Linke und Grüne kritisieren Unterschutzstellung
Die Potsdamer Grünen, die erst kürzlich die Einschmelzung des Glockenspiels – neben einer Dokumentation der Geschichte des Bauwerks und Erhalt einer Glocke – gefordert hatten, lehnen das Carillon „am Standort Plantage oder im näheren Umfeld entschieden ab“, wie Potsdams Grünen-Fraktionschef Gert Zöller erklärte. Er begründete die deutliche Position auch „vor dem Hintergrund des Diskussionsprozesses zur künftigen Entwicklung dieses Areals, der sich nach langem Stillstand in letzter Zeit endlich konstruktiv entwickelt“ habe. Linke-Stadtfraktionschef Stefan Wollenberg bezeichnete die Entscheidung des Landesdenkmalamts als „überraschend und im Moment auch nur schwer nachvollziehbar“. Bei dem Objekt handele es sich um eine Replik, „die noch dazu mit einer sehr eindeutigen politischen Intention entstand“.
CDU und AfD begrüßen Denkmalschutz für Geläut
Ganz anders die Reaktion der städtischen Christdemokraten: Fraktionschef Götz Friederich und Vize Wieland Niekisch begrüßten, „dass dieses geschichtliche Zeugnis nun ein Denkmal ist“. Gleichzeitig plädierten die CDU-Vertreter für eine Gedenktafel, die wissenschaftlich-neutral eine zeitgeschichtliche Orientierung bieten solle.
Ebenfalls deutlich positiv wertete die städtische AfD die Aufnahme des Glockenspiels in die Denkmalliste. Fraktionschef Chaled-Uwe Said bezeichnete die Unterschutzstellung „des Glockenspiels der Potsdamer Hof- und Garnisonkirche“ als „späte Würdigung der Vorreiter für die deutsche Wiedervereinigung“. Wie auch die CDU forderte die AfD die Wiederinbetriebnahme des Glockenspiels.
"Erstmals Symbol der ,Neuen Rechten’ unter Denkmalschutz"
Scharfe Kritik kam von Gegnern des Wiederaufbaus der Garnisonkirche. Mit der Eintragung in die Denkmalliste „wurde erstmalig ein Symbolobjekt der ,Neuen Rechten’ unter Denkmalschutz gestellt“, erklärten Philipp Oswalt und Gerd Bauz vom Lernort Garnisonkirche.
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