Sportpolitik in Brandenburg und Potsdam: Gegen das Ungleichgewicht
Sportbünde verzeichnen deutlich weniger weibliche als männliche Mitglieder. Brandenburg liegt trotz positiver Tendenz unter dem Bundesdurchschnitt und versucht, mehr Mädchen und Frauen in die Vereine zu bekommen. Ein Aktionstag lockt zum Mitmachen nach Stahnsdorf.
In etwa hält sich die Bevölkerungsrelation zwischen Männern und Frauen die Waage. Ein leichtes Plus gibt es auf der femininen Seite. Doch im organisierten Sport von Deutschland sieht es ganz anders aus. Dort herrscht eine deutliche Dysbalance, denn laut aktuellster Statistik des Deutschen Olympischen Sportbundes sind nur knapp 40 Prozent der Mitglieder in den Vereinen weiblichen Geschlechts. Schleswig-Holstein (44,4), Niedersachsen (43,7) und Hessen (41,3) haben die höchsten Damenanteile – Thüringen (37,5) sowie Hamburg und Berlin (je 37,1) sind besonders herrenlastig.
LSB Brandenburg: 38,3 Prozent Frauenanteil
Auch der Landessportbund Brandenburg (LSB) liegt im deutschlandweiten Vergleich unter dem Durchschnitt. Von den 347.886 Mitgliedern, die zum 1. Januar 2018 erfasst wurden, sind 133.255 weiblich. Macht 38,3 Prozent. „Wir haben aber eine sehr positive Tendenz“, betont der LSB-Hauptgeschäftsführer Andreas Gerlach. Vor zehn Jahren waren noch rund 23.600 Frauen weniger aktiv und ihr Anteil um zwei Prozent niedriger. 2000 lag er gar lediglich bei 32,7 und die Zahl der Mitgliedschaften hatte noch nicht einmal die Marke von 90.000 erreicht. „Wir konnten also zunehmend mehr Mädchen und Damen zum Eintritt in unsere Sportvereine begeistern. Das soll und muss so weitergehen.“
Dafür wird um die Gunst geworben. Zum Beispiel mit dem „Frauen-Sporttag“. Ihn veranstaltet der LSB seit 1993 jährlich an einem anderen Ort der Mark. Die diesjährige, 26. Auflage findet am morgigen Samstag im Stahnsdorfer Vicco-von-Bülow-Gymnasium statt. Zwischen 10 und 16 Uhr können Frauen sowie Mädchen dort mehr als 40 Fitness- und Sportkurse kostenlos ausprobieren und zahlreiche Angebote der regionalen Vereine kennenlernen. Das Mitmachspektrum geht von Beckenbodentraining über Hip-Hop, Flamenco, Rückenfitness und Selbstverteidigung bis zu Step-Aerobic sowie Zumba. „Mit der Aktion möchten wir Interesse wecken und die spezifischen Möglichkeiten darstellen“, sagt Gerlach.
Anschubfinanzierung für Frauen- und Mädchensportkurse
Warum Frauen in Brandenburgs Sportvereinen unterrepräsentiert sind, hat laut ihm vielschichtige Gründe. Zunächst treten bereits weniger Mädchen als Jungen – womöglich, weil andere Hobbys sie mehr reizen – in die Klubs ein. Und die Quote derer, die dann langfristig weitermachen, ist auch bei den Damen geringer. Vor allem zwischen 19 und 40 Jahren gibt es einen Einbruch. Der weibliche LSB-Mitgliederanteil sinkt in diesem Altersbereich unter die 30-Prozent-Grenze. „Beruf und ganz besonders das Familienleben beansprucht da die Frauen oft so sehr, dass die sportliche Betätigung auf der Strecke bleibt“, erklärt Gerlach. „Wir versuchen zum Beispiel über den Frauen-Sporttag Perspektiven aufzeigen, wie man die eigenen Verpflichtungen mit der Teilhabe in Sportvereinen gut verbinden kann.“
Zur Verbesserung des Angebots führt der LSB auch regelmäßig spezielle Trainerweiterbildungen durch und hat schon lange ein Extra-Förderprogramm. Klubs, die Frauen- und Mädchensportkurse bei sich installieren oder ausbauen, können bis zu 500 Euro Anschubfinanzierung erhalten. Die Stadt Potsdam unterstützt ebenfalls. Wie unlängst bei der Vorstellung des neuesten Sportförderberichts erklärt wurde, bezuschusste die Kommune 2017 Projekte für Frauen und Mädchen des SC Potsdam. Das solle fortgesetzt und erweitert werden, hieß es. Ziel sei, den weiblichen Mitgliederfaktor des Potsdamer Stadtsportbundes anzuheben. Aktuell beträgt er 40,5 Prozent. Das bedeutet unter den 18 Stadt- und Kreissportbünden von Brandenburg die fünfte Position. An der Spitze steht Frankfurt (Oder) mit 41,6 Prozent, gefolgt von Potsdam-Mittelmark (41,4) und Cottbus (41,3) – verhältnismäßig am wenigsten Damenbeteiligung gibt es in Elbe-Elster (34,5), Spree-Neiße (34,3) und Ostprignitz-Ruppin (34,1).
Sportliche Frauen haben "klassische Rollenklischees eingerissen"
Von Nord nach Süd und West nach Ost: Überall sollen mehr Frauen in den Vereinen sportlich aktiv werden. Denn die Bewegung ist wichtig. Gerade hinsichtlich des Gesundheitsaspekts. Ein Ausgleich zum Alltag ist nötig, der Körper, das Immunsystem müssen gestärkt werden. Zudem sorgt das gemeinsame Erlebnis für schöne, motivierende Momente, die auf die Psyche positiv einwirken. Und wenn sich Frauen im Sport entfalten, dann hat das auch immer einen gesamtgesellschaftlichen Wert, weiß Carola Wiesner. „Der Blick in die Vergangenheit zeigt uns, dass nichts selbstverständlich und unveränderlich ist“, sagt das LSB-Präsidialmitglied für Mädchen und Frauen. Disziplin für Disziplin haben Damen mittlerweile erobert, „somit traditionelle Rollenklischees eingerissen und viele Sportarten sowie unsere Sicht darauf verändert“. Sie fragt: „Wer hätte denn noch vor 20 Jahren gedacht, dass Frauenboxen attraktiv ist oder 80-jährige Frauen bei Meisterschaften Rekorde aufstellen?“ Es brauche solche Frauenvorbilder für den Nachwuchs, so Wiesner. Aber nicht nur als Aktive in den Sportstätten. Auch in den Führungsgremien von Verbänden und Vereinen fordert sie mehr Einfluss durch Damen, um die Arbeit mit der weiblichen Perspektive zu optimieren.
Erst vor wenigen Wochen stellte etwa der Fußball-Landesverband Brandenburg (FLB) mit Anne Engel eine neue Geschäftsführerin ein. Ihr Verband ist dank seinen rund 84.000 Mitgliedern der größte in der Mark. Aber zugleich hat er – trotz der Strahlkraft des 1. FFC Turbine Potsdam – einen extrem niedrigen Frauenanteil: nur sieben Prozent der angemeldeten Aktiven. Durch Mädchenfußball-Aktionstage bemüht sich der FLB seinerseits, mehr weibliche Mitglieder für sich zu gewinnen. Dass Mädchen und Frauen sogar in der Mehrzahl sind, verzeichnen unter dem Dach des LSB sieben der 56 Verbände: Leichtathletik, Turnen, Behindertensport, Wandern und Bergsteigen, Pferdesport, Tanzen sowie Cheerleading und Cheerdance.
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