Nach der Suspendierung von Potsdams Baudezernenten Klipp: Gefeuerter Klipp zeigt Reue
Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs hat den Baubeigeordneten Matthias Klipp am Montag suspendiert. Wie Klipp auf seinen Rauswurf reagierte und wie es nun ohne ihn weitergeht.
Potsdam - Montagmittag war es, als Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) seinen Baubeigeordneten Matthias Klipp (Grüne) vor die Tür setzte. Der Dezernent habe ihn als Vorgesetzten getäuscht, als es um Fragen zu seinem zu groß geratenen Hausbau ging, sagte er anschließend sichtlich verbittert. Am Tag danach stand vor allem im Vordergrund, wie es weitergeht. Ein Überblick über die weiteren Schritte, Klipps Vermächtnis und seine eigene Reaktion auf den Eklat.
Wie geht Klipp mit der Situation um?
Klipp selbst gab sich am Tag nach seinem Rausschmiss reuig. Nachdem er das Gutachten erhalten und die darin enthaltenen Vorwürfe gelesen habe, könne er die Reaktion des Oberbürgermeisters verstehen, teilte er den PNN am Dienstag mit. Der Montag sei für ihn der schlimmste Tag in seinem Leben gewesen, „weil ich mich wie ein Schwerverbrecher behandelt gefühlt habe“. Er wolle sich nun in Ruhe die Vorwürfe ansehen, dann dabei helfen, Missverständnisse aufzuklären, soweit das möglich sei und „persönliche Schuld anerkennen.“ Juristisch wolle er nicht gegen seine Suspendierung vorgehen, sagte Klipp.
Wer übernimmt jetzt das Zepter in der Bauverwaltung?
Die Behördenleitung hat kommissarisch der Fachbereichsleiter Stadtplanung und Stadterneuerung, Andreas Goetzmann, übernommen. Nach außen wird der Bereich laut Jakobs durch den Finanzbeigeordneten Burkhard Exner (SPD) vertreten, also etwa gegenüber der Stadtverordnetenversammlung.
Wie läuft die Abwahl des Beigeordneten ab?
Da die Kommunalverfassung wie berichtet zwischen der Antragstellung und der Abstimmung eine mindestens sechswöchige sogenannte Abkühlungsphase vorsieht, wird die Stadtverordnetenversammlung über Klipps Schicksal als Baudezernent wohl erst im November entscheiden. Zwei Drittel – also 38 der 57 Kommunalparlamentarier – müssen bei der Sitzung der Stadtverordneten am 4. November zustimmen, damit die Abwahl erfolgreich ist. Dann würde die Stelle neu ausgeschrieben und ein Nachfolger vom Stadtparlament gewählt – vor dem Frühjahr würde also nach Jakobs’ Einschätzung nichts entschieden sein.
Was passiert, wenn die Abwahl scheitert?
Eine Mehrheit für die Abwahl scheint derzeit zwar sicher – allerdings sind sechs Wochen eine lange Zeit und die Potsdamer Kommunalpolitik ist immer für eine Überraschung gut. Sollte die Zweidrittelmehrheit für Klipps Abwahl nicht zustande kommen, hätte er theoretisch das Anrecht, auf seinen Posten zurückzukehren, hieß es aus der Stadtverwaltung. Zwar könne die dreimonatige Beurlaubung unter bestimmten Voraussetzungen verlängert werden, aber nicht bis zum Ende der Dienstzeit Klipps in zwei Jahren.
Welche Konsequenzen drohen Klipp?
Parallel zum Abwahlverfahren will Oberbürgermeister Jakobs ein Disziplinarverfahren gegen Klipp anstrengen. Dabei geht es vor allem um dessen Bezüge – ohne Disziplinarverfahren würde Klipp bis zum Ende seiner Amtszeit 75 Prozent seines Gehalts kriegen. Sollte sich herausstellen, dass er seine Amtspflichten verletzt hat, könnte er weniger bekommen. Unberührt würden in jedem Fall seine Pensionsansprüche bleiben. Anders als bislang kommuniziert, ist für das Disziplinarverfahren nicht das Innenministerium zuständig. Das Haus ist lediglich Disziplinarvorgesetzter für den Oberbürgermeister und den 1. Beigeordneten, wie Ministeriumssprecherin Susann Fischer erklärte. Für die anderen Beigeordneten sei der Oberbürgermeister selbst zuständig. Eingeleitet wurde das Verfahren noch nicht, sagte Stadtsprecher Stefan Schulz am Dienstag. Derzeit liefen noch Prüfungen.
Wer könnte neuer Baudezernent werden?
Offiziell kann nur der Oberbürgermeister einen neuen Baubeigeordneten vorschlagen. Allerdings ist zwischen den Partnern der Rathauskooperation (SPD, CDU, Grüne, Potsdamer Demokraten) vereinbart, dass die Grünen ein Vorschlagsrecht für den Posten haben – auch Klipp ist ja Grünen-Mitglied. Läuft mit der Abwahl also alles glatt, wird es zwar eine offizielle Ausschreibung geben – die Grünen dürfen aber „aus dem Kreis der geeigneten Bewerber“ eine Person vorschlagen, wie Fraktionschef Peter Schüler auf PNN-Anfrage erklärte. Diesen Vorschlag werde Oberbürgermeister Jakobs dann sicherlich „wohlwollend prüfen“, so Schülers Einschätzung.
Welche Baustellen hinterlässt der Dezernent?
Klipp war für viele wichtige Projekte in der Stadt zuständig, die teilweise noch mitten in der Realisierung stecken. Dazu gehört unter anderem die Wiedergeburt der Potsdamer Mitte, wo derzeit die letzte Lücke an der Alten Fahrt bebaut wird. Noch deutlich mehr zu tun gibt es in Krampnitz: Dort soll auf dem ehemaligen Kasernengelände ein völlig neues Stadtviertel entstehen. Fast 4000 Menschen sollen dort eines Tages leben, seit Jahren befassen sich Klipps Bauverwaltung und die Pro Potsdam mit der Planung. Noch ist aber vor Ort nichts passiert – mit den Voreigentümern gibt es noch juristische Auseinandersetzungen. Zwar gibt es in der Bauverwaltung – genauso wie bei der Pro Potsdam – einen eigenen Krampnitz-Beauftragten. Die Strippen hinter den Kulissen zog bislang aber Klipp. Völlig offen ist mit seinem Weggang die Zukunft der Zeppelinstraße. Diese wollte er stadtauswärts auf eine Spur einengen lassen, um Platz für Radler zu schaffen und sie für Autofahrer unattraktiv zu machen.
Welche Verdienste hat er sich erworben?
Für Oberbürgermeister Jann Jakobs ist Klipps größter Verdienst die Wiederherstellung der Potsdamer Mitte, wo der Baudezernent für die Grundstücksvergabe zuständig war. „Das war sein Gesellenstück“, hatte Jakobs am Montag gesagt. Auch der Ausbau des Radwegenetzes kann als Leistung Klipps bezeichnet werden: Unter seiner Führung entstanden zahlreiche Radrouten, zum Beispiel am Havelufer, in der Hegelallee oder jüngst in der Lindenallee zwischen Neuem Palais und Golm. Tatsächlich belegte Potsdam beim jüngsten „Radklima-Test“ des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs den vierten Platz in der Kategorie der Städte mit 100 000 bis 200 000 Einwohnern. Noch ein weiteres Projekt kann zu Klipps Erfolgen gezählt werden. „Zu Beginn meiner Amtszeit waren mir vor allem zwei Dinge wichtig“, hatte er einmal im PNN-Gespräch gesagt. Das Projekt Gartenstadt Drewitz und das Projekt „Potsdamer Mitte“. Als eines von bundesweit 50 Modellprojekten sollte das einstige Problemviertel Drewitz begrünt und vom derzeit starken Verkehr befreit werden. Außerdem soll der Energieverbrauch bis 2050 nur noch halb so hoch sein wie derzeit, und das bei weiterhin sozialverträglichen Mieten. Weil nach großen Protesten schließlich auch die Bürger miteinbezogen wurden, kann die Gartenstadt heute tatsächlich als Vorzeigeprojekt durchgehen.
Wo hat er versagt?
Meist ist Klipp genau das – also die Einbeziehung der Bürger – mehr schlecht als recht gelungen. Aktuellstes Beispiel und gleichzeitig ein klassischer Klipp-Fall ist die bereits erwähnte Zeppelinstraße. Den an sich vernünftige Ansatz, nämlich die Schadstoffe zu verringern, machte er dadurch zunichte, dass er den geplanten massiven Eingriff offenbar mit keinem absprach: nicht mit den Stadtverordneten, nicht mit Umlandgemeinden, nicht mit den Anwohnern und angeblich noch nicht mal mit dem ihm unterstellten Verkehrsbereich. Auch als die Proteste immer größer wurden, kam von ihm kein Wort des Einlenkens, kein Zeichen des Unrechtsbewusstseins. Unvergessen auch seine Empfehlung, die er 2011 Mitgliedern einer Bürgerinitiative mitgab, die gegen Straßenlärm an der B 273 demonstrierten: „Sie können ja wegziehen.“ Sein Vorhaben beim Amtsantritt, den Ruf der Baubehörde zu verbessern, ist ihm mit dieser Haltung nicht gelungen. (mit Marco Zschieck)
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