Streit um Asyl-Unterkünfte in Potsdam: „Freiland“ will keine Flüchtlings-Halle
Die Stadt Potsdam hatte angefragt, denn die Lage ist ernst. Doch das linksalternative Zentrum Freiland lehnt es ab, dass gleich nebenan Flüchtlinge in Leichtbauhallen untergebracht werden. Und antwortete in einem offenen Brief.
Teltower Vorstadt - Im Umgang mit der Flüchtlingskrise gibt es in Potsdam einen bemerkenswerten Streit: Denn bei der Suche nach geeigneten Standorten, an denen in Potsdam sogenannte Leichtbauhallen zur Unterbringung von Asylbewerbern aufgestellt werden könnten, hat die Stadt auch ein Gelände neben dem linksalternativen Kulturzentrum „Freiland“ im Blick. Es handele sich um ein Grundstück der Stadtwerke, das an das Freiland-Gelände angrenze, sagte Stadtsprecher Jan Brunzlow auf PNN-Anfrage. Am Dienstag kam vom basisdemokratischen „Freiland“-Plenum, also den Nutzern des Geländes, eine Absage an diese Pläne – per offenem Brief.
Man habe die Betreiber des Kulturzentrums gefragt, ob die rund 100 Flüchtlinge – die in zwei Hallen untergebracht werden könnten – die sanitären Anlagen und womöglich Gruppenräume mitnutzen könnten, sagte Brunzlow. Ab Ende Oktober könnten die Unterkünfte an der Friedrich-Engels-Straße aufgestellt werden.
Dies fand nicht die Zustimmung des Plenums. „Aus unserer Sicht ist diese Form der massenhaften Unterbringung von Geflüchteten über Monate und Jahre hinweg unzumutbar. Sie nimmt den Menschen die letzten Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben und zu handeln“, hieß es in dem Brief. Das Freiland sei sich in Anbetracht der aktuellen Situation zwar seiner Verantwortung als öffentlicher Raum bewusst und auch bereit, Menschen einen Zufluchtsort zu bieten. Eine Unterbringung von Geflüchteten im Freiland sei nur unter der Voraussetzung denkbar, dass den Menschen ein Mindestmaß an Wohn- und Lebensraumstandard gewährt werde und zudem ein „weiterer Betrieb des Freilands als Kulturzentrum“ möglich sei, wie es in einem Nachsatz hieß. Im Freiland, das Gelände wurde auch von den Stadtwerken zur Verfügung gestellt, finden regelmäßig Konzerte und Partys zum Teil bis spät in die Nacht statt.
Die Stadtverwaltung zeigt sich irritiert
Bei der Stadt zeigte man sich irritiert über die Absage. Vor allem kritisierte Brunzlow, dass sich die „Freiland“-Verantwortlichen nicht direkt an die Verwaltung gewandt hätten, sondern sich zuerst in einem offenen Brief äußerten. „Die Betreiber haben versprochen, uns zu informieren, was sie von den Plänen halten“, sagte er. Bislang seien die Gespräche konstruktiv verlaufen. „Wir hätten uns gewünscht, dass dieser Gesprächsstil beibehalten wird.“ Die Stadt hätte eine Zusammenarbeit mit „Freiland“ begrüßt, so Brunzlow. Angesichts des großen Engagements für Flüchtlinge aus dem „Freiland“ – viele der dort Aktiven setzen sich derzeit auch ehrenamtlich für die neue Zweigstelle der Erstaufnahme an der Heinrich-Mann-Allee ein – habe man sich eine sinnvolle Symbiose erhofft, so der Sprecher weiter. Zunächst habe es auch positive Signale gegeben. „Aber nun ist das scheinbar nicht mehr gewollt. Wie wir nun damit umgehen, müssen wir sehen.“
Brunzlow bestätigte auch, dass noch weitere Standorte für Traglufthallen im Gespräch sind – in dem offenen Brief ist von weiteren sechs Containern die Rede. Welche Standorte das sind, sagte er nicht. Zunächst sollen darüber die Stadtverordneten im Hauptausschuss am heutigen Mittwoch informiert werden. Nach PNN-Informationen geht es zum Beispiel auch um am Stadtrand gelegene Flächen auf dem früheren Sago-Gelände an der Michendorfer Chaussee. Am Rande einer Pressekonferenz zur Flüchtlingskrise in der Staatskanzlei sagte Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), in Sachen „Freiland“ sei noch nichts entschieden.
Nur eine Alternative, die "Freiland" vorschlägt, ist umsetzbar
In dem offenen Brief forderte das „Freiland“-Plenum die Stadt auch dazu auf, für die Unterbringung der Flüchtlinge leerstehende Gebäude zu nutzen, „denn eine Behausung in gebläsebeheizten Containerzelten über Monate oder Jahre kann nicht eine in Betracht zu ziehende Antwort einer wohlhabenden Gesellschaft auf die humanitären Katastrophen unserer Zeit sein“. Konkret schlugen sie die ehemalige Volkshochschule in der Dortustraße, das Kreiswehrersatzamt in der Berliner Straße, die Fachhochschule am Alten Markt und das Rechenzentrum in der Breiten Straße als Unterkünfte vor.
Doch die beiden ersten Immobilien seien in Privatbesitz und könnten nicht einfach so als Flüchtlingsunterkunft genutzt werden, entgegnete Stadtsprecher Brunzlow. Das Rechenzentrum sei geprüft worden, käme aber wegen des mangelnden Brandschutzes nicht in Frage. Wie berichtet werden dort gerade Künstler aus der ganzen Stadt untergebracht. Die Fachhochschule werde hingegen als Unterkunft erwogen. Ebenso verwiesen die „Freiland“-Aktiven auf die Möglichkeit, leerstehende Gewerberäume temporär gegen eine Entschädigung in Beschlag zu nehmen, wie es derzeit in Berlin diskutiert wird. Auch in Potsdam denke man darüber nach, so der Stadtsprecher. Konkrete Pläne gebe es aber noch nicht.
Angesichts der stetig steigenden Flüchtlingszahlen – bis Jahresende sollen laut Oberbürgermeister Jakobs noch rund 900 Menschen in Potsdam untergebracht werden – hatte die Stadt vor zwei Wochen angekündigt, sich um die besagten Leichtbauhallen zu bemühen. Diese werden üblicherweise für Soldaten in Kriegsgebieten errichtet und bieten jeweils bis zu 48 Menschen Platz. Die Hallen können mit Stellwänden in mehrere Räume unterteilt werden. Die Lösung sei nicht ideal, räumte Sprecher Brunzlow ein. Dennoch sei dies die einzige Möglichkeit, eine Unterbringung in Turnhallen oder Zelten zu vermeiden. An anderer Stelle in Potsdam für Flüchtlingsunterkünfte genutzte Wohncontainer sind wie berichtet deutschlandweit vergriffen – solche Systeme kann die Stadt also nicht mehr bestellen. (mit HK)
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