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Das Frauenwahllokal wurde in der Dortustraße 22 eröffnet.
© Andreas Klaer

Ausstellung zum Wahlrecht für Frauen in Potsdam: Frauenwahllokal in der Innenstadt eröffnet

Am Freitag eröffnete das Frauenwahllokal – eine Ausstellung beleuchtet das Frauenwahlrecht und macht auf die ersten Politikerinnen in Potsdam aufmerksam.

Von Helena Davenport

Potsdam - Schon von Weitem fällt die rosig umrahmte Silhouette der Schriftstellerin Olympe de Gouges ins Auge. Seit Freitag steht sie in der Dortustraße, vor der Nummer 22, und erinnert an die ersten mühsamen und folgenschweren Schritte auf dem Weg hin zur Einführung des Frauenwahlrechts. In Frankreich sind diese Schritte zu verorten. Während der Französischen Revolution, 1791, fordert de Gouges in einer Erklärung, die sie an die Nationalversammlung richtet, gleiche Rechte und Pflichten für beide Geschlechter. Ihre Begründung: Wer das Recht habe, auf das Schafott zu steigen, müsse auch das Recht haben, ein Podium zu besteigen. Zwei Jahre später, am 3. November 1793, muss sie ihren Einsatz teuer bezahlen – mit dem Tod durch die Guillotine.

Auch drei Potsdamerinnen sind in der Schau vertreten

Dass der Aufsteller, der die Silhouette der Frauenrechtlerin zeigt, so auffällig ist, unterstreicht die Absicht der Ausstellungsmacherinnen von „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Am Freitagabend wurde die Ausstellung im Eiscafé „Eva’s Sünde“ eröffnet. In dem Café wurde kurzerhand das „Frauenwahllokal“ eingerichtet, um die Geschichte des Frauenstimmrechts sichtbarer zu machen, und den ersten Frauen, die sich in die Männerwelt Politik wagten, eine Bühne zu widmen. Auch die Geschichten von drei Potsdamerinnen sind in der Schau vertreten.

„Wir wollen möglichst viele Frauen ermutigen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagte Sarah Zalfen (SPD), Chefin des Ortsvereins Mitte/Nord. Die engagierten Frauen aus der Vergangenheit sollen Vorbilder sein – denn neben der Aufklärung über die Historie hat die Ausstellung ein weiteres Ziel: Mehr Frauen, die sich in die Politik trauen. Bis Ende Dezember und dann wieder von März bis Mai ist das Eiscafé gleichzeitig Frauenwahllokal und somit neben Standort einer Ausstellung auch Treffpunkt für den Austausch untereinander, für Workshops und Coachings. Wie werde ich Kommunalpolitikerin? Welche Rhetorik ist angebracht? Wie komme ich auf Listen? Etwa diese Fragen sollen beantwortet werden. Gefördert wird das Projekt vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie, von der Landeszentrale für Politische Bildung und der Stadt Potsdam. Träger der parteiübergreifenden Initiative ist das Autonome Frauenzentrum Potsdam. Von Januar bis Februar macht das Café eine Winterpause und auch die Ausstellung bleibt geschlossen.

Anlass ist das Jubiläum des Frauenwahlrechts

Das Jubiläum gab den Anlass für die Schau: Vor rund hundert Jahren, am 12. November 1918, ereignet sich die Geburtsstunde des Frauenwahlrechts in Deutschland. Und nur wenige Wochen später, am 19. Januar 1919, ist es Frauen zum ersten Mal erlaubt, bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung zu wählen und gewählt zu werden. Das neue Recht kommt allerdings mit einem Organisationsproblem daher. Rasch müssen Wahlkandidatinnen gefunden werden – denn bis auf die SPD hatten alle Parteien zuvor das Frauenstimmrecht abgelehnt. Schlussendlich sind 37 von den insgesamt 423 gewählten Abgeordneten weiblich. Die erste Frau, die ans Mikrofon der Nationalversammlung tritt, ist Marie Juchacz. „Durch die Ausstellung bekommt der Name der Potsdamer Tram-Endhaltestelle endlich ein Gesicht“, scherzte Jeanette Toussaint, die Kuratorin des Frauenwahllokals, am Freitag.

Else Bauer, eine der ersten Potsdamer Politikerinnen.
Else Bauer, eine der ersten Potsdamer Politikerinnen.
© Privatbesitz Barbara Dietrich

Im Innern des Eiscafés sind weitere Aufsteller in Form von Silhouetten zu finden – hier sind die Geschichten von engagierten Frauen nachzulesen. Des Weiteren ist die Oberfläche des Stehtischs gleich neben dem Eingang mit einem Zeitstrahl versehen. „Bei einem Kaffee können Besucher einen Überblick über historische Ereignisse erhaschen“, so Toussaint. Amüsant ist ein Brettspiel – Besucher können mit einer Portion Glück Suffragetten befreien. Als Suffragetten bezeichnete man Anfang des 20. Jahrhunderts Frauenrechtlerinnen in Großbritannien und den Vereinigten Staaten.

Im oberen Stockwerk läuft ein Film

Eine kleine Treppe hinter der Theke führt in das obere Stockwerk: Hier läuft ein Film, der den Vorgang der Wahl von 1919 erklärt. Er habe sich an Neuwähler gerichtet – an die Frauen, aber auch an die Männer, die zuvor durch das Dreiklassenwahlrecht ausgeschlossen waren, erklärte Toussaint. In einer nachgebauten Wahlurne stecken die Kurzbiografien der ersten sechs Parlamentarierinnen, die es 1919 in die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung schafften. Im Brandenburger Provinziallandtag sitzt erst sechs Jahre später eine Frau.

Jeanette Toussaint ist die Kuratorin des Frauenwahllokals.
Jeanette Toussaint ist die Kuratorin des Frauenwahllokals.
© Andreas Klaer

Eine der sechs Potsdamerinnen ist Else Bauer. Die kaufmännische Angestellte schließt sich schon 1917 der Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands an. Drei Jahre später wechselt sie gemeinsam mit ihrem Mann zur SPD und arbeitet in der Anzeigenabteilung der Parteizeitung Potsdamer Volksblatt. Von 1928 bis 1929 vertritt sie die Partei in der Stadtverordnetenversammlung.

Die Recherche gestaltete sich schwierig

Es sei sehr schwierig gewesen, etwas über die Lebensläufe der Potsdamer Stadtverordneten vor 1933 herauszufinden, so Toussaint, auch weil die Mittel für die Ausstellung erst im Oktober bewilligt worden seien. Die 54-jährige Ethnologin sah die Protokolle der Versammlungen durch, recherchierte in verschiedenen Archiven. Brauchbare Informationen habe sie zu einem großen Teil in den Testamenten der Ehemänner gefunden. Von drei Potsdamerinnen konnte sie die Enkel ausfindig machen, die ihr schließlich genauere Informationen, sprich mehr als das Geburtsdatum, geben konnten. Toussaint wünscht sie, mit dem Frauenwahllokal mehr Aufmerksamkeit für den eigenen familiären Hintergrund zu erreichen. „Meine Hoffnung ist, dass sie weitere Nachfahren melden“, so die Potsdamerin.

Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth (l.) und die Studentin Alexa Bouwer spielen das Suffragetten-Befreiungsspiel.
Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth (l.) und die Studentin Alexa Bouwer spielen das Suffragetten-Befreiungsspiel.
© Andreas Klaer

Dass die Europawahl im Zeitraum der Schau liegt, ist beabsichtigt. Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Martina Trauth nannte die Ausstellung und ihr Programm ein Vorzeigeprojekt. „Wir können unseren Vorgängerinnen sehr dankbar sein und sollten kämpferisch bleiben“, sagte Trauth. Denn gerade in Brandenburg seien noch zu wenige Frauen in der Politik. Ein Grund: Die Vorgänge seien von Männern gemacht, so Zalfen. Kinderbetreuung etwa ließe sich nun mal nicht mit Terminen spät am Abend, oder Deals, die beim Bier in der Kneipe gemacht werden, vereinbaren..

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