zum Hauptinhalt
Die Stadtwerke Potsdam bekennen sich in ihrem Leitbild zu einer Strategie, die Korruption zu verhindern. Eigentlich.
© J. Bergmann

Potsdamer Stadtwerke-Skandal weitet sich aus: Fiskus ermittelt gegen Stadtwerke-Chef Böhme

Vorwurf der Vetternwirtschaft: Der Stadtwerke-Chef Wilfried Böhme soll einen Werkvertrag mit seinem Schwager geschlossen haben. Dem Konzernchef droht nun die Suspendierung.

Potsdam - Im Potsdamer Stadtwerke- Skandal soll Konzernchef Wilfried Böhme wegen Vetternwirtschaft vor der Suspendierung durch Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) stehen. Eine Entscheidung soll am heutigen Freitagnachmittag fallen. Hinzu kommen Steuerermittlungen des Finanzamtes gegen Böhme, wie „Bild“-Zeitung und „BZ“ am Freitag berichten – aber auch ein weiterer Fall von Begünstigung. Grund für das Vorgehen gegen Böhme ist ein Werkvertrag der Stadtwerke-Tochter Energie und Wasser Potsdam (EWP) mit einer Bauschlosserfirma, deren Inhaber Böhmes inzwischen in den Ruhestand gewechselter Schwager sein soll. Böhme ist auch EWP-Geschäftsführer. Nach PNN- Informationen sollen zwischen 2011 und Mitte 2015 jeweils mehr als 5000 Euro pro Monat an die Firma des Schwagers mit Sitz auf einem Stadtwerke-Areal am Heizwerk gezahlt worden sein.

Die EWP soll laut „Bild“ der einzige Kunde gewesen sein – daher bestehe Verdacht auf Scheinselbstständigkeit. Die von Böhme geführte EWP hätte sich auf diese Weise Steuern und Sozialabgaben gespart, weil der Schwager nicht bei der EWP angestellt war. Die Stadtwerke hatten die Existenz des Werkvertrags bereits vergangene Woche bestätigt. Zu Details äußerte sich der Stadtkonzern nicht und verwies auf Prüfungen. Nach PNN-Informationen soll Böhme auch einen befreundeten Ingenieur ebenfalls mit einem Werkvertrag über 5000 Euro monatlich seit 2011 versorgt haben.

Finanzbeamte sollen bereits Büros der Stadtwerke durchsucht haben

Laut „Bild“ und „BZ“ sollen Finanzbeamte bereits Büros der Stadtwerke durchsucht haben. Nach PNN-Informationen hat Böhme offenbar auf Druck von Jakobs selbst das Finanzamt informiert, aber keine Selbstanzeige gestellt. Vielmehr soll es sich um eine sogenannte Berichtigungsanzeige gehandelt haben, die Böhme beim Fiskus einreichte. Hintergrund: Es besteht die Pflicht, die Steuererklärung zu berichtigen, wenn man nachträglich erkennt, dass die Steuererklärung unrichtig oder unvollständig war und daher zu wenig Steuern gezahlt wurden. Bei einer Berichtigungsanzeige müssen dann die Steuer nur nachträglich gezahlt werden, strafrechtliche Folgen hat das nicht.

Das war nach PNN-Informationen auch Böhmes Ziel, er wollte einem Strafverfahren entgehen. Allerdings war es dafür zu spät. Das Finanzamt ist laut „Bild“ auf den Sachverhalt bereits aufmerksam geworden, bevor Böhme loslegte. Die Betriebsprüfung des Finanzamts war bereits im Gange. Bestätigt sich der Verdacht, würde Stadtwerke- und EWP-Chef Böhme ein Steuerstrafverfahren drohen.

Jakobs wollte Böhmes Vertrag eigentlich noch verlängern

Oberbürgermeister Jakobs wollte sich auf PNN-Anfrage nicht zu den Vorgängen äußern. Noch vor zwei Wochen hatte Jakobs den Vertrag mit Böhme, der im Herbst 65 Jahre alt wird, um zwei Jahre verlängern wollen. Dazu hatte der EWP-Aufsichtsrat grünes Licht gegeben. Jakobs hat den Vertrag aber noch nicht unterschrieben. „Jetzt geht es darum, den Sachverhalt aufzuklären und daraus die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen“, ließ er am Mittwoch den PNN mitteilen.

Die Steuerermittlungen sind eine neue Qualität im Skandal um Untreueverdacht und Ungereimtheiten bei Auftragsvergaben in Millionenhöhe bei der Stadtwerke-Tochter Stadtentsorgung Potsdam (Step). Deren Chefs sind suspendiert. Wirtschaftsjuristen und -prüfer hatten festgestellt, dass einer Ex-Step-Prokuristin zehn Jahre lang an den Kontrollgremien vorbei knapp eine halbe Million Euro Mehrvergütungen zugeschoben worden sind.

Lesen Sie weiter:

Nach der ersten Stadtwerke-Affäre gab es keinen echten Neuanfang. Das rächte sich. Jetzt sollte dringend der Leitspruch "Neue Besen kehren gut" im Konzern gelten, meint PNN-Autor Henri Kramer. Hier geht es zu seinem Kommentar >>

Zur Startseite