Die Corona-Lage in Potsdam am Freitag: Fast schon der Katastrophenfall - um dem Klinikum zu helfen
Potsdams Corona-Inzidenz ist über 200 gestiegen: Das Rathaus der Landeshauptstadt stemmt sich mit weiteren Maßnahmen gegen das Virus. Gemeldet wurden auch fünf weitere Verstorbene.
Potsdam - Mit der sich zuspitzenden Coronakrise werden auch Worte wichtig, die bisher nur Fachleuten im Katastrophenschutz geläufig waren. „Großschadensereignis“ ist so ein Begriff – und genau diesen Fall hat Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) am Freitag ausgerufen. Es gebe einen „Massenanfall von Erkrankten“, hieß es in einer Rathauserklärung.
Was ist ein Großschadensereignis?
Und: Das Großschadensereignis sei die „letzte Stufe vor der Erklärung des Katastrophenfalls“ – dadurch könne man nun laut Potsdams Feuerwehrchef Ralf Krawinkel weitere Bettenkapazitäten in den Krankenhäusern nutzen, die ärztlichen Leiter des Rettungsdienstes hätten „erweiterte Kompetenzen“ und die Kräfte des Katastrophenschutzes würden unter „einheitliche Führung“ gestellt, so die Stadt. Auch könnten nach PNN-Informationen Kliniken einfacher untereinander Personal abordnen.
Zuvor war die Sieben-Tage-Inzidenz angesichts von 70 Corona-Neuinfektionen innerhalb von 24 Stunden erstmals über den kritischen Wert von 200 gestiegen – auf 206,3. Am Vortag waren es noch 193,5. Zum Vergleich: Am Freitag vor einer Woche hatte die Inzidenz noch bei 154 gelegen, am 18. November bei 123. Die Zahl der Potsdamer in Quarantäne stieg auf 1312. Ferner meldete die Stadt fünf Verstorbene, die Gesamtzahl der im Zuge der Pandemie getöteten Potsdamer stieg damit auf 64.
Ausbrüche in Seniorenheimen
Zwei der Verstorbenen lagen vorher in Seniorenheimen. Hier wurde am Freitag ein weiterer größerer Ausbruch bekannt – so teilte das Rathaus mit, in einer Einrichtung in der Innenstadt hätten sich 27 von 105 Bewohnern infiziert. Nach PNN-Informationen geht es um das Haus „Katharina“ der Fontiva-Gruppe in der Leiblstraße. Aktuell gibt es in neun Potsdamer Seniorenpflegeheimen der Stadt Corona-Infektionen. Leichte Entwarnung gab es hingegen aus dem St. Franziskus-Heim der Alexianer in der Kiepenheuerallee, in dem zwischenzeitlich knapp die Hälfte der rund 130 Bewohner positiv getestet worden waren – vier der sechs Wohnbereiche habe man aus der Quarantäne entlassen können, so das Rathaus. Vier Bewohner seien noch mit schwereren Covid-Verläufen in Betreuung vor Ort, sagte ein Sprecher des Hauses.
Ein Rathaussprecher erklärte, auch in den nächsten Tagen sei ein weiterer Anstieg der Patientenzahlen in den beiden Krankenhäusern zu erwarten. Insgesamt waren am Freitagmorgen 83 Menschen in stationärer Behandlung, davon 17 im intensivmedizinischen Bereich. Vor einer Woche waren es noch 60 Patienten, davon 13 besonders schwere Fälle. Vor einem Monat ging es noch um 35 Erkrankte. Wegen der steigenden Patientenzahlen haben beide Kliniken bereits andere Stationen schließen und nicht dringende Operationen verschieben müssen. Das Bergmann-Klinikum teilte mit, man habe seine Covid-Kapazitäten noch einmal aufgestockt – von 16 auf 20 Intensivbetten und von 42 auf 56 Plätze in der Normalstation. „Halten Sie sich an die Regeln des Lockdowns. Das ist die größte Hilfe, die Sie uns geben können“, sagte Klinikumschef Hans-Ulrich Schmidt.
Gottesdienste abgesagt
Mit Blick auf Weihnachten zeichnet sich derweil auch für viele Kirchengemeinden ab, dass sie ihre Gottesdienste absagen oder ins Internet verlegen. So beschloss die St. Nikolai-Kirchengemeinde, dass bis zum 10. Januar 2021 in der großen Stadtkirche keine Gottesdienste stattfinden werden. Die Kirche bleibe aber geöffnet, hieß es. Die Gemeinde hatte eigentlich eine Open-Air-Gottesdienste auf dem Alten Markt geplant. Am Montag will der Evangelische Kirchenkreis wie berichtet bekannt geben, was in anderen Gemeinden noch geplant und möglich ist.
Angesichts der sich zuspitzenden Corona-Lage erwägt die Stadt Potsdam auch, entgegen der Landeslinie ihre mehr als 100 Kitas ab dem 4. Januar stadtweit zu schließen. Das sei auf Basis einer Allgemeinverfügung möglich, sagte eine Rathaussprecherin den PNN am Freitag auf Anfrage. „Dazu müsste Benehmen mit dem Land hergestellt werden“. Bei einer kommunal veranlassten Schließung würden die privaten Träger der Kitas „im Rahmen der Fehlbedarfsfinanzierung den Ausgleich für entgangene Elternbeiträge erhalten“, hieß es. Die Sprecherin betonte auch, man bewerte die Lage täglich und werde im Krisenstab entscheiden. Wie berichtet hat die Stadt unter www.potsdam.de bereits vorsorglich Anträge auf eine Notbetreuung veröffentlicht, diese würde dann für Eltern aus systemrelevanten Berufen gelten. Das Land Brandenburg will bisher nur Horte und Grundschulen ab dem 4. Januar geschlossen halten, auch mit einer Notbetreuung. Für drei Kita und zwei Grundschule meldete die Stadt neue Infektionen, für die Kita „Zauberwald“ in der Waldstadt verhängte das Gesundheitsamt wegen „diffusen Infektionsgeschehens“ ein Betretungsverbot.
Grüne begrüßen Böllerverbot
Als weitere Maßnahme gegen eine weitere Virusverbreitung sowie zum präventiven Schutz vor Explosionsverletzungen hatte Oberbürgermeister Schubert am Donnerstag auch ein stadtweites Böllerverbot angekündigt. Dazu müsse man aber noch „das Benehmen mit dem Land herstellen“, sagte eine Stadtsprecherin. Allerdings löste die Nachricht bereits Reaktionen aus. „Besser spät als nie“, erklärte Grünen-Fraktionschef Gerd Zöller via Twitter. So hatten die Grünen erst im Dezember so ein generelles Verbot gefordert, was die Stadtverwaltung damals allerdings noch als rechtlich nicht umsetzbar einschätzte. Auch die Kliniken hat so ein Verbot gefordert, um nicht noch zusätzliche Augen- und Handverletzungen durch explodierte Pyrotechnik behandeln zu müssen. Auch die Schlösserstiftung schränkt die Feiermöglichkeiten zu Silvester ein: So bleibt die Terrasse des Schlosses Sanssouci – anders als in den Vorjahren – in der Silvesternacht geschlossen. Mit dem neuen Jahr soll ab dem 5. Januar das Impfen in der Metropolishalle starten.
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