Mitmachmuseum: Extavium in Potsdam braucht weiterhin finanzielle Hilfe
Das Extavium in Potsdam ist finanziell vorerst abgesichert. Die Macher sehen eine mögliche Zukunft in der Biosphäre.
Potsdam - Wie hat die Maus das gemacht? Mit offenem Mund schauen vier Kinder auf das Nagetier, das eben das mit so viel Sorgfalt konstruierte Lego-Labyrinth ohne Probleme überwunden hat, um an sein Futter zu gelangen. „Mäuse können dank ihres Geruchsinns aus Labyrinthen herausfinden, anders als Menschen“, sagt Anna Leetz vom Extavium Potsdam. „Das sorgt immer wieder für viel Staunen bei den Kindern.“
Egal ob das Mäuse-Labyinth, der Spiegel-Würfel, das Strom-Fahrrad, oder die Schokokuss-Luftpumpe: Die zahllosen Exponate und Experimente des Extavium sind bei großen wie kleinen Potsdamern beliebt. Rund 700.000 Besucher konnte das Mitmachmuseum seit seiner Eröffnung 2006 verbuchen. Doch die Einrichtung arbeitet seit langem defizitär, 2018 stand sogar die Schließung im Raum. Anfang April 2019 hat die Stadt Potsdam beschlossen, das Extavium dieses Jahr mit 200.000 Euro zu fördern und die gleiche Summe auch für 2020 in Aussicht gestellt, wenn bis Herbst ein tragfähiges Betriebskonzept vorliegt. Das Extavium werde demnächst all seine Zahlen an den Bereich Kultur und Bildung übergeben, so Leetz, geplant sei ein auch Gespräch mit der Bildungsbeigeordneten Noosha Aubel (parteilos). Auf dieser Grundlage wird die Stadtverwaltung dann ihre Bedingungen für die Förderung formulieren.
Leetz freut sich über die Förderung: „Ohne die geht es nicht“, stellt sie klar. Rund 20 Euro kostet die Betreuung eines Kindes im Extavium, der Eintritt liegt aber bei 10 Euro. „Mit Bildung kann man nun mal kein Geld verdienen und um Bildung geht es hier. Wir sind kein Freizeitpark, die Leute kommen hierher, um etwas für ihr Gehirn zu tun.“ Tatsächlich verbringen Familien im Schnitt drei bis vier Stunden im Extavium, um die zahlreichen Experimente aus den Bereichen Physik, Biologie, Mathematik, Chemie und Informatik auszuprobieren.
Das besondere dabei sei die individuelle Betreuung der Besucher. Mitarbeiter des Extaviums sind ständig ansprechbar, stehen für Fragen und wissenschaftliche Diskussionen zur Verfügung. Leetz ist dieser Punkt besonders wichtig, denn durch dieses pädagogische Konzept und die vielen Gespräche lernen Kinder am meisten. „Darin unterscheiden wir uns auch von anderen Mitmachmuseen wie etwa dem Spectrum in Berlin“, betont Leetz.
Doch diese Betreuung hat ihren Preis: Keiner der 15 Mitarbeiter des Extaviums arbeitet in Vollzeit, einige waren zeitweise sogar unentgeltlich tätig, als Ehrenamtler. „Das sind alles Menschen mit Hochschulabschluss oder promovierte Wissenschaftler, die in den vergangenen Jahren teilweise zum Mindestlohn gearbeitet haben“, sagt Leetz. „Unter diesen Bedingungen kann man natürlich nicht ewig weitermachen. Wir haben deshalb in der Vergangenheit immer wieder sehr gute Leute verloren.“ Die Förderung der Stadt soll in erster Linie in die bessere Bezahlung der Mitarbeiter fließen, die neben ihrer Tätigkeit im Extavium auch immer wieder an Schulen gehen, um dort Experimente im Unterricht zu machen.
Schulklassen besuchen das Extavium gerne, auch Geburtstage werden oft hier gefeiert, berichtet Leetz. Auf einem Tisch steht ein angeschnittener Kuchen inmitten von bunten Luftschlagen, die Kinder sind gerade in einem der zwei Labore, um dort ihren eigenen Glibberschleim herzustellen, so Leetz. Auch bei den Erwachsenen kommen die Exponate des Extaviums an: Ein Ehepaar steht grübelnd vor der „Leiter nach Australien“, einem mit einer Glasplatte abgedeckten Schacht, in dem eine Holzleiter scheinbar endlos in die Tiefe geht – eine optische Täuschung durch einseitig verspiegeltes Glas. „Meine Frau wollte schon runtersteigen“, scherzt der Besucher.
2015 war das Extavium aus der Caligari-Halle im Filmpark Babelsberg in die neuen Räumlichkeiten Am Kanal gezogen. „Wir fühlen uns hier sehr wohl und die Besucher auch“, sagt Leetz. „Und wenn man sich wohlfühlt, lernt man am besten.“ Im Gegensatz zur sehr großen und dunklen Caligari-Halle seien die Räume hier sehr hell und freundlich – allerdings auch wesentlich kleiner. Deshalb kann das Extavium seit dem Umzug nur noch etwa zwei Drittel seiner rund 130 Exponate ausstellen. Sehr große Stücke wie etwa die Energiemaschine oder ein Trabi, den man eine Rampe hochziehen konnte, passen hier nicht mehr rein.
Tatsächlich war der Standort Am Kanal ursprünglich nur als Zwischenlösung gedacht, bis eine bessere Immobilie gefunden ist – doch das ist in Potsdam bekanntlich schwierig. Anfang April hatte die Stadtverordnetenversammlung jedoch beschlossen, die defizitäre Biosphäre zu erhalten und zu einem Freizeit- und Wissenschaftscenter umzubauen – möglicherweise ein neues Zuhause für das Extavium. „Ich finde die Idee eines Science Centers sehr gut, das könnten wir zu hundert Prozent bespielen“, sagt Leetz. Ohnehin sollten die verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen der Stadt viel mehr zusammenarbeiten, findet sie: „Viele kämpfen alleine.“ Außerdem würde ein Science Center einer Wissenschaftsstadt wie Potsdam, in der sehr viele Akademiker und ihre Kinder leben, gut zu Gesicht stehen.
Egal wie oder wo es mit dem Extavium weitergeht, eines verspricht Leetz: „Für die Besucher wird sich nichts ändern. Wir werden nach wie vor diese individuelle Betreuung anbieten, wie bisher.“ Immerhin ist das Extavium trotz seiner schwierigen wirtschaftlichen Lage ein Erfolgsmodell: Nach dem Vorbild aus Potsdam wurde 2018 das „Explorhino“ eröffnet, ein Mitmachmuseum im baden-württembergischen Aalen. „Die hatten sich in der ganzen Welt nach solchen Museen umgesehen und am Ende unser Konzept übernommen“, sagt Leetz stolz.