Und wer betreut jetzt die Kinder?: Einzelhändler öffnen - Kitas und Schulen nicht
Kitas laufen nur im Notbetrieb, die Schulen öffnen erst nach und nach. Während Verkaufsbeschränkungen nicht mehr gelten, fühlen Eltern sich allein gelassen.
Potsdam - Nach und nach öffnen die Geschäfte in Potsdam wieder, vorsichtig kehrt der Alltag zurück. Doch wenn bald wieder mehr berufstätige Eltern zur Arbeit gehen müssten, wer betreut dann die Kinder?
Seit Samstag gelten die Verkaufsbeschränkungen für größere Läden nicht mehr. Auch die so genannten „körpernahen Dienstleistungen“ dürfen wieder öffnen, zum Beispiel Frisöre, Massagesalons und Tattoostudios. Die Angestellten kehren an ihre Arbeitsplätze zurück. Aber Kitas und Schulen laufen immer noch im Notbetrieb. Eine Notfallbetreuung gibt es nur für systemrelevante Berufe.
Im Einzelhandel scheint in dieser Frage jedes Unternehmen auf sich selbst gestellt zu sein. „Wir sind froh, dass wir öffnen können”, sagt Bärbel Schälicke, die Vorsitzende der AG Innenstadt. Die Potsdamer Ladeninhaber würden mit ihren Angestellten im Einzelfall nach Lösungen suchen. Diese bestünden meist darin, dass Eltern für eine Übergangszeit nur halbtags arbeiten würden, um ihre Kinder weiter selbst betreuen zu können.
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Viele Eltern in Not
Doch wie lange funktioniert das? Im Moment sei in den meisten Geschäften wenig los, sagt Schälicke. Doch wenn wieder mehr Kunden kämen, werde wahrscheinlich auch wieder mehr Arbeitskraft gebraucht. Alles könnten die Inhaber nicht allein stemmen, sagt Schälicke.
„Ich habe bereits mit einigen Eltern gesprochen, die nicht wissen, was sie jetzt tun sollen”, sagt Markus Kobler vom Kreiselternrat Potsdam, der die Eltern schulpflichtiger Kinder vertritt. Es sei ein Dilemma. Der Schulbetrieb könne nicht hochgefahren werden, weil vom Coronavirus weiterhin eine große Gefahr ausgeht. Gleichzeitig seien aber die Eltern auf die Gehälter angewiesen. Wenn jetzt immer mehr Unternehmen ihren Betrieb wieder aufnehmen, dürfte sich das Problem nur noch weiter verschärfen, vermutet Kobler. Im schlimmsten Fall könnten sich einzelne Eltern gezwungen sehen, ihre Kinder allein zu lassen.
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„Das ist alles nicht hundertprozentig durchdacht”
Auch Rene Seyfert vom Kita-Elternbeirat Potsdam-Mittelmark weiß keine Lösung. „Viele Eltern sind schon jetzt an ihren Kapazitätsgrenzen angekommen”, sagt er. Zudem gebe es in einigen Kommunen bereits seit einer Weile keine Notbetreuungsplätze mehr, zum Beispiel in Kloster Lehnin, wo Seyfert selbst lebt. Grund sei der Personalmangel.
Viele Betreuer würden selbst zur Risikogruppe gehören und könnten daher nicht einfach in die Kita zurückkehren, sagt Seyfert. Bisher würden die Kommunen ganz unterschiedlich auf die komplizierte Problemlage reagieren. „Das ist alles nicht hundertprozentig durchdacht”, kritisiert Seyfert. Seiner Ansicht nach sollte es möglichst schnell eine Lösung auf Landesebene geben.
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) hatte am Freitag bei der Pressekonferenz zu den Coronamaßnahmen gesagt: „Wir werden die Lockerungen an den Schulen fortsetzen: Bis zu den Sommerferien werden alle Schülerinnen und Schüler die Schulen wieder besuchen, wenn auch nur tageweise.“ Was die Kitas angeht, werde das Ministerium nun mit allen Beteiligten „in einen intensiven Austausch eintreten”. Vorrangiges Ziel sei es, dass „bis zu den Sommerferien jedes Kind am Übergang zur Schule vor dem Ende seiner Kita-Zeit noch einmal die Kita besuchen soll”.
Einige Kitas sind an ihren Grenzen
Das Bildungsministerium räumte ein, dass die Notbetreuungs-Kapazitätsgrenzen einiger Kitas erreicht worden seien. Deshalb seien nun auch größere Kitagruppen zulässig. „Dies schafft die Voraussetzungen, in den nächsten Wochen die Kita-Notfallbetreuung auszuweiten“, teilte das Ministerium mit. Doch selbst wenn das klappen sollte, kann auf diese Weise nur ein Teil der Probleme gelöst werden. Wer alle übrigen Kinder berufstätiger Eltern betreuen soll, konnte das Ministerium auf PNN-Anfrage am Freitag nicht beantworten.
„Der Fokus liegt im Moment auf den Übergangsjahrgängen, alle anderen fallen hinten runter”, kritisiert René Mertens, der Vorsitzende des Landesrates der Eltern Brandenburg, der die Eltern von Schulkindern vertritt. Aus der Elternschaft erhalte er allerdings auch sehr unterschiedliche Rückmeldungen. Während ein Teil so schnell wie möglich arbeiten wolle, hätten die anderen große Bedenken, ihre Kinder wieder in die Schulen zu schicken. Das sei insbesondere dann der Fall, wenn die Kinder in der Familie auch mit Personen aus der Risikogruppe zusammenlebten, etwa den Großeltern. Gerade kleinere Kinder bräuchten aber den direkten Unterricht, denn sie seien mit Videokonferenzen und anderen modernen Tools oft überfordert, sagt er.
Wenn die Schulen wieder öffnen, wie an diesem Montag für die fünften Klassen, muss der Unterricht in kleineren Gruppen erfolgen, was mehr Personal erfordert. Mertens befürchtet, dass dann allzu oft auf fachfremde Lehrer zurückgegriffen werden könnte – zu Lasten der Qualität. Das Problem ist aus seiner Sicht aber ein grundsätzliches, nämlich das „Festhalten an starren Strukturen”. Der Schulbetrieb könne sich nur zu schlecht an die wechselnden Anforderungen anpassen. Deshalb würden nicht alle verfügbaren Ressourcen genutzt, sagt Mertens. Fest steht: Das Problem wird sich weiter verschärfen. Spätestens ab 15. Mai, wenn auch die Gastronomie öffnet.
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